Gladbeck. Gladbecker Studierende vermissen besonders die sozialen Uni-Kontakte. Sie sehen aber auch Vorteile des digitalen Semesters via Homeoffice.
Freitagmorgen, 8.30 Uhr: Normalerweise würde Judith Epping jetzt im niederländischen Wageningen in einem Hörsaal sitzen und Umweltwissenschaften studieren. Statt in der Universität oder Studenten-WG lernt sie seit März wieder am Schreibtisch im Gladbecker Elternhaus – die Universität ist zur Eindämmung des Coronavirus‘ geschlossen. Wie Epping müssen in diesem Semester weitestgehend alle Studierende Präsenzveranstaltungen gegen Homeoffice tauschen. Videokonferenzen, Vorlesungen per Livestream und Online-Gruppenarbeiten prägen den neuen studentischen Alltag. Inhaltlich sei ein Onlinesemester machbar, vielen Studierenden fehlt aber vor allem das soziale Studentenleben.
Mehr als acht Stunden täglich Lernen und Vorlesungen via Laptop
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Meist mehr als acht Stunden täglich nimmt Judith Epping von ihrem alten Kinderzimmer aus an Seminaren, Vorlesungen und Gruppenarbeiten teil. „Es ist wesentlich anstrengender, alle Arbeiten allein vor dem Bildschirm zu machen. Normalerweise kann man sich noch mit Kommilitonen über die Inhalte austauschen oder zumindest etwas Smalltalk machen und einen Kaffee trinken. Jetzt konzentriert sich alles auf die Arbeit“, so die 22-Jährige. Wieder zurück in Gladbeck zu sein, sei eine Umstellung: „Man ist nicht so unabhängig wie sonst, aber ich bin froh, dass ich hier nicht allein bin und man sich auch mal ablenken kann.“ Eppings Studiengang ist sehr praktisch angelegt. Statt selbst Proben zu nehmen und zu untersuchen, analysieren die Studierenden jetzt Datensätze der Dozierenden. „Für einen Onlinekurs ist das gut gelöst, es ist aber nicht zu vergleichen mit eigenem Arbeiten im Feld. Das kann man nicht durch ein Video ersetzen“, findet die Studentin.
Vor einem ähnlichen Problem steht auch Adrian Bialowons. Er studiert Chemie an der Universität in Essen und musste jetzt coronabedingt auf praktische Laborarbeiten verzichten. „Den Theorieteil haben wir in den Online-Vorlesungen gelernt und das praktische Arbeiten aufgeschoben. Nächste Woche dürfen wir wieder ins Labor für ein Chemiepraktikum, das eigentlich im Frühjahr stattgefunden hätte“, erklärt der 19-Jährige. Bialowons hofft bei der Arbeit in kleinen Laborgruppen, auch wieder ein Stück normales Studentenleben zurückzugewinnen: „Sich in einer Videokonferenz zu treffen, ist einfach nicht das Gleiche.“
Studenten vermissen besonders das Campusleben mit den Kommilitonen
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Auch Annika Glapp vermisst besonders das Campusleben. „Sich zu treffen, gemeinsam Mittagspause zu machen oder zusammen die Vorlesung hören. Sowas macht das Campusleben aus. Ich freue mich auf jeden Fall, wenn das wieder stattfinden kann“, so die Lehramtsstudentin. Auch Gruppendiskussionen gestalten sich online schwieriger als gedacht. „In der Germanistik wird in den Seminaren eigentlich viel diskutiert, das bleibt jetzt etwas auf der Strecke“, ergänzt sie, sieht aber auch positive Seiten: „Der größte Vorteil an der aktuellen Lage ist, dass ich nicht nach Bochum pendeln muss.“
Statt täglich etwa drei Stunden in der Bahn zu sitzen, könne sie ihre Zeit jetzt besser nutzen und Aufgaben flexibler einteilen. Darin sieht sie allerdings auch ein Problem: „Zuhause findet man immer irgendwas anderes zu tun, sich dann diszipliniert an eine Vorlesung zu setzen, ist nicht immer einfach.“ Wie Epping und Bialowons neigt auch Glapp dazu, sich jetzt länger mit den Studieninhalten zu befassen und setzt sich häufiger abends nochmal an den Schreibtisch, wenn man normalerweise Feierabend gemacht hätte. „Man kann schlechter abschalten, wenn man im gleichen Raum arbeitet und schläft. Es gibt keine klaren Grenzen mehr wie bei einer Präsenzveranstaltung, die man am Ende richtig verlassen kann“, so die 20-Jährige.
Die drei Studierenden berichten aber auch: Das Online-Semester läuft besser als zu Beginn vermutet. „Nach einer Eingewöhnungszeit läuft es insgesamt ganz gut. Dass die Uni ihr Online-Angebot erweitert hat, ist auf jeden Fall eine positive Entwicklung“, so Bialowons. Trotzdem hoffen die drei, im nächsten Semester wieder an die Universitäten zurückkehren zu können.