Gladbeck. Die Erhebung dokumentiert, dass 66 Prozent der Gladbecker Kinder in einer Familie mit besonderem Unterstützungsbedarf leben.

„Die Lebenssituation in den Familien ist entscheidend für die Zukunft unserer Gesellschaft, daher müssen wir gute Rahmenbedingungen schaffen“, unterstrich Bürgermeister Ulrich Roland zu Beginn der gemeinsamen Sitzung von Jugendhilfe - und Schulausschuss sowie Integrationsrat. Dazu gebe es auch „keine Alternative“. Der Gemeinschaftstermin unterstrich die Wichtigkeit von dem, was der Lokalpolitik vorgestellt wurde: Der neue Familienbericht für die Stadt Gladbeck. Vorneweg sei festgestellt, die Herausforderungen sind weiterhin groß, mit teils besonderen Belastungen in einzelnen Stadtteilen.

Was zunächst freuen mag: Der Bericht zeigt, dass die Bemühungen um das Prädikat „familienfreundlich“, das sich Gladbeck selbst gegeben hat, in einigen Bereichen wie Gesundheitsvorsorge für Kinder oder Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche gut greifen.

Mehr als die Hälfte der Familien fühlt sich in Gladbeck wohl

Wie in der letzten Familienbefragung 2012 zeigt die aktuelle Erhebung 2017 auf 150 Seiten auch, dass weiterhin mehr als die Hälfte der beteiligten Familien von Gladbecks Kinderfreundlichkeit überzeugt sind. Ein Drittel ist weiterhin unentschlossen und nur zwölf Prozent der Familien stimmen dem nicht zu.

602 Familien haben den Fragebogen beantwortet

Rund 2000 Familien wurden repräsentativ von der Stadt angeschrieben, mit der Bitte um Beantwortung des 27 Seiten starken Fragebogens zu ihrer Lebenssituation in Gladbeck.

Beteiligt haben sich 602 Familien, deren Antworten laut dem Forschungsinstitut Faktor Familie GmbH verallgemeinert werden können, das mit der Auswertung beauftragt worden war.

Der aktuelle Bericht spiegelt aber auch wider, dass trotz aller Bemühungen von Politik und Verwaltung die Lebenssituation vieler Familien weiterhin vergleichsweise stark durch soziale Problemlagen gekennzeichnet ist.

Denn obgleich insgesamt das Einkommen der Familien gestiegen ist, hat sich der Anteil der von Einkommensarmut betroffenen Familien um drei Prozent seit 2012 erhöht, so dass nun mehr als jede vierte Familie (28 Prozent) in der Stadt von Armut betroffen ist. Unterstützungsbedarf haben auch elf Prozent der Familien, obwohl einer regelmäßigen Arbeit nachgegangen wird, da der Verdienst nicht für den Lebensunterhalt ausreicht (Working-Poor). Arme Familien leben häufig in Mitte I und Brauck/ Rosenhügel. Working-Poor-Familien besonders häufig in Mitte I / II.

Mehr Alleinerziehende in Alt-Rentfort

Zu den Familien mit besonderem Unterstützungsbedarf zählen auch die Alleinerzieherfamilien. Hier hat sich die Verteilung aber verändert. Besonders viele Alleinerziehende leben in Mitte I, Zweckel und Schultendorf, jede fünfte Familie hat hier nur ein Elternteil. Erheblich mehr Alleinerziehende als in 2012 leben auch in Alt-Rentfort und Ellinghorst. Ihr Anteil hat sich von acht auf 17 Prozent mehr als verdoppelt.

Nach dem ersten Familienbericht 2007, wo sich die Stadtmitte eher überraschend als Wohnort vieler Familien mit besonderem

Viele Familien mit Migrationshintergrund leben in der Stadtmitte und im Stadtsüden.
Viele Familien mit Migrationshintergrund leben in der Stadtmitte und im Stadtsüden. © Sebastian Kahnert

Unterstützungsbedarf herausstellte, hatte sich die Situation beim zweiten Familienbericht 2012 entspannt, da die Problemlagen sich über alle Stadtteile relativ gleich verteilte. Eine Situation, die sich nun wieder verschlechtert hat. Denn auch überdurchschnittlich viele kinderreiche beziehungsweise Familien mit Migrationshintergrund leben in der Stadtmitte und im Stadtsüden.

Besondere Dynamik durch die Zuwanderung

Eine besondere Dynamik ist durch die stärkere Zuwanderung ab 2015 entstanden. Die Einwohnerzahl ist so auch mit der Zunahme von Kindern unter 18 Jahren angestiegen, ihr Anteil liegt bei 17,6 Prozent (2013: 16,9 Prozent). Auffallend ist, dass ein Viertel der Kinder mit Migrationshintergrund im Familienalltag überwiegend kein Deutsch spricht. Dieser Anteil hat sich seit 2012 von acht auf 24 Prozent erhöht. Dies führt dazu, dass bei der Schuleingangsuntersuchung bei zunehmend weniger Kindern der Sprachstand in der deutschen Sprache dem Alter entspricht.

Unterm Strich leben 66 Prozent der Kinder in einer Familie mit besonderem Unterstützungsbedarf, dies bedeute für die Sozialpolitik der Stadt „eine besondere Herausforderung“, so das Fazit der mit dem Familienbericht beauftragten Wissenschaftler. Auch müsse der Tendenz entgegen gewirkt werden, dass in bestimmten Stadtteilen zunehmend mehr Familien mit Unterstützungsbedarf leben als in anderen und sich so die Gefahr einer sozialen Trennung verschärft.