Gladbeck. Integrationsrat und Jugendhilfeausschuss diskutierten das umstrittene „Islam-Internat“ in einer Sondersitzung. Das sind die Standpunkte.

Die breite Mehrheit der Mitglieder von Jugendhilfeausschuss und Integrationsrat befürworten den Bau eines Wohnheimes für Jungen muslimischen Glaubens durch den Moscheeverein Interkulturelles Bildungszentrum Gladbeck (IBG). Das wurde neben bekannter Kritik auf der gemeinsamen öffentlichen Sondersitzung in der Gladbecker Stadthalle deutlich.

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Vereinsvertreter beantworteten Fragen von CDU (Michael Wichert, Peter Rademacher) und AfD (Marco Gräber), die die geschlechtergetrennte, monoedukative Erziehung und Ausbildung des IBG kritisch sehen. Diese betrafen die Finanzierung des Projektes, Mitgliederbeiträge und Aufnahmekriterien. Der Dachverband „Verband der Islamischen Kulturzentren e.V.“ (VIKZ) trägt laut dessen Sprecher, Erol Pürlü, „als Kreditnehmer von deutschen Banken“ zunächst die Kosten des Millionenprojekts (Flachbau mit 2,5 Geschossen und 1100 Quadratmetern Nutzfläche) an der Roßheidestraße.

Die Gemeindemitglieder bestimmen die Höhe ihrer Beiträge selbst

Ahmed Cetin, Sprecher der IBG-Gemeinde, beantwortete Fragen zum geplanten Wohnheim für Jungen muslimischen Glaubens in Gladbeck.
Ahmed Cetin, Sprecher der IBG-Gemeinde, beantwortete Fragen zum geplanten Wohnheim für Jungen muslimischen Glaubens in Gladbeck. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Finanziert werden soll das Vorhaben durch Mitgliedsbeiträge des IBG und Spenden von Gemeindemitgliedern und gläubigen Muslimen. Gemeindesprecher Ahmet Cetin teilte mit, dass die Hausaufgabenhilfe des IBG allen besuchenden Kindern kostenlos angeboten werde. IBG-Mitglieder können die Höhe ihre Beiträge selbst wählen. Familien, deren Jungen (12-18 Jahre) im Wohnheim untergebracht sind, zahlen eine monatliche Kostenbeteiligung bis 200 Euro. Aufgenommen werde dort jedes Kind mit Unterstützungsbedarf, ohne Rücksicht auf den Geldbeutel der Eltern, nach dem Motto, „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.

Unterstützung beim Schulbesuch

Das Wohnheim für muslimische Jungen soll auf städtischem Grund (Erbpacht 99 Jahre) zwischen Sportpark Mottbruch und Roßheideschule entstehen. Die Eröffnung ist für die zweite Jahreshälfte 2023 anvisiert.

In dem Bildungszentrum sollen bis zu 30 Jungen ab der Pubertät wohnen (Mo.-Fr.), um sie bei ihrer Ausbildung in Gladbecker Regelschulen zu unterstützen, und religiöse Orientierung zu geben.

Mädchen der seit 1976 in Gladbeck aktiven IBG-Gemeinde, die auch Flüchtlingsfamilien unterstützt, sollen mit der Verlagerung der Jungen am bisherigen Vereinssitz an der Breukerstraße künftig auch Übernachtungsmöglichkeiten erhalten.

Wilfried Allkemper, Geschäfstführer der Ev. Gemeinde Gladbeck, machte deutlich, dass auch er die Geschlechtertrennung für „eine rückwärtsgewandte Pädagogik“ hält. Er unterstrich, dass seine Ablehnung auch für geschlechtergetrennte Schulen oder Internate der evangelischen oder katholischen Kirche gelte. Erol Pürlü erläuterte, dass das Bildungskonzept ein Angebot für die Familien sei, die es sich wünschten. Dieses fuße auf den ethischen und religiösen Grundlagen ihres Glaubens. Arbeit und Ziele stünden ausdrücklich im Einklang mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

Die Stadtgesellschaft muss keine Angst vor dem Wohnheim haben

Der stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrates (Furkan Koyutürk, Liste BRG) unterstrich, dass man „keine Angst vor dem Wohnheim haben“ müsse. Die dortige Bildungsarbeit verhindere vielmehr, „dass radikale islamische Gruppen wachsen“. Der ehemalige Integrationsratvorsitzende Bahtyar Ünlütürk (Liste ISG) erwähnte die jahrzehntelange positive Zusammenarbeit mit dem IBG, die erfolgreich dazu beitrage, „die Bildungschancen von Menschen unterschiedlicher Herkünfte und Nationalitäten in Gladbeck zu erhöhen“. Süleyman Kosar (ABD-Fraktion, Liste ABI) erinnerte zudem, dass IBD und VIKZ häufige Integrationsforderungen erfüllten, „in den Einrichtungen wie auch beim Freitagsgebet Deutsch zu sprechen, und die Imame in Deutschland auszubilden“.

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SPD-Chef Jens Bennarend (Vorsitzender Stadtverband) unterstrich, „dass Bildung der Schlüssel zur Integration ist“. Das IBG unterstütze Familien, die sich um die Bildung ihrer Kinder sorgten, sie aber daheim nicht ausreichend unterstützen könnten. Er habe das IBG als offene, kooperationsbereite Einrichtung kennengelernt, die dazu beitragen wolle „unsere Gesellschaft zum Positiven zu gestalten“.

Ein anerkannter und kontrollierter Träger der freien Jugendhilfe

Esther Montzka vom Internationalen Mädchenzentrum lobte die gute und stets offene Zusammenarbeit mit dem IBG. Lisa Engineer, Stadtverbandsvorsitzende der Grünen, erinnerte, dass der Verein seit Jahrzehnten ein vom Landesjugendamt anerkannter und kontrollierter Träger der freien Jugendhilfe sei, und das werde man „nicht einfach so“. Man sollte so dem IBG Vertrauen entgegen bringen und akzeptieren, „dass der Islam auch zu Gladbeck gehört“. Mirja Kraus vom Jugendrat findet die Pläne des IBG „echt gut“. Die Schülerin forderte, ähnlich wie zuvor die Fraktion Die Linke (Rüdiger Jurkosek), man solle den Gemeindemitgliedern zugestehen, „ihrer Religion nachzugehen, wenn es den Familien wichtig ist“.