Gladbeck. Lehrerin Jacqueline Aydin aus Gladbeck arbeitet während der Krise durch das Coronavirus daheim. Und sie betreut mit ihrem Mann die drei Kinder.

Jacqueline Aydin schnippelt gerade Kartoffeln. Eigentlich für die 36-Jährige eine ungewöhnliche Tätigkeit zu dieser Vormittagsstunde. Denn sonst, zu „normalen Zeiten“, wäre jetzt ein Klassenzimmer im Berufskolleg Gladbeck der Platz von Aydin. Doch die Corona-Pandemie stellt den Alltag auf den Kopf. In der nunmehr dritten Woche arbeitet die Lehrerin von zu Hause aus – und betreut obendrein ihre drei Kinder.

Gladbeck: Die Lehrerin Jacqueline Aydin teilt sich mit ihrem Mann Bürozeiten und Kinderbetreuung

Die Zwillinge sind drei, die Tochter sechs. Die zwei Jungs „fühlen sich wie in den Ferien“, so die Mutter am Telefon. Urlaubsfeeling mag hingegen bei ihr und ihrem Mann derzeit nicht aufkommen. Sie teilen sich die Tage auf: Im Wechsel arbeiten die Eltern im Homeoffice bzw. übernehmen die Kinderbetreuung. Eine logistische Leistung, denn Nachwuchs und Beruf fordern die Eltern in der aktuellen allgemeinen Krise. Den Keller aufräumen, seinem Putzfimmel frönen, in Ruhe ein Buch schmökern – dafür findet die 36-Jährige keine Zeit.

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Von Von Tabea Beissert, Marcus Esser, Georg Meinert, Svenja Suda und Katrin Walger-Stolle

„Ich bin im digitalen Kontakt mit den Schülern“, beschreibt sie ihren schulischen Part. Am Berufskolleg „sind wir technisch gut ausgerüstet“, sagt die 36-Jährige. Eine virtuelle Plattform für Lehrkräfte und Schüler stehe zur Verfügung, doch Probleme gibt’s doch hin und wieder. Jacqueline Aydin: „Die meisten haben ein Smartphone.“ Die wenigsten ihrer Schützlinge verfügten über einen eigenen PC, und nicht jeder meistere die Technik. „Aber wir schlagen uns alle tapfer“, findet die Pädagogin.

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Sie erläutert: „In erster Linie bereite ich Aufgaben für die ganze Klasse als Gruppe vor.“ Manche Schüler könnten das Material problemlos hoch- und runterladen. Anderen fehle die Möglichkeit dazu. Sie behelfen sich dann, indem sie die Aufgaben ausdrucken, auf Papier erledigen, abfotografieren und dieses Bild an ihre Lehrerin schicken. Denn, so stellt die 36-Jährige fest: „Sie sind hungrig. Sie wollen ihre Aufgaben machen.“ Die veränderten Umstände als Ausrede für nicht erledigte Arbeiten zu nehmen? Nein, das beobachtet die Lehrerin nicht. Aber sie bemerkt: „Ich habe zur Zeit mehr Arbeit dadurch, dass die Schüler einzeln Rückmeldungen geben, individuell Fragen stellen.“

Deutsch und Spanisch

Jacqueline Aydin unterrichtet am Berufskolleg in Gladbeck an der Herderstraße die Fächer Deutsch und Spanisch. Derzeit ist die 36-Jährige Klassenlehrerin von 26 jungen Menschen, die das Fachabitur anstreben, und von 20 in einer Flüchtlingsklasse.

„Die Schüler kommen oftmals nach der Realschule zu uns oder in Verbindung mit dem Dualen Bildungsweg“, berichtet die Gladbeckerin. In der Regel unterrichtet Jacqueline Aydin Schüler ab 16 Jahren.

Als Sprachlehrerin lässt sie sich etwas einfallen, damit ihre Klassen nicht nur schriftlich etwas lernen, sondern auch zu Wort kommen. Beispiel: „Ich kann die Schüler in einer Galerie anlegen und zusammenschalten. So sieht und hört man sich.“ Ein Gesprächsthema könnte da sein: „Wie erlebe ich die Corona-Krise?“

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Jacqueline Aydin muss kurz das Telefonat mit der WAZ unterbrechen: Einer ihrer Jungs verlangt nach einer Kiste mit Lego-Steinen. Auch wenn die Zwillinge und ihre sechsjährige Schwester zu dritt sind, sei spürbar: Sie vermissen Gleichaltrige im Kindergarten und in der Schule: „Deswegen versuchen wir, Kontakt zu ihren Freunden zu halten.“ Und die Nähe zu den Großeltern, die fehle: „Das ist die schwierigste Situation.“

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Die Spielplätze in Gladbeck, wie hier am Wielandgarten, sind verwaist. Dabei würden die Kinder bei schönem Wetter hier so gerne toben. Doch die Corona-Krise lässt dies nicht zu. © Yek

Wie wollen Eltern ihrem Nachwuchs klar machen, dass jetzt so vieles verboten ist: Besuche, Spielen mit Freunden, eine Stippvisite auf einem Spielplatz? „Wir gehen spielerisch mit der Lage um“, sagt Aydin, „wir spielen zum Beispiel zu Hause Kindergarten, schlagen sogar einen Gong.“ Etwas Gutes sieht sie aber auch im derzeitigen Alltag: Die Aydins unternehmen viel als Familie. Spaziergänge am Halterner Stausee, in Westerholt, auf Halden – dort, wo wenig los ist. Geduldsproben? „Die gibt’s genug“, gibt die 36-Jährige zu. Wenn die Nerven der Eltern arg strapaziert sind, gehen sie joggen: „Mein Mann mit dem Kinderwagen und ich neben meiner Tochter auf dem Fahrrad.“ Und der Austausch mit anderen, Freundinnen, helfe ihr. Wenn man sich gegenseitig abends erschöpft erzähle, wie der Tag gelaufen sei...

Apropos Tochter. Die Erstklässlerin befindet sich ebenfalls im Homeoffice. „Wir haben Glück, dass wir so eine engagierte Lehrerin haben“, lobt Jacqueline Aydin ihre Kollegin an der Mosaikschule. Diese habe das rechte Maß gefunden: „Sie gibt Aufgaben, nicht zu viel und nicht zu wenig.“ Und sie selbst lerne bei den Hausaufgaben ihrer Sechsjährigen auch noch etwas, sagt die Mutter und lacht.https://interaktiv.waz.de/corona-virus-karte-infektionen-deutschland-weltweit/#regio

Einen Spitzenplatz im umgemodelten Alltag nehme das Thema Essen ein. Zentrale Frage: „Was gibt’s denn heute?“ Während die drei kleinen Aydins üblicherweise versorgt waren, muss sich Mama nun selbst an den Herd stellen. Da sind Ideen und Vielfalt gefragt. Die Kartoffeln zum Pfannengemüse für diesen Mittag hat Jacqueline Aydin schon einmal fertig...