Gladbeck. Die IHK hat wieder die Passantenfrequenz in den Städten gemessen. Doch sind Passanten immer auch gleich Kunden? Da gibt es kritische Stimmen.

In Gladbeck sind die Menschen wieder vermehrt in der Innenstadt unterwegs. Fast scheint es wieder so zu sein wie in der Zeit vor Corona. So lässt sich zumindest die aktuelle Passantenfrequenz-Messung der Industrie- und Handelskammer (IHK) in den Städten der Emscher-Lippe-Region interpretieren. Und wie bereits in den Jahren zuvor, nimmt Gladbeck dabei auch diesmal wieder den Spitzenplatz im Kreis Recklinghausen ein. Allerdings: Spürt auch der Einzelhandel diesen Trend? Sind die Passanten auch gleichzeitig Kunden? Und werden Inflation und wachsende Unsicherheiten die Stimmung zum Herbst hin wieder trüben?

Zum fünften Mal waren die Zähler der IHK Nord Westfalen in den zwölf Mittelzentren der Emscher-Lippe-Region unterwegs, um eine Stunde lang zu messen, wie viele Passanten an jeweils einem Donnerstag und Samstag unterwegs sind. „Wir wollen damit langfristig beobachten, wie sich die Anziehungskraft der Innenstädte entwickelt“, erklärt Christoph Berger, Vorsitzender des Handelsausschusses der IHK Nord Westfalen.

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Die Boutique „Stil Vest“ von Stephan Ignatzy liegt in prädestinierter Lage am Eingang der Gladbecker Fußgängerzone, gleich gegenüber von Hoch10. Hier sind viele Menschen unterwegs, darunter wohl auch etliche Kundinnen und Kunden. Denn Stephan Ignatzy sagt: „Ich schaue auf ein sehr starkes Halbjahr zurück. Ja, man kann auf jeden Fall sagen, dass die Kunden zurück sind in der Gladbecker Innenstadt.“ Auch auf den August blickt der Geschäftsmann äußerst positiv zurück. „Und die ersten Tage im September setzen sich in dieser Art fort. Beim Appeltatenfest waren sowohl der Samstag als auch der Sonntag absolut starke Tage.“

Gladbecker Einzelhändler: Das Kaufverhalten im Herbst abwarten

Trotz der positiven Sommerbilanz: In die Herbst- und Wintersaison will Ignatzy dennoch mit „angezogener Handbremse“ starten. „Es steigen ja nicht nur die Energiekosten. Lebensmittel werden auch immer teurer. Personalkosten ebenfalls. Man muss schauen, wie sich das auf das Kaufverhalten der Leute in den kommenden Wochen auswirkt.“ Grundsätzlich bleibt Stephan Ignatzy aber verhalten positiv gestimmt, zumal „auch der Staat ja einiges ausgleicht und so das konjunkturelle Bild unterstützt“.

Weitaus kritischer blickt da Simon Terhardt auf die Entwicklung in Gladbeck. Der Inhaber des Bettengeschäfts „Traumwerkstatt“ an der Bachstraße sagt klipp und klar: „Passantenfrequenz bringt uns Einzelhändlern gar nichts. Es zählt allein die Kaufkraft der Menschen, die in der Innenstadt unterwegs sind, und da würde ich mal behaupten, die ist in den vergangenen fünf Jahren nicht besser geworden.“

„Von Quantität haben wir nichts, nur von Umsätzen“

Nicht die Passantenfrequenz zählt, sonder vielmehr die Kundenfrequenz, sagt Einzelhändler Simon Terhardt. Und die habe in Gladbeck stark abgenommen.
Nicht die Passantenfrequenz zählt, sonder vielmehr die Kundenfrequenz, sagt Einzelhändler Simon Terhardt. Und die habe in Gladbeck stark abgenommen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Konkret kann Terhardt das auch an den Barkäufen beziehungsweise Kasseneinnahmen in seinem Geschäft festmachen. „Die Kunden, die in der Mittagszeit vorbeischauen, um ein Kissen zu kaufen, die gibt es immer weniger.“

Blick auf Bottrop und Gelsenkirchen

Im Kreis Recklinghausen wurden bei der IHK-Erhebung die meisten Passanten, wie bereits in den Vorjahren, in Gladbeck gezählt. Am Standort Hochstraße wurden an einem Samstag 2037 Passanten gezählt. Hier und in der Horster Straße sei schon fast wieder das Niveau der Vor-Corona-Zeit erreicht, so die Auswertung. An der Horster Straße seien die Werte von 2018 an einem Donnerstag sogar deutlich übertroffen worden.

In der Emscher-Lippe-Region verzeichnen die beiden kreisfreien Städte Bottrop, wo der Spitzenwert mit 2619 Passanten an einem Samstag in der Hochstraße erzielt wurde, und Gelsenkirchen die höchste Frequenz. Hier ragt die Hochstraße in Buer mit 2586 Passanten am Samstag heraus.

Ähnliches höre er auch von anderen Gladbecker Einzelhändlern. Für ihn hat die Passantenfrequenz-Messung der IHK deshalb auch kaum Aussagekraft. „Wir haben nichts von Quantität, nur von Umsätzen!“ Und in dem Punkt kommt Terhardt zu der Überzeugung, dass die Kundenfrequenz in Gladbeck seit Corona „stark abgenommen hat“.

Wieder einen anderen Blick auf die IHK-Zahlen hat Peter Breßer-Barnebeck. Der Chef der städtischen Wirtschaftsförderung wertet das Abschneiden Gladbecks positiv und führt es auf die „recht kompakte Einzelhandelslage“ in der der Stadt zurück. „Wir haben es geschafft, eher schwierige Nebenlagen zurückzubauen“. Aus weniger frequentierten Straßen habe sich der Handel zurückgezogen, dafür „belebten heute Wohnungen, Gastronomen, Dienstleister und Ärzte diese Bereiche“.

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Wirtschaftsförderung: Gesamteindruck von Gladbeck ist gut

Die Kundschaft finde die Einkaufslagen nun konzentrierter vor, „das ist gut für den Gesamteindruck“. Wo vor Jahren wichtige Besuchermagneten verloren gegangen seien, sei unter anderem mit dem „Hoch10“ als Tor zur runderneuerten Fußgängerzone ein neuer Anziehungspunkt entstanden.