Gladbeck. Erste Familiengrundschulzentren sollen ab Juli starten. Ziel ist, Familien mit Angeboten nachhaltig zu stärken. Das ist der prekäre Hintergrund.

In Gladbeck wird es zügig ein neues Angebot für Grundschulkinder und deren Eltern geben. Schon ab Juli starten die ersten beiden Familiengrundschulzentren als „Gladbecker Modell“. Mit dem Ziel, nach Aufbau und Erprobung dieser Familienschulen eine Gladbecker Schablone vorliegen zu haben. Diese soll als gesamtstädtisches Konzept allen Gladbecker Grundschulen dazu dienen, sich ebenfalls als Familiengrundschulzentrum weiter zu entwickeln. Das Projekt hat einen ernsten Hintergrund.

In Gladbeck hat die Kinderarmut stetig zugenommen. Viele Familien leben in einer prekären finanziellen Situation und benötigen Unterstützung auch im Bereich der Förderung und Bildung ihrer Kinder. Das Modell-Projekt wurde jetzt dem Schulausschuss vorgestellt. Silke Döding, Leiterin des Amtes für Bildung und Familie, nannte als Begründung einige gravierende Zahlen.

Fast jede dritte Familien in Gladbeck gilt als arm

Die Regenbogenschule an der Bülser Straße in Mitte-Ost startet ebenfalls im Juli als Familiengrundschulzentrum.
Die Regenbogenschule an der Bülser Straße in Mitte-Ost startet ebenfalls im Juli als Familiengrundschulzentrum. © www.blossey.eu | Hans Blossey

So leben auch durch die Zuwanderung von EU-Bürgern und Geflüchteten 13.972 Menschen unter 18 Jahren in Gladbeck (Stand 31. Mai 2020). Nahezu 60 Prozent von ihnen, 8.107, haben einen Migrationshintergrund (Quelle: GKD-Radar Recklinghausen). Bereits der erste Gladbecker Familienbericht aus 2007 habe aufgezeigt, dass die Familien in Gladbeck häufig in einer finanziell prekären Situation von Sozialhilfe leben. Der dritte und bisher jüngste Familienbericht aus 2017 bestätigt diese Ergebnisse und zeigt sogar eine verschärfte Entwicklung: Mehr als jede Vierte der in Gladbeck lebenden Familien, 28 Prozent, gelten als arm, der Landesdurchschnitt liegt bei 19 Prozent. „Auch in den letzten Jahren ist sowohl eine Steigerung der Kinderzahlen als auch eine Steigerung der Kinderarmut zu beobachten“, so Silke Döding.

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Land fördert Personal- und Sachkosten

Für den Start der ersten beiden Gladbecker Familienschulen am 1. Juli hat das Schul- und Familienministerium bereits die beantragte Fördersumme für 2021 in Höhe von 61.100 Euro gewährt. Die Stadt hat dabei einen Eigenanteil von 20 Prozent, also 15.280 Euro, zu tragen.

Mit den Landesmitteln werden die beiden Personalstellen für das Familienschulmanagement (Lotsinnen) stundenanteilig finanziert. Veranschlagt sind dafür 55.900 Euro und zudem benötigte Sachleistungen über 20.500 Euro. Eine Fortführung der Förderung für 2022 ist bereits zugesagt worden.

Die Stadt habe aus diesem Grund bereits ressourcenorientierte Strategien entwickelt, so die Amtsleiterin. Das „Gladbecker Bündnis für Familien - Erziehung, Bildung, Zukunft“ bemühe sich seit 2005 Familien und deren Kinder zu unterstützen, „damit sich die Biografien junger Menschen positiv entwickeln“ (Kindergarten, Schule, Beruf). Die kommunalen Präventionsketten werden dafür bereits kontinuierlich mit den Akteuren weiter entwickelt, darunter Fachdienststellen der Stadtverwaltung, Sozialverbände und Träger der freien Jugendhilfe, Vertreter von lokalen Unternehmen und Schulen.

Lotsinnen stehen als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung

Sichtbares Zeichen ist dafür auch, dass viele Kitas in Gladbeck bereits als Familienzentren zertifiziert wurden und zusätzliche Landesmitteln erhalten, um Familien im Stadtteil mit Angeboten zu unterstützen. Diese Arbeit soll in den neuen Familienschulen weitergeführt werden. Zur Verfügung stehen dafür Mittel aus dem Projekt „Kinderstark - NRW schafft Chancen“ des Ministeriums für Kinder, Familien, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW. Bereits im Sommer 2020 sind Planungsgespräche mit möglichen Modellschulen angelaufen. Als Ergebnis steht jetzt fest, dass die Pestalozzischule in Zweckel und die Regenbogenschule in Mitte-Ost die ersten Familiengrundschulzentren werden. Ihnen sollen im kommenden Jahr dann schon die Mosaikschule in Butendorf und die Südparkschule in Brauck folgen.

Julia Winkel, Schulentwicklungsplanerin der Stadt, begleitet als Lotsin das Modell der Gladbecker Familienschule.
Julia Winkel, Schulentwicklungsplanerin der Stadt, begleitet als Lotsin das Modell der Gladbecker Familienschule. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Wie die neuen Familienschulen organisiert werden, stellten Julia Winkel, Schulentwicklungsplanerin, und Nadine Müller, Bildungsmanagerin der Stadt, vor. Sie werden auch direkt als Lotsinnen der Familienschule an die Schul- und OGS-Leitungen angegliedert sein. Das Familiengrundschulzentrum wird wiederum von den Betreibern des dortigen Offenen Ganztages (z.B. Awo, Förderverein) getragen, um die Fördermittel beantragen zu können. „Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren und deren Familien werden in den Blick genommen, um sie in der Familienschule zu unterstützen und zu begleiten“, so Winkel. Mit verschiedenen Modulen als Angebotspalette, die sich an den Bedürfnissen am Standort orientieren sollen. Kooperiert werden könnte dabei auch mit außerschulischen Förderangeboten oder Vereinen. „Die Schule soll im Stadtteil ein Netzwerk-Knotenpunkt werden“, so die Entwicklungsplanerin.

Grundschulrektorin befürwortet das Modell-Projekt

Mathilde Austermann, Rektorin der Pestalozzischule, musste nach der Anfrage der Stadtverwaltung nicht lange überlegen, ob sie Familienschule werden wolle. „Wir haben uns sofort gerne dem Projekt angeschlossen. Denn es ist uns ganz wichtig, die Bildungschancen der uns anvertrauten Kinder zu verbessern und ihre Persönlichkeitsentwicklung zu stärken.“ Trotz aller existierenden Hilfen merke man, „dass es immer noch Situationen gibt, wo wir denken, dass es noch passendere Hilfen für die Familien geben müsste“, so die Schulleiterin. Und die Familienschulen mit ihren noch besser zugeschnittenen Angeboten würden darauf jetzt eine Antwort geben. „Wir freuen uns auf den Projektstart, da wir uns eine weitere Vernetzung zwischen Eltern, Schule und Jugendhilfe versprechen.“