Gladbeck. Der Notvorstand für die in Schieflage geratene Gladbecker Tafel stellt sich vor. Erstes Ergebnis: Die Situation ist schlimmer als befürchtet.

Der Notvorstand des in Schieflage geratenen Gladbecker Tafel e.V. hat diese Woche offiziell die Arbeit aufgenommen. Drei Männer versuchen mit personeller Unterstützung aus der Stadtverwaltung das vorgefundene Chaos zu ordnen, um die Zukunft der Essensausgabe für bedürftige Menschen in Gladbeck langfristig wieder zu sichern. Die Akteure sind in der Stadt großteils keine Unbekannten. Sie berichten von „keiner leichten Aufgabe“, und einer Situation, die wohl noch schlimmer ist als befürchtet.

Wenig überraschen dürfte, dass Gladbecks Sozialdezernent und Erster Beigeordneter Rainer Weichelt mit im Boot sitzt. Er hatte bereits im jüngsten Sozialausschuss berichtet, dass sich die Stadtverwaltung engagieren werde, um die Tafel wieder ans Laufen zu bringen. Im Notvorstand zur Seite stehen ihm der evangelische Pfarrer im Ruhestand, Uwe Hildebrandt, sowie Michael Düing vom Lions-Club Gladbeck, die Weichelt angesprochen, „und sofort ihre Zusagen erhalten“ habe.

Ziel: Die Tafel und den Betrieb schnell wieder auf solide Beine stellen

Der Notvorstand der Gladbecker Tafel hat die Arbeit aufgenommen: Uwe Hildebrand, Michael Düing und Rainer Weichelt (v.l.) wollen den Neustart zügig hinbekommen.
Der Notvorstand der Gladbecker Tafel hat die Arbeit aufgenommen: Uwe Hildebrand, Michael Düing und Rainer Weichelt (v.l.) wollen den Neustart zügig hinbekommen. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Uwe Hildebrandt sagt, er kenne über das soziale Engagement und die Flüchtlingsarbeit der ev. Kirche in Gladbeck viele der Tafel-Kunden. Es sei wichtig, dass für diese die Versorgung mit Lebensmittelspenden fortgeführt werde. Er wolle dazu beitragen und habe im Ruhestand „jetzt mehr Zeit und Möglichkeiten“ sich einzubringen. Polizeibeamter Michael Düing (Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste) steht noch voll im Berufsleben. Ihm sei daran gelegen, „dass die Tafel wieder auf solide Beine gestellt wird und der Betrieb so schnell wie möglich aufgenommen werden kann“. Er setze sich auch als Vertreter des Lion-Clubs Gladbeck für den Erhalt der Tafel ein, da der Club die karitative Einrichtung bereits seit vielen Jahren unterstütze. „Auch mit unserer bislang größten Einzelspende, indem wir der Tafel ein dringend benötigtes Kühlfahrzeug im Juni 2020 übergeben haben.“

Neue Räume gesucht

Obgleich der Mietvertrag für den Tafelladen erst im Juni 2022 ausläuft, können die bisherigen Räumlichkeiten an der Bülser Straße nicht mehr genutzt werden können.

Diese sind in schlechtem, renovierungsbedürftigem Zustand. Eine Investition lohne sich für ein halbes Jahr nicht. Daher sei man jetzt auch auf der Suche nach neuen Räumen für die gemeinnützige Tafel zu günstigen Konditionen.

Ein Raum von 100 bis 120 Quadratmeter Größe reicht für Lagerung und Lebensmittelausgabe aus, mit Sanitärraum und wünschenswertem kleinen Küchenbereich.

Der Ort sollte auch Stellplatz für die Fahrzeuge und die Anlieferung der Lebensmittel ermöglichen. Gerne in zentraler Lage oder mit guter Busanbindung.

E-Mail-Kontakt zum Notvorstand:

Letzteres ist der wohl größte noch vorhandene Besitz des bisherigen Tafelvereins, der für die Zukunft des Neustarts wichtig ist. Denn der erste Eindruck einer katastrophalen Buchführung des alten Vorstandes habe sich nach Start der Bestandsaufnahme am Montag weiter bestätigt, so Weichelt. Maßgeblich Struktur in die vorgefundene lose Blatt-Sammlung, den noch vorhandenen Besitz und den Vermögensstatus des Tafelvereins zu bringen, versuchen Thomas Andres, Leiter des Sozialamtes, und Marcel Hädrich, Abteilungsleiter Existenzsicherung und Wohnen.

Die Aufarbeitung der ungeordneten Akten erinnert an Detektivarbeit

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Dass das Aufarbeiten der ungeordneten Akten an Detektivarbeit erinnere, berichteten sie anschaulich. Mitgliederlisten habe man nicht gefunden, so schließlich über Kontobewegungen ermittelt, „dass es drei Mitglieder des Vereins gibt, die Beiträge gezahlt haben und eine weitere Person Ehrenmitglied ist“, so Thomas Andres. Nur geringes Guthaben habe man auf dem Konto vorgefunden, „dem eine Reihe von Außenständen gegenüberstehen, darunter Rechnungen für Miete und Strom oder Forderungen des Finanzamtes“. Die Tafel sei den rechtlichen Vereinsvorschriften bereits seit Jahren nicht mehr nachgekommen, habe etwa die letzte Mitgliederversammlung 2014 abgehalten, auch die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nicht mehr steuerlich nachgewiesen. Man habe weiter ermittelt, so Marcel Hädrich, „dass von den drei angemeldeten Fahrzeugen des Vereins, zwar noch zwei eine gültige TÜV-Plakette haben, aber nur für das Kühlfahrzeug eine Autoversicherung bezahlt worden ist“.

Diese Sachlage erkläre vielleicht auch den engagierten Ehrenamtlichen, warum es nicht möglich ist, die Vereinsarbeit mit Lebensmittelverteilung zügig wieder aufzunehmen. Es gehe auch um eine Absicherung der vielen Helferinnen und Helfer, die für die Zukunft einer Tafel wichtig seien, sagt Weichelt. Ziel sei es daher, den alten Verein sauber zu beenden und dann einen Neustart auf sicherem Fundament zu ermöglichen. Diese Nachhaltigkeit könne durch Einbindung professioneller Vereinsführung erfolgen. „Etwa die Hälfte der Tafeln in Deutschland wird von Sozialverbänden geführt“, berichtet der Sozialdezernent. Er führe dazu bereits Gespräche. Mit der Hoffnung, „den Neustart im Frühjahr 2022 hinzubekommen“.