Gladbeck. Der Rat in Gladbeck hat sich mit den Themen Integration und Flüchtlingspolitik beschäftigt. Gehören Beleidigungen und Unruhe nun zum neuen Klima?

Zwischenrufe, abfällige Bemerkungen, Beleidigungen: Die Ratssitzung am Donnerstagabend in Gladbeck ist aus dem Ruder gelaufen. Eine zunächst emotionale Debatte schaukelte sich nach und nach hoch. Das Thema: Integration und Flüchtlingspolitik.

Darum ging es: Die Stadt Gladbeck schlug den Beitritt zur Initiative „Seebrücke – Schafft sichere Häfen!“ vor. Sie fordert die Politik auf, gegebenenfalls Menschen in Not aufzunehmen. Erste Kritik kam von Dietmar Drosdzol. Was bedeute eine aktive Unterstützung der Seebrücke, wollte der CDU-Chef wissen. Das, was in der Vorlage stehe, sei noch weniger als Worthülsen. Daher könne seine Fraktion dem Vorschlag nicht zustimmen. Anders sahen es die Grünen, die den Beitritt „zu 100 Prozent und noch darüber hinaus“ unterstützten, so Ratsfrau Ramona Karatas. Auch SPD-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Wedekind fand: „Humanität ist Menschenpflicht.“

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Die Stimmung bei der Ratssitzung war unruhig und aufgeheizt

Die AfD sah in der Diskussion wohl eine Chance für Stimmungsmache. Er könne verstehen, so AfD-Sprecher Marco Gräber, dass die Menschen nach Deutschland kommen wollen. Das wäre das gleiche, wie wenn Menschen aus Deutschland nach Finnland auswanderten, und dort jeden Monat 4000 Euro und ein Haus bezahlt bekämen. „Das würde jeder machen.“ Heftige Proteste kamen vor allem von SPD und Grünen. Wedekind: „Das ist noch nicht mal Stammtisch-Niveau.“

Dass CDU und AfD in die gleiche Richtung gingen, der Erklärung nicht zuzustimmen, sorgte für Unruhe. „Ich bin total fassungslos, was hier gerade passiert“, so Grünen-Fraktionsvorsitzende Ninja Lenz. Sie sei schockiert, dass sich die CDU immer weiter „in diese Richtung bewegt“ – und sie glaube nicht, dass alle in der CDU Gladbeck dieser Ansichten seien. Sozialdezernent Rainer Weichelt verwies darauf, dass mehr geflüchteter Menschen als nach dem Königssteiner Schlüssel vorgesehen aufzunehmen, nicht rechtswidrig sei – so wie von Drosdzol behauptet. Vielmehr sei es unterlassene Hilfeleistung, zuzusehen, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken. „Wir retten mit dieser Aktion niemanden, daher ist das Unsinn“, konterte CDU-Ratsherr Jörg Baumeister. „Wir können nicht so tun, als ob wir im kleinen Gladbeck die Welt retten können. Und wir sollten die Integrationsfähigkeit unserer Stadt nicht überstrapazieren“, fand CDU-Fraktionsvorsitzender Peter Rademacher. SPD, Grüne, Linke und ABD stimmten dem Beitritt schließlich zu, CDU und AfD dagegen – dafür erntete die CDU großes Unverständnis der übrigen Ratsmitglieder.

Nur bei einem Redner war es plötzlich still in der Mathias-Jakobs-Stadthalle

In einem weiteren Punkt ging es um das islamische Jungenwohnheim, das der Verein IBG an der Roßheidestraße plant. Die AfD hatte zu dem Thema einen Ratsbürgerentscheid gefordert. „Wir glauben nicht, dass dort die nächste Generation von radikalen Muslimen herangezogen wird, sondern dass eine Parallelgesellschaft entsteht“, so Gräber. Wolfgang Wedekind drehte Gräber später die Worte im Mund um, Gräber zeigte sich krawallig, protestiere lautstark dagegen.

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Michael Tack brachte die Diskussion wieder auf ein vernünftiges Niveau. Es war eine der wenigen Momente in der gesamten Sitzung, in dem Ruhe herrschte und alle gebannt dem FDP-Ratsherrn zuhörten. Dass es Sorgen gebe, sei verständlich. „Die einen nehmen den Koran ernst, die anderen nehmen ihn wörtlich. Der Vorstand des IBG nimmt ihn ernst, nicht wörtlich“, sagte er. Zudem müsse jeder Mensch den Glauben leben dürfen, den er für richtig halte. In der Diskussion gehe es um Fragen des gesellschaftlichen Klimas, nicht um ein Gebäude. „Wenn wir bei Wertefragen wie diesen übereinstimmen, wäre das ein gutes Zeichen“, appellierte er an die übrigen Ratsmitglieder.

Die CDU hatte ursprünglich den Beschluss beantragt, dass die Bürgermeisterin beauftragt wird, das Grundstück nicht per Erbpachtvertrag dem IBG zur Verfügung zu stellen. Doch aus formalen Gründen war nur möglich, dass die Bürgermeisterin darum gebeten werde. „Wir möchten nicht, dass die Stadt Gladbeck das Grundstück an die IBG vergibt“, so Rademacher, daher sah sich die CDU gezwungen, „dem Beschlussentwurf der AfD zuzustimmen, auch wenn wir das nicht wollen.“ Mit Stimmen der übrigen Parteien wurde der Ratsbürgerentscheid jedoch abgelehnt.