Gladbeck. Die Mitarbeiterinnen der Schuldner- und Insolvenzberatung in Gladbeck stellen steigende Fallzahlen fest. Corona verschärft die Situation.
Immer mehr Menschen in Gladbeck sind verschuldet. 2019 lag die Verschuldungsquote bei 13 Prozent, gemessen an der Einwohnerzahl sind rund 10.000 Menschen betroffen. Aber: „Es gibt eine hohe Dunkelziffer. Viele trauen sich nicht, ihre Verschuldung offen zu legen. Vor allem bei älteren Menschen ist das Thema schambehaftet“, sagt Ulrich Hauska, Abteilungsleiter der städtischen Schuldner- und Insolvenzberatung, die im Amt für Soziales und Wohnen angesiedelt ist. In Zeiten der Corona-Pandemie machen die Mitarbeiterinnen zur ohnehin schon seit Jahren steigenden Tendenz einen erhöhten Beratungsbedarf fest. Und sie gehen davon aus, dass er noch weiter steigen wird.
Wartezeit von drei bis sechs Monaten
Wer einen Termin bei der Schuldnerberatung vereinbaren möchte, muss eine Wartezeit von etwa drei bis sechs Monaten einkalkulieren. Das Team der Schuldner- und Insolvenzberatung hat seinen Sitz an der Wilhelmstraße und ist erreichbar unter 9926-32, -38 und 992118.
Die Stadt Gladbeck betreibt die Beratungsstelle freiwillig als städtische Einrichtung. „Die Politik hatte damals die Notwendigkeit für eine entsprechende Stelle gesehen“, so Abteilungsleiter Ulrich Hauska.
Schuldnerberaterin Beate Mayrhofer unterstützt derzeit viele Gladbecker, die aufgrund von Corona von Kurzarbeit betroffen sind oder deren befristete Verträge nicht verlängert worden sind. „Aus Sorge vor finanziellen Schwierigkeiten gibt es im Moment einige Firmen, die befristete Verträge nicht verlängern, dazu zählen vor allem Branchen aus dem Niedriglohnbereich.“ Betroffen sind demnach vor allem diejenigen, die bei Taxibetrieben, in der Gastronomie, der Hauswirtschaft oder auch in Freizeitparks angestellt waren. 25 Prozent der Ratsuchenden sind aufgrund der Pandemie derzeit in Kurzarbeit. Im Schnitt kommen wöchentlich ein bis drei Menschen hinzu, die sich bei Beate Mayrhofer melden. 25 stehen derzeit bei ihr auf der Warteliste, 46 Menschen hat sie in diesem Jahr bereits betreut – mit einem aufgrund der Corona-Auflagen deutlich höheren Beratungsaufwand als normalerweise.
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Ein weiterer Anstieg von Verschuldeten wird befürchtet
Mayrhofer ist in der Beratung unter anderem für Berufstätige, Rentner und Studenten zuständig, ihre beiden Kolleginnen Sandra Schwermer und Özgül Capraz hingegen für Menschen, die Sozialleistungen bekommen. Die Expertinnen verzeichneten in diesem Jahr bisher 186 Anfragen, 77 Betroffene stehen noch auf ihrer Warteliste. Zudem erwarten die Beraterinnen künftig einen weiteren Anstieg von Verschuldeten. „Im Zuge von wegen Corona zunehmender Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit werden wir dies zeitversetzt zu spüren bekommen“, vermutet Özgül Capraz. Gründe seien nicht nur fehlende Einnahmen, sondern auch mehr Konsum. „Von Kurzarbeit oder gar Arbeitslosigkeit betroffene Menschen haben mehr Zeit, online einzukaufen“, sagt Capraz.
80 bis 90 Gläubiger pro Schuldner machen die Beraterinnen heute aus. Normal seien es eigentlich durchschnittlich 20 Gläubiger. Die meisten Betroffenen, die die Schuldner- und Insolvenzberatung betreut, sind Menschen zwischen 35 und 50 Jahren. „Die Verschuldungssumme liegt in Gladbeck im Schnitt bei 50.000 Euro pro Kopf“, weiß Mayrhofer.
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Gründe für Verschuldung sind das Konsumverhalten, aber auch Scheidung und Krankheit
Die Gründe für eine zunehmende Verschuldung in der Gesellschaft sehen die Beraterinnen vor allem im Konsumverhalten der Betroffenen. „Es ist so leicht geworden, Waren auch online auf Raten zu kaufen“, bemängelt Mayrhofer. Aber auch familiäre Gründe wie eine Scheidung oder eine gescheiterte Selbstständigkeit sowie Krankheit können in die Schuldenfalle führen.
Mitarbeiterin Sandra Schwermer plädiert dafür, den Umgang mit Geld präventiv zu schulen. „Schon in der Schule sollte in den Unterricht eingebunden werden, wie richtig mit Geld umgegangen wird.“ Denn nicht in jedem Elternhaus gebe es eine Sensitivität für das Thema. So gebe es viele Eltern, die verschuldet sind und deren Kinder dies dann nachmachten und ebenfalls die Schuldnerberatung aufsuchen müssten. Mayrhofer: „Wir betreuen ganze Schuldner-Familien. So wie es Hartz-IV-Karrieren gibt, gibt es auch Schuldner-Karrieren.“