Gladbeck. Impfungen zum Schutz gegen diverse Erkrankungen müssen aufgefrischt werden, doch manche Gladbecker denken nicht daran. Das kann gefährlich werden.

Alle Welt spricht über Für und Wider von Impfungen als Schutz gegen das Coronavirus. Was viele Menschen in dieser Diskussion vollkommen vergessen: Sie haben bereits im Laufe ihres Lebens andere Wirkstoffe gespritzt bekommen, um Infektionskrankheiten zu verhindern. Man denke beispielsweise an Tetanus. Doch diese Impfungen müssen aufgefrischt werden. Daran denken allerdings längst nicht alle in Gladbeck. Und das kann gefährlich werden, warnt Dr. Hans-Ulrich Foertsch.

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Wie viele Menschen schlichtweg ihre Impf-Auffrischung verbummeln, kann der Vorsitzende des Verwaltungsbezirks Recklinghausen in der Ärztekammer Westfalen-Lippe nicht beziffern, doch er berichtet: „Ich habe es als Impfarzt in Recklinghausen öfter erlebt, dass Menschen keinen Schutz mehr hatten.“ Es fehlten die Auffrischungen. „Dann habe ich gefragt: Warum machen Sie das nicht?“ Was dem Mediziner zu Ohren kam, waren Antworten wie: „Ich hatte keine Zeit“ oder „Ich habe es vergessen“.

Dr. Hans-Ulrich Foertsch: „In Deutschland herrscht ein tiefes Vertrauen in unser Gesundheitssystem“

Und das sind vergleichsweise harmlose Begründungen. Bedenklich ist nach Foertschs Einschätzung ein anderer Aspekt: „In Deutschland herrscht ein tiefes Vertrauen in unser Gesundheitssystem.“ Deswegen rechneten Menschen nicht damit, dass sie eine Krankheit – die eine Injektion hätte abwehren können – hart treffen könnte.

Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie und andere Krankheiten beginnen schon im Kindesalter.
Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie und andere Krankheiten beginnen schon im Kindesalter. © AB

Foertsch erinnert an die Spanische Grippe, die zwischen 1918 bis 1920 etwa 25 Millionen Menschen auf dem Erdball dahinraffte: „Danach hat man gedacht, das kommt nie wieder.“ Und jetzt? „Wir haben in der Corona-Pandemie fast 100.000 Tote, das hätten wir doch niemals für möglich gehalten“, sagt Foertsch. Er ergänzt: „Bei den schweren Fällen auf den Stationen handelt es sich zu etwa 99 Prozent um Ungeimpfte.“ Und beim Coronavirus werde es zukünftig nicht bleiben. Der Experte erklärt: „Entweder bekommen wir es mit neuen Viren zu tun, die wir noch nicht kennen, oder durch internationale Bewegungen werden Krankheiten wieder verbreitet.“

Dr. Hans-Ulrich Foertsch, Vorsitzender des Verwaltungsbezirks Recklinghausen in der Ärztekammer Westfalen-Lippe, mahnt: Auffrischung des Impfschutzes nicht vergessen!
Dr. Hans-Ulrich Foertsch, Vorsitzender des Verwaltungsbezirks Recklinghausen in der Ärztekammer Westfalen-Lippe, mahnt: Auffrischung des Impfschutzes nicht vergessen! © WAZ FotoPool | Mathias Schumacher

Foertsch nennt ein Beispiel: „Die Pocken sind in der Welt sehr selten geworden. Es mag sein, dass sie in einem Bereich in Indien auftreten und sich mit einer Zehnerpotenz verbreiten.“ In Zeiten von Wanderungsströmen, in denen Menschen ihre Heimat verlassen und anderswo leben wollen, dehne sich diese Krankheit dann schnell aus.

Der Experte weist darauf hin: Der Schutz gegen Masern ist besonders wichtig

Doch es muss gar nicht der Blick in die Ferne sein, der vor Augen führt: Vergesslichkeit kann sich bitter rächen. Foertsch dringt mit Nachdruck auf einen Impfschutz gegen Masern: „In 1:1000 Fällen kommt es zu schwersten Folgen.“ Die Infektion könne lange Zeit zurückliegen und doch hochgradig problematische Auswirkungen haben. „Besonders wichtig ist eine Impfung für die Altersgruppe zwischen 25 und 40 Jahren“, unterstreicht der Arzt.

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Er meint angesichts fehlender Auffrischungen: „Manchmal drängen Ärzte vielleicht auch nicht genug darauf.“ Dabei, so betont der Fachmann, müsse klar sein: „Impfen ist reiner Egoismus.“ Den solle man haben, denn man schütze zunächst seine eigene Person. Mit einer Spritze werde der Körper gezwungen, Antikörper gegen harmlos gemachte Erreger zu bilden. Der Erfolg ist hierzulande so groß, dass manche Krankheiten als so gut wie ausgerottet gelten.

Notiz als Erinnerung

Ältere Semester werden sich an den Slogan erinnern: „Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam!“ Unter diesem Motto wurde ab Anfang der 1960er Jahre für die Impfung gegen Kinderlähmung geworben. Millionen Menschen nahmen sich den Impf-Appell zu Herzen, so dass sie vor einer Ansteckung mit dem Poliovirus geschützt waren.

„Solche Kampagnen sind ein großer bürokratischer Aufwand“, sagt Dr. Hans-Ulrich Foertsch. Der Mediziner empfiehlt, dass sich Menschen Spickzettel anlegen, die an fällige Impfungen erinnern oder eine Notiz ins Handy eingeben.

Die ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine Immunisierung gegen Diphtherie, die ebenfalls lebensbedrohlich sein kann, ab dem Babyalter bis zu Erwachsenen. Über eine Vierfach-Impfung werden zudem auch Kinderlähmung, Keuchhusten und – ganz wichtig! – Tetanus, auch bekannt als Wundstarrkrampf, abgedeckt: Schutz, der regelmäßig erneuert werden muss. Foertsch ergänzt: „Ebenfalls von der Stiko dringend empfohlen sind Impfungen gegen schwere Grippe und Hepatitis B.“ Als „sehr, sehr gut“ schätzt der Experte die Spritze zum Schutz gegen die äußerst schmerzhafte Viruserkrankung Gürtelrose ein. Foertsch mahnt: „Wer Windpocken hatte, sollte sich unter allen Umständen dagegen impfen lassen.“ Ebenso wichtig sei bei Erwachsenen eine Pneumokokken-Impfung, die vor einer schweren Lungenentzündung bewahrt. Nicht zu vergessen die Grippeimpfung.

Foertsch verweist auf den persönlichen ärztlichen Rat, um die Frage zu klären: Wann sollte eine Impfung aufgefrischt werden? Nur eines ist klar: Der Schutz sollte unbedingt erneuert werden.

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