Gladbeck. Das Gutachten zur Lebenslage und Zukunft der älteren Generation in Gladbeck wurde jetzt vorgelegt. Das sind die Handlungsempfehlungen.

Wie ist die Situation von Seniorinnen und Senioren in Gladbeck? Wo gibt es Handlungsbedarfe? Spannende und wichtige Fragen angesichts einer älter werdenden Gesellschaft, auf die ein beauftragtes Gutachten Antworten geben sollte – im Seniorenbericht für Gladbeck, der jetzt dem Ausschuss für Soziales, Senioren und Gesundheit vorgelegt worden ist. Die Gutachter weisen die Lokalpolitik darauf hin, dass in einigen Bereichen dringender Handlungsbedarf bestehe, um den Bedürfnissen der älteren Generation (weiter) gerecht werden zu können. Konkret fehlen beispielsweise Altenheimplätze und noch dringender ortsnahe Unterbringungsmöglichkeit in einer Kurzzeitpflege.

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Die Stadt Gladbeck hatte auf Beschluss des Sozialausschusses Ende 2018 den „Bericht zur Lebenslage und zur Zukunft der älteren Generation in Gladbeck“ (kurz Seniorenbericht) ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt das auf den Gesundheits- und Sozialbereich spezialisierte Institut Fogs in Münster, das schon den Bericht zur Lage der Menschen mit Behinderung für Gladbeck 2013 erstellt hat. Die Gutachter, die zum Jahreswechsel 2020 loslegten, sollten nun nicht nur die demografische Entwicklung einer generell älter werdenden Gesellschaft sowie den Ist-Zustand von Wohn-, Heim- und Pflegeangeboten analysieren, sondern auch, inwieweit Seniorinnen und Senioren unterstützende Angebote und Hilfen zur Sicherstellung ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben überhaupt erreichen.

Bedarf nach Hilfe- und Pflegeangeboten nimmt weiter zu

Stellten den neuen Gladbecker Seniorenbericht vor (v. l.): Thomas Andres (Leitung Amt für Soziales und Wohnen), Hans Oliva (FOGS), Rainer Weichelt (Soziladezernent) Rüdiger Hartmann (FOGS), Reingard Ruch (Abteilungsleitung Senioren und Gesundheit), Kathrin-Elisabeth Wischnewski (Ausschussvorsitzende).
Stellten den neuen Gladbecker Seniorenbericht vor (v. l.): Thomas Andres (Leitung Amt für Soziales und Wohnen), Hans Oliva (FOGS), Rainer Weichelt (Soziladezernent) Rüdiger Hartmann (FOGS), Reingard Ruch (Abteilungsleitung Senioren und Gesundheit), Kathrin-Elisabeth Wischnewski (Ausschussvorsitzende). © Stadt Gladbeck | NN

Die 100 Seiten starke Expertise lobt durchaus, dass Gladbeck „über ein differenziertes und qualitativ gutes System von Hilfen und Angeboten für ältere Menschen“ verfügt und etwa der Seniorenbeirat als Interessenvertretung der betagteren Menschen beispielhaft sei. Gleichwohl sei auch davon auszugehen, dass künftig der Bedarf nach professionellen Hilfe- und Pflegeangeboten weiter zunehmen werde. Denn grundsätzlich habe auch die Befragung von Senioren ergeben, dass sie am liebsten weiter in ihren bisherigen Wohnungen auch im Alter leben möchten. Um den Bedarf zu decken, empfehlen die Gutachter, ein möglichst breites Angebotsspektrum zu entwickeln und aufrechtzuhalten. Hingewiesen wird, dass die Angebotsformen Nachtpflege, beziehungsweise pflegerische Nachtwachen, für den häuslichen Bereich fehlen, ebenso mobile Angebote im Bereich Geriatrie. Entsprechend sollen die bestehenden ambulanten Angebote weiterentwickelt und neue Angebote geschaffen werden. Dies gelte auch für palliative Angebote im medizinischen wie pflegerischen Bereich für lebensbeendend erkrankte Menschen, die Einrichtung eines Hospizes sollte ebenfalls geprüft werden.

Drei neue Seniorenheime bis 2027

Sozialdezernent Rainer Weichelt kündigte gegenüber der WAZ an, dass bis 2027 drei neue Seniorenheime mit jeweils 80 Plätzen entstehen sollen. Passende Bauplätze in einer hochverdichteten Stadt wie Gladbeck zu finden, sei nicht ganz einfach. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran“, so Weichelt.

Der letzte „Altenbericht“ für Gladbeck stammte aus dem Jahr 2005. Im Jahr 2013 legte der Kreis Recklinghausen einen „Pflegeplan“ für alle kreisangehörigen Städte auf. Er enthielt zwar umfangreiches Datenmaterial, konnte aber naturgemäß nicht so in die Tiefe gehen, wie es ein kommunaler Bericht kann.

Um langes Wohnen in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen, müsse auch der steigende Bedarf für barrierefreie und behindertengerechte Seniorenwohnungen berücksichtigt werden. Die bestehende Anzahl der Seniorenwohnungen reiche nicht aus. Auch neue Wohnformen, etwa ambulant betreute Wohngemeinschaften, Mehrgenerationenwohnen für ältere (pflegebedürftige) Menschen oder private Initiativen (wie „Allerlei Leben“) als Alternative zu stationären Pflegeeinrichtungen, sollten geschaffen werden. Gleichfalls hybride Wohnformen mit Quartiersbezug, etwa eine Kombination aus barrierefreien Servicewohnungen, ambulant betreuter Wohngemeinschaft für Mieter mit Demenz und eine Kurzzeitpflege, könnten unter einem Dach vereint werden, so die Anregung der Gutachter. Dass die Stadt dies bereits im Auge hat und versucht, in Bauprojekten anzuregen, zeigen die Neubausiedlungen am Roten Turm (Beatmungspflegeplätze) und die neue Schlägel-&-Eisen-Siedlung in Zweckel (barrierefreie, teils sozialgeförderte Wohnungen, eigenverantwortliche Wohngemeinschaft für pflege- und betreuungsbedürftige Menschen).

Der Aufbau aufsuchender Angebote wird empfohlen

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Ein weiteres Handlungsfeld, das die Gutachter sehen, sind Kontaktangebote für ältere Menschen zu schaffen, die bislang nicht das vorhandene Beratungs- und Hilfeangebot nutzen. Es sieht Eigeninitiative vor („Komm-Struktur“). Empfohlen wird der Ausbau aufsuchender Angebote (ggf. in diversen Sprachen), um diese Senioren in ihren Lebenswelten besser abzuholen. Damit Ältere, die eher isoliert leben, nicht vereinsamen und verwahrlosen zu lassen, empfiehlt die Expertise auch präventive Hausbesuche. Zudem könne eine offene Telefonsprechstunde gegen Vereinsamung eingeführt werden.

Zu guter Letzt schlagen die Gutachter vor, auf Basis der „Gladbecker Erklärung“ zum Zusammenleben einer multikulturellen Stadtgesellschaft ein Leitbild „Gemeinsam und gesund alt werden – wir in Gladbeck“ zu entwickeln. Die Mitglieder des Ausschusses lobten einhellig die vorgestellte Expertise, deren Handlungsempfehlungen in den weiteren Jahren umgesetzt werden sollten, nachdem der Hauptausschuss am 4. Oktober darüber entschieden hat.