Gladbeck. Die Gladbeckerin Brigitte Vollenberg erlebte eine kriminelle Reise an Bord der MS Norröna. Mit von der Partie: Profis wie Axel Petermann.

Es ist kalt. Eiskalt. Die MS Norröna schippert irgendwo auf dem Meer in Richtung Island. An Bord eine illustre Gesellschaft, die Mord und Totschlag im Sinn hat. Stürmisch wird’s. Und blutig. Die Szene erinnert an einen Wallander- oder Sten-Krimi. Mittendrin Brigitte Vollenberg aus Gladbeck.

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Die 68-Jährige ist nicht zufällig auf diesem Schiff. Sie hat es so gewollt – wie die übrigen Passagiere. Vollenbergs Ziel: von anderen lernen. Dabei hat die Gladbeckerin selbst schon so einiges auf dem Kerbholz und etliche Gestalten mit diversen Tatwerkzeugen um die Ecke gebracht. Wer jetzt Böses denkt: Nein, nein! Brigitte Vollenberg hat noch keinem Menschen eigenhändig ein Haar gekrümmt! Doch in ihren Kriminal-Erzählungen sind etliche ihrer Protagonisten auf die eine oder andere Weise weg vom Fenster.

Die Profis Axel Petermann und Manfred Lukaschewski waren mit an Bord

Vielleicht gibt’s ja weitere interessante Methoden, unsympathische Figuren ins Jenseits zu befördern…? „Ich wollte Hintergrundwissen bekommen“, sagt die „Profi-Killerin per Wort“, „es gibt nichts Schlimmeres, als wenn etwas falsch recherchiert ist.“ Also checkte die Gladbeckerin im dänischen Hirtshals für eine „Crime-Cruise-Tour“ auf der MS Norröna ein. Mit von der Partie waren schreibende Mitmenschen mit ähnlichen Mordgelüsten, Journalisten, eingefleischte Krimi-Leser und Spezialisten aus dem realen Leben: aus Bremen der Fallanalytiker Axel Petermann, der in Fernseh-Sendungen spektakuläre Kriminalfälle aufrollt, und Dr. Manfred Lukaschewski, ehemaliger Leiter des LKA Berlin.

Brigitte Vollenberg (2.v.r.) gehört zu den „Mörderischen Schwestern“.
Brigitte Vollenberg (2.v.r.) gehört zu den „Mörderischen Schwestern“. © Rudolf Georg

Brigitte Vollenberg gibt zu: „Ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Mein Ziel war Krimis lesen, schreiben und ermitteln.“ Und genau das erlebte sie. „Die Tour war als Reise ausgeschrieben. Sie wurde von verschiedenen Organisationen wie den ,Mörderischen Schwestern’, bei denen ich bin, gesponsert“, berichtet Vollenberg. Besonders gespannt war sie auf Petermann, der mit seiner Frau an Bord ging, und Lukaschewski. „Sie sind uns auf Augenhöhe begegnet, so dass aus uns allen schnell eine homogene Gruppe geworden ist. Das einfache Miteinander hat mir sehr gut gefallen“, lobt die Gladbeckerin.

Manche Fotos waren schwer zu verkraften

Petermann berate zwar Produzenten von Tatort-Sendungen, „aber manchmal werden seine Hinweise ignoriert, weil’s anders besser zieht“, so Vollenberg. Hier auf der MS Norröna im Nordatlantik standen Fakten im Visier der Fachleute. Die Autorin: „Wir haben so viele Informationen bekommen, da ratterte es in den Köpfen.“ Sie gesteht, dass so manches kaum verdaulich gewesen sei. Ein Bild hat sich nach ihrer Aussage ins Gedächtnis eingebrannt: ein Mann erhängt im Wald. War es Mord? Oder eine Selbsttötung, wie es korrekt heißt? Vollenberg hat gelernt: „Es gibt keinen Selbstmord. Mord setzt immer Heimtücke voraus, das ist bei Selbsttötung nicht möglich.“

Die Komplizen-Gruppe ging auf Spurensuche

Der „Ur-Berliner Lukaschewski“ habe in einem sehr pietätvollen, sensiblen Vortrag die Gruppe gewarnt, „wenn Fotos sehr schwer waren“. Brigitte Vollenberg macht keinen Hehl daraus, dass sie bei manchen Bildern nicht hingeschaut habe: „Als eine Wachsleiche gezeigt wurde, habe ich lieber aus dem Fenster geguckt.“

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Allerdings musste die Autorin sehr genau hinsehen, als die Profis einen Tatort inszenierten. Lukaschewski und Petermann legten Spuren. Sie galt es zu deuten, um den Fall zu entschlüsseln. „Es gab blutige Fußspuren und blutige Handgelenke, die auf Abwehr hinweisen könnten. Oder aber es handelt sich um aufgeschnittene Adern – also eine Selbsttötung? Blutige Tropfspuren könnten verraten, dass das Opfer an einer anderen Stelle als dem Fundort getötet wurde.“ Die 68-Jährige war „sehr erstaunt“, wie verschiedenen die Rückschlüsse und Interpretationen ausfielen.

Blick in die Vita

Brigitte Vollenberg, 1953 in Dosten geboren, ist beruflich von Hause aus Betriebswirtin. Sie wechselte im Jahre 2009 zum schreibenden Fach.

Die Kurzgeschichten der 68-Jährigen haben meistens einen kriminellen Touch, ohne dass Blut fließen muss. Zwischenmenschliche Abgründe tun sich auf, in den häufig untergründig schwellenden Konflikten bleibt dann jemand auf der Strecke.

Begegnungen und Beobachtungen aus dem Alltag oder Urlaub inspirieren Vollenberg. So veröffentlichte sie ebenfalls Geschichten mit lokalem Bezug – sprich: aus Gladbeck, wo sie längst zuhause ist.

Kürzlich brachte die Autorin einen Kinderkrimi heraus – Beginn einer Serie. Auch in diesem Band blitzt an allen Ecken und Enden Gladbeck hervor. Teil 2 hat Brigitte Vollenberg bereits in Arbeit.

Einen Gegenpol zu den ernsten Fakten gab’s auf der Krimi-Schifffahrt: unterhaltsame Lesungen und Schreibworkshops, zum Beispiel mit der Kinderbuchautorin Barbara van Speulhof. „Es ging auch mal lustig und skurril zu“, sagt Vollenberg. So beim „Club der toten Sticker“. Tatjana Kruse hat ihn sich einfallen lassen. Eine Mordserie unter Männerstickern, Tatwaffe eine Steinschleuder: Das klingt nach mörderisch bizarrer Lektüre.

Aus Leseratten wurden mordende Schreib-Neulinge

Die Tour-Gemeinschaft sei zu einer Komplizen-Runde geworden. Und manche, die bisher einfach nur gerne ihre Nase in Krimis gesteckt hätten, wollten nun in die Schreiberei hineinschnuppern. Kurse und Gespräche mit Vollenberg und Co. haben die Schreib-Neulinge auf den Geschmack gebracht.

In Erinnerung wird der Gladbeckerin bleiben: „Die extreme Gegend mit viel Dunkelheit und Polarlichtern passte zur Krimi Atmosphäre.“ Vollenberg kehrte nicht nur mit viel neuem Wissen, sondern auch mit frischen Buch-Ideen im Gepäck zurück an ihren Schreibtisch.

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