Gladbeck. Ein Pilotprojekt soll mit einem neuen Kita-Träger in Gladbeck umgesetzt werden. Ziel ist die Errichtung einer bilingualen Kita türkisch/deutsch.
In der Gladbecker Kindergartenlandschaft sollen neue Wege beschritten werden. Die erste bilinguale Kita im Stadtgebiet wird jetzt geplant. Der Jugendhilfeausschuss machte dafür am Dienstagabend den Weg frei. Die Kinder der neuen Sprachkita werden in der deutschen und türkischen Sprache erzogen. Das Konzept wurde vorgestellt.
Sozialdezernent und Erster Beigeordneter Rainer Weichelt begrüßte es vor der Debatte ausdrücklich, dass es gelungen sei, das Ruhr Familienbildungszentrum e.V. (Rufa) aus Dortmund zu gewinnen. Im Stadtteil Eving betreibt der freie Träger bereits seine erste bilinguale Kita. Die Verwaltung habe bereits seit Jahren versucht, so ein Angebot zu finden, und er sei froh, so Weichelt, „dass wir es hinbekommen, unsere Kitalandschaft nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ auszubauen“.
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Vorschusslorbeeren vom Dezernenten und der Leiterin des Bildungsamtes
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Die SPD-Fraktion hatte bereits im Vorfeld der Ausschusssitzung bekannt gegeben, dass sie das Anliegen unterstützt. Und auch die Leiterin des Amtes für Bildung und Erziehung, Christine Hellebrand, warb dafür, „mit dem Rufa in Gladbeck ein ganz besonderes Angebot etablieren zu können“, das aus Bildungssicht „etwas ganz Wertvolles“ sei. Die Fachberatung habe man sehr mit dem Kita-Konzept überzeugt. Man habe auch in Dortmund zu den Erfahrungen mit dem Rufa nachgefragt, dort sei man „voll des Lobes“, und bei einem Besuch der Einrichtung hätte man selbst „die sehr angenehme Atmosphäre“ erlebt.
Nach diesen Vorschusslorbeeren konnten dann der Geschäftsführer, Ali Türkoglu, dem Ausschuss den Träger-Verein, und Einrichtungsleiterin Nagihan Türkoglu das Kita-Konzept des Rufa vorstellen. Der Verein sei 2014 „von Akademikern mit Migrationshintergrund gegründet worden“ – aufgrund „ihrer eigenen Erfahrungen als Kinder und Eltern“, um Kinder mit Migrationshintergrund in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und die Entwicklung von Selbstbewusstsein und Identität zu stärken. Der Verein sei seit 2016 als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt, habe 29 Mitglieder. Die bilinguale Kita sei mit vier Gruppen 2018 in Betrieb gegangen und mittlerweile auch zertifiziertes Familienzentrum, so der Geschäftsführer.
„Es ist wichtig, dass die Kinder sich in ihrer eigenen Muttersprache wohl fühlen“
Standort und Investor stehen noch nicht fest
Wo die neue bilinguale Kita türkisch/deutsch in Gladbeck entstehen soll, ist noch nicht klar. Man habe das Votum des Ausschusses abgewartet, „um jetzt auf die Suche nach passenden Liegenschaften zu gehen“, so Rufa-Geschäftsführe Türkoglu.
Auf die Frage von Ausschussmitglied Wilfried Allkemper (Ev. Kirche), wer denn den Kita-Neubau finanziere, gab es auch noch nichts Konkretes. Man sei mit potenziellen Investoren in Kontakt, wolle die Gespräche jetzt intensivieren.
Den Zeitplan, wann wohl die Eröffnung angestrebt ist, nannte keiner der Rufa-Vertreter, sondern indirekt Ausschussvorsitzender Volker Musiol: „Wir würden uns freuen, wenn dann in zwei Jahren die neue bilinguale Kita eröffnet wird“.
Naghian Türkoglu skizzierte dann zum Leitbild, dass Bildung Sprache brauche, „vor allem Muttersprache“. Damit auch der deutsche Spracherwerb gelinge, sei es wichtig, „dass die Kinder sich in ihrer eigenen Muttersprache wohl fühlen“. Denn es sei wissenschaftlich erwiesen, dass ein Kind, das seine muttersprachliche Bildung nicht vollenden könne, in allen Ebenen seiner Entwicklung Schwierigkeiten habe. „Wir arbeiten in der Kita mit der Immersionsmethode, das Sprachbad bedeutet“, so die Kita-Leiterin. In allen vier Gruppen sei eine Muttersprachlerin tätig sei, „die ausschließlich die türkische Sprache spricht“. Die weitere Gruppenleitung spreche Deutsch, dies sei auch die Hauptsprache im Kontakt des Kollegiums. Die Sprachvermittlung erfolge im alltäglichen und ganzheitlichen Zusammenhang durch Einbindung und Erklärung der situationsbedingten Handlungen beim Spielen und Lernen. 75 Kinder (Alter vier Monate bis sechs Jahre) besuchten die Pilotkita in Eving, 81 Prozent haben den muslimischen Glauben.
Marco Gräber, Vertreter de AfD im Ausschuss, informierte, dass ihm zunächst „das Herz aufgegangen“ sei, als er von der Planung einer bilingualen Kita gelesen habe. Denn wenn Kinder English, Französisch oder auch Spanisch lernten, eröffneten sich ihnen weltweit große Chancen. Beim Türkischen sei das aber zweifelhaft, damit käme man wohl nur in Deutschland und in der Türkei weiter. Kinder, die hier in dritter oder vierter Generation geboren würden, deren Muttersprache sei aus seiner Sicht auch Deutsch. Er sei in Sorge, dass hier neben dem geplanten Islaminternat weitere Parallelstrukturen in Gladbeck geschaffen würden.
Nur der Vertreter der AfD stimmt gegen die bilinguale Kita
Die übrigen Ausschussmitglieder lobten hingegen mehrheitlich die Pläne. Sie könne das „nur unterstützen“, so Kita-Erzieherin Barbara Richterich. Auch die CDU sei „mit großer Mehrheit dafür“, sagte Kita-Leiter Michael Wichert. Benedikt Kapteina befürwortete für die SPD „das gute sinnvolle Konzept“. Den Rufa als neuen Träger einer Kindertageseinrichtung zuzulassen, wurde letztlich mit einer Gegenstimme (AfD) beschlossen.