Gladbeck. Weniger Menschen als noch in den Vorjahren sind in Gladbeck in finanzieller Not. Doch: Die Corona-Folgen sind jetzt nur noch nicht sichtbar.

Trotz Inflation und Corona-Pandemie: Die Verschuldungsquote in Gladbeck ist leicht gesunken und liegt aktuell bei 12,82 Prozent. Im vergangenen Jahr lag sie noch bei 13,66 Prozent. Allerdings zeigt sich in der Stadt ein deutliches Gefälle. Die städtische Schuldnerberatung geht zudem davon aus, dass die Quote in den kommenden Jahren steigen wird.

Denn: „Die Überschuldungsquote spiegelt aktuell noch nicht die Auswirkungen der Pandemie wider“, so Schuldner- und Insolvenzberaterin Özgül Capraz. Denn die sozialen Folgen konnten bislang abgemildert werden, etwa durch das Kurzarbeitergeld. „Sobald diese Hilfen auslaufen, werden wir die Auswirkungen zu spüren bekommen“, ist Capraz überzeugt. Durchschnittlich sind die Schuldner in Gladbeck mit 24.000 Euro verschuldet.

Im Stadtsüden ist die Verschuldungsquote am höchsten

In den einzelnen Stadtteilen Gladbecks sieht die Lage sehr unterschiedlich aus. Am höchsten liegt die Verschuldungsquote laut Schuldenatlas 2021 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform mit 14,44 Prozent im Süden, in Brauck, Butendorf und Rosenhügel. Ellinghorst und Mitte weisen eine Quote von 13,6 auf, und in Zweckel, Schultendorf und Rentfort sieht es mit einer Quote von 10,43 am besten aus.

Ein Blick auf die Altersklassen zeigt: Ein Großteil der Verschuldeten ist zwischen 30 und 50 Jahre alt. Bei den Beratungsfällen machen sie einen Anteil von rund 50 Prozent aus. Mit einem Anteil von knapp 20 Prozent folgen die 20- bis 30-Jährigen, die 50- bis 60-Jährigen machen etwa 17 Prozent aus. Die Über-60-Jährigen bilden mit etwa elf Prozent die zweitkleinste Gruppe, und die Unter-20-Jährigen haben einen Anteil von unter einem Prozent.

In den einzelnen Stadtteilen sieht die Verschuldungsquote unterschiedlich aus.
In den einzelnen Stadtteilen sieht die Verschuldungsquote unterschiedlich aus. © funkegrafik nrw | Anda Sinn

Zahl der Privatinsolvenzen nach Gesetzesänderung gestiegen

Vermehrt gibt es bei der Schuldnerberatung derzeit Anfragen nach Privatinsolvenzen. Grund für den Anstieg ist eine Gesetzesänderung: Verschuldete können seit diesem Jahr einfacher nach drei, statt wie bis zuletzt nach sechs Jahren, von ihren Restschulden befreit werden. Die Regelung gilt zunächst bis 2025. „Wir haben damit gerechnet, dass viele warten, bis diese Gesetzesänderung in Kraft tritt.“ So haben die Beraterinnen in der Schuldnerberatung bereits im vergangenen Jahr registriert, dass die Zahl der Insolvenzanträge zurückgegangen war. Wie viele Anträge es in diesem Jahr gab, kann Capraz nicht benennen. „Dazu haben wir derzeit keine Zahlen, das werten wir erst im kommenden Jahr aus.“

Zu den häufigsten Gründen, warum Menschen sich überhaupt verschulden, zählt an erster Stelle Arbeitslosigkeit. „Aber auch gesundheitliche Gründe, Scheidung oder ein langfristiges Niedrigeinkommen können dazu führen“, weiß die Schuldnerberaterin. Den Menschen, die Rat bei ihnen suchen, empfehlen die Mitarbeiter der städtischen Beratungsstelle etwa, ein Haushaltsbuch zu führen, um einen Überblick über die monatlichen Kosten zu haben. „Zudem versuchen wir auch, sie hinsichtlich ihres Konsumverhaltens zu beraten.“

Verschuldungsquote liegt im Kreis Recklinghausen bei 12,53

Zwei Kommunen im Ruhrgebiet gehören laut Schuldenatlas 2021 zu den zehn Städten mit der höchsten Überschuldungsquote: Gelsenkirchen mit einer Quote von 16,94 und Herne mit 16,82. Im Vorjahr lagen die Quoten dort noch bei 18,05 beziehungsweise 18,21. Zum Vergleich: Bundesweit liegt die Überschuldungsquote 2021 bei 8,86 Prozent.

Im Kreis Recklinghausen liegt die Quote aktuell bei 12,53.

Wartezeit von bis zu sechs Monaten

Aufgrund der Inflation müssen Bürgerinnen und Bürger aktuell für viele Waren und Produkte mehr bezahlen.Miet- und Energieschulden könnten künftig eine weitere Ursache dafür sein, dass Menschen in finanzielle Not geraten. „Bisher haben wir noch keine Beratungsanfragen bekommen, bei denen über die erheblichen Preissteigerungen geklagt wurde.“ Möglicherweise werde es aufgrund dessen aber im kommenden Jahr zu vermehrten Anfragen kommen. „Die Energiekostenbescheide beispielsweise werden ja erst im nächsten Jahr rausgeschickt“, sagt Özgül Capraz.

Wer einen Termin bei der Schuldnerberatung vereinbaren möchte, muss derzeit mit bis zu sechs Monaten Wartezeit rechnen. „Damit stehen wir noch ganz gut da, in den Nachbarstädten sind bis zu zwölf Monate Wartezeit möglich.“ Dass die Termine nach wie vor stark nachgefragt sind, verdeutlicht ein Blick in die Statistik: 215 Beratungen gab es in diesem Jahr bereits bei der städtischen Schuldnerberatung, 227 waren es im gesamten vergangenen Jahr. „Wir erwarten, dass sich die Zahl bis Jahresende noch leicht erhöhen wird, und die Anzahl der Beratungen leicht über dem Wert von 2020 liegen wird.“

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