Gladbeck. Notfallteam übt reale OP-Situationen, um die Abläufe zu optimieren. Tutoren begleiten die Simulationen im Schockraum des Gladbecker Hospitals.

„Oh Gott, mein Bein“, stöhnt ein Mann, der gerade auf einer Rettungsliege im Schockraum des Barbara Hospitals ankommt. Es ist Samstag, 14 Uhr. Er trägt eine Halsstütze und hat einen Zugang am Arm. Um ihn herum steht medizinisches Personal, sie zählen auf Drei um den Patienten gemeinsam von der Rettungsliege auf den Behandlungstisch umzuheben. Der Mann ächzt und stöhnt vor Schmerz, er soll von einem Baum herabgefallen sein. Jemand schneidet die Kleidung des Mannes auf, eine weitere Person schließt den Verunfallten an ein Blutdruckmessgerät an, ein Piepen gibt die Herzfrequenz wieder.

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Ein Kameramann filmt die Handgriffe und Absprachen des Krankenhauspersonals. Drei Stockwerke tiefer werden die Bilder auf einer Leinwand gezeigt, weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schauen sich das Vorgehen des Teams an. Denn alles im Schockraum sieht zwar so aus wie bei einem akuten Notfall, tatsächlich wird aber eine Simulation in Kooperation mit dem Marienhospital in Buer durchgeführt, um die Abläufe zu trainieren und zu optimieren.

Teams aus unterschiedlichen Fachbereichen arbeiten im Schockraum zusammen

Ärzte, Pflegekräfte und Mitarbeiter der Feuerwehr müssen gut Hand in Hand bei der Beandlung des Schockraum-Patienten arbeiten und werden bei den Abläufen von den Tutoren beobachtet.
Ärzte, Pflegekräfte und Mitarbeiter der Feuerwehr müssen gut Hand in Hand bei der Beandlung des Schockraum-Patienten arbeiten und werden bei den Abläufen von den Tutoren beobachtet. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

„Wir machen heute das erste interdisziplinäre Schockraumtraining“, erläutert Professor Christian Wedemeyer, der leitende Oberarzt der Abteilung Orthopädie und Unfallchirurgie am St. Barbara Hospital. „Der Schockraum ist der Ort, an dem Patienten mit mehreren oder besonders schweren Verletzungen im Krankenhaus ankommen“, erläutert der Facharzt. Bei Verkehrsunfällen oder Stürzen aus über drei Metern Höhe ist das der Fall, oder bei komplizierten Brüchen, Stichverletzungen und Verbrennungen.

Interdisziplinär ist das Training, weil bei einer Einweisung viele unterschiedliche Teams zusammenarbeiten. Die Kette beginnt mit dem Rettungsdienst der Feuerwehr. Die Notfallsanitäter stufen den Patienten während der Rettung als Fall für den Schockraum ein und benachrichtigen das Krankenhaus. „Dann startet die interne Alarmkaskade. Wenn der Patient da ist, stehen so bereits Anästhesisten, Chirurgen und entsprechendes Pflegepersonal am Schockraum bereit.“

Zwei Übungstrage mit theoretischen und praktischen Inhalten

Der Leitende Oberarzt Prof. Dr. Christian Wedemeyer und Ärztin Kyra Weil vom Tutorenteam haben das Training gut vorbereitet.
Der Leitende Oberarzt Prof. Dr. Christian Wedemeyer und Ärztin Kyra Weil vom Tutorenteam haben das Training gut vorbereitet. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Im St. Barbara besteht das Team, das im Notfall im Schockraum eingesetzt werden kann, aus 50 Personen. Im normalen Arbeitsalltag arbeiten sie auf ganz unterschiedlichen Stationen. „Das Wichtigste am Schockraumtraining ist, dass das Team gut zusammenarbeitet und die Kommunikation stimmt“, sagt Kyra Weil, Allgemeinmedizinerin und Tutorin für das Training. Die Tutoren schulen Schockraumteams in verschiedenen Krankenhäusern der St. Augustinus Gruppe. „Medizinisch können die Leute das natürlich alles, hier geht es eher darum die Arbeitsabläufe und das Team zu trainieren.“

Prioritätenliste wird abgearbeitet

Im Schockraum sollen möglichst schnell alle Verletzungen des eingelieferten Notfallpatienten erkannt werden. Dabei gehen die Mediziner nach dem ABCDE-Modell vor. Überlebenswichtige Aspekte werden hierbei nach einer Prioritätenliste kontrolliert und abgearbeitet.

A steht bei dem Schockraum-Modell für die Atemwege, dass diese frei bzw. zugängig sind, muss als aller erstes sichergestellt werden. B steht für Beatmung, C für Circulation, den Blutkreislauf. D steht für das Erkennen eines neurologischen Defizits und E für Environment oder Exposure, hier wird die Stabilität des Körpers gecheckt.

Das Schockraumtraining besteht aus zwei Tagen mit theoretischen Vorträgen und dem praktischen Übungstag am Samstag. Fünf bis sechs Fälle haben die Tutorinnen und Tutoren vorbereitet. Was war für sie bei der Behandlung des Mannes wichtig, der laut Geschichte vom Baum fiel und sich über Beinschmerzen beklagte? Hier galt es für das Team eine Milzruptur zu erkennen und eine Notoperation als Behandlung festzulegen. Eine andere Übung beinhaltete neben dem Fall eines Kindes, das aus dem zweiten Stock fiel und ein Schädel-Hirn-Träume erlitt, auch den Umgang mit der aufgebrachten Mutter, die zusätzlich Stress bei den Leuten im Training auslösen sollte. „Das Training soll natürlich möglichst realitätsnah sein“, so Kyra Weil, „ich habe das Training auch einige Male mitgemacht und muss sagen, selbst wenn man Puppen statt Schauspieler hat, fühlt sich das Training sehr real an.“

Das Training steigert die Qualität der medizinischen Behandlung

Durch den Schockraum und das qualifizierte Team ist das St. Barbara Hospital ein sogenanntes Traumazentrum. Für den leitende Oberarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Professor Wedemeyer, bietet das Training einen großen Mehrwert. Er habe während seiner Ausbildung im Uniklinikum Essen, dem damals größten Traumazentrum Deutschlands viel mitgenommen und nach Gladbeck gebracht. „Hier haben wir pro Jahr circa 70 Schwerverletzte zur Behandlung im Schockraum. Das Training steigert die Qualität der medizinischen Behandlung für die Bürger der Stadt und ist eine gute Weiterbildung für die Mitarbeitenden“, so Wedemeyer. „Das Wichtigste ist, dass durch das Training ein Wir-Gefühl entsteht und sich jeder auf jeden verlassen kann.“