Beschäftigte und Unternehmen in Gladbeck haben Homeoffice zu schätzen gelernt. Aber wie sieht die Zukunft für die Arbeit zuhause genau aus?

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt umgekrempelt. Vorbei die Zeiten, als Beschäftigte Tag für Tag in die Büros kamen. Küchen- und Couchtische wurden zu Arbeitsplätzen umfunktioniert. Es bestand sogar für Unternehmen die Pflicht, Homeoffice – wo möglich – anzubieten. Diese Vorschrift gilt ab sofort nicht mehr. Heißt das, dass Berufstätige freudig in ihre Dienstzimmer zurückkehren? Oder bleibt die Heimarbeit als Angebot bestehen? Unternehmen in Gladbeck ziehen eine Bilanz der vergangenen Monate und blicken in die Zukunft.

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„Was wir mitbekommen, ist, dass unsere Beschäftigten die Flexibilität durch Homeoffice zu schätzen wissen“, meint Birgit Kernebeck, Pilkington-Unternehmenssprecherin in Deutschland. Am Standort Gladbeck arbeiten rund 520 Menschen, der größte Anteil davon in der Produktion. Für sie besteht von vornherein keine Möglichkeit, außerhalb des Werks ihrer Tätigkeit nachzugehen. Aber fünf Prozent des Personals, so die Sprecherin, arbeitete daheim. Das sei in der Verwaltung und im Vertrieb machbar. Und das Unternehmen habe schon früh Beschäftigte ins „heimische Büro“ geschickt. Kernebeck: „Jetzt, nach 15 Monaten, fragen wir uns, wie wir einen Rahmen schaffen, das weiter anzubieten.“

Unternehmen in Gladbeck registrieren eine positive Resonanz der Beschäftigten

Die Präsenzpflicht am Arbeitsplatz sei nicht aufgehoben, aber das Unternehmen – einer der größten Arbeitgeber in Gladbeck – plane, wie und in welchem Umfang diejenigen, die daheim ihrem Job nachkommen möchten, dies auch in Zukunft nach Absprache tun könnten. „Es laufen bei uns gerade Planungen, zum Beispiel zu einem rollierenden System“, erklärt die Sprecherin. Aus den bisherigen Erfahrungen wolle Pilkington einen Nutzen ziehen. Denn bei aller Freude, am Arbeitsplatz wieder Menschen von Angesicht zu Angesicht zu begegnen: Aspekte wie Work-Life-Balance, also ein Gleichgewicht zwischen beruflichen Aufgaben und Privatleben, seien als Vorteil wahrgenommen worden.

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Benie Marotz, Werksleiter und Geschäftsführer von Ineos Phenol, sieht in der mobilen Arbeit Vor- und Nachteile.
Benie Marotz, Werksleiter und Geschäftsführer von Ineos Phenol, sieht in der mobilen Arbeit Vor- und Nachteile. © FUNKE Foto Services<< | Oliver Mengedoht

Benie Marotz, Werksleiter und Geschäftsführer von Ineos Phenol, berichtet: „Wir haben Homeoffice schon in der ersten Corona-Welle geübt. Die Resonanz war von Anfang an sehr hoch.“ Fast die Hälfte aller Beschäftigten mit Bürotätigkeit habe zu Hause gearbeitet. Die Belegschaft ist 280 Köpfe stark. Marotz: „Wir haben alle Mitarbeiter, die nicht zwingend am Standort sein müssen und die Möglichkeit dazu haben, ins Homeoffice geschickt.“ Ineos Phenol habe im Herbst 60 zusätzliche Laptops angeschafft, um die Beschäftigten adäquat auszustatten.

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Der Geschäftsführer arbeitet selbst „hybrid“: „Ich bin aber auch Werksleiter und nehme das sehr ernst: Ich leite ein Werk, bin also vor Ort.“ Derzeit kombiniere er Homeoffice mit Präsenz: „Das soll so bleiben.“ Mit der Heimarbeit sei das Unternehmen „sehr gut gefahren“. Doch Marotz weiß auch: Konferenzen am Bildschirm „ersetzen nicht den persönlichen Kontakt“. Denn es fehle ohne Kamera der Blickkontakt, die Körpersprache. Aug’ in Aug’ könnten Menschen viel individueller aufeinander eingehen. „Wir haben uns trotzdem gesagt, dass wir das mobile Arbeiten für Risikogruppen und aus praktischen Gründen nicht aufgeben wollen“, so der Geschäftsführer. Er sagt: „Individuell und in Absprache werden Lösungen diskutiert.“

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Etwa 380 Angehörige der Stadtverwaltung Gladbeck, rund die Hälfte des Kernbereichs, befanden sich zuletzt im privaten Büro. Rathaus-Sprecher David Hennig: „Das war besonders da möglich, wo nicht regelmäßiger Publikumsverkehr herrscht. Planer können von zuhause aus arbeiten; für das Bürgeramt, bei der Feuerwehr und in der Grünflächenunterhaltung sieht das anders aus.“

Hintergrund

Die Krankenkasse DAK meldet, dass sich 57 Prozent der Beteiligten an einer repräsentativen Umfrage in Nordrhein-Westfalen vorstellen können, zukünftig mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit von zu Hause aus zu absolvieren. Der Anteil derjenigen, die Homeoffice nutzen, habe sich während der Pandemie verdreifacht.

In der Corona-Arbeitsschutzverordnung wurde die Homeoffice-Pflicht festgelegt. Sie endet am 1. Juli. Die ge­setz­li­che Ho­me­of­fice-Pflicht war ein Element des In­fek­ti­ons­schutz­ge­set­zes, auch Bundesnot­brem­se genannt.

Die Rückmeldungen aus dem Homeoffice fallen laut Hennig positiv aus. Er beschreibt die Entwicklung: „Es gab in der Verwaltung schon vor Corona alternierende Telearbeit. Das wollten wir Anfang 2020 ausprobieren. Doch dann kam im März die Pandemie.“ Homeoffice habe die Verwaltung insbesondere für Gruppen ins Auge gefasst, die beispielsweise als Vorerkrankte in Doppelbüros oder auf dem Arbeitsweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln hohen Risiken ausgesetzt gewesen wären. Die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung war gleichfalls ein Argument für das Arbeiten außerhalb eines städtischen Büros. „Wir waren sehr flexibel“, betont der Stadtsprecher.

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Hennig: „Wir haben geschaut, dass die Kollegen einen Zugriff auf unser Netz haben.“ Nicht zu vergessen die Geräte: „Ungefähr 200 Laptops haben wir besorgt. Das war nicht so einfach, weil es zeitweise keine Geräte auf dem Markt gab. Manchmal haben sich Kollegen einen Laptop geteilt. Das hat gut funktioniert.“

Momentan „gucken wir, dass wir die persönliche Erreichbarkeit für die Bürger erhöhen“. Die Chance auf Homeoffice soll bleiben: „So lange die Pandemie anhält, arbeiten wir weiter wie bisher. Wir wissen ja nicht, wie sich die Lage weiter entwickelt.“

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