Gladbeck. . Jeder Fünfte in der Emscher-Lippe-Region lebt laut Armutsbericht unterhalb der Armutsgrenze. Mehr als 3000 Kinder leben in Gladbeck von Hartz IV.

  • 20,4 Prozent der Menschen in der Emscher-Lippe-Region leben unterhalb der Armutsgrenze
  • In Gladbeck leben laut Statistik 3269 Kinder und Jugendliche von Hartz IV
  • Das einzige Mittel gegen die Armut wäre der Ausbau des sozialen Arbeitsmarkts, sagt Dezernent Rainer Weichelt

„Menschenwürde ist Menschenrecht“ steht auf dem Bericht zu Armutsentwicklung in Deutschland 2017. Herausgegeben hat ihn der Paritätische Wohlfahrtsverband. Wie eng jene Menschenwürde mit einem gewissen Lebensstandard verknüpft ist, lässt sich an den Zahlen ablesen, die der Dachverband zusammengetragen hat.

Als hätten die Gladbecker es nicht längst geahnt: Es steht nicht gut um die Emscher-Lippe-Region, zu der neben Gladbeck auch Gelsenkirchen und Bottrop gehören. 20,4 Prozent der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Dass die Quote seit dem Vorjahr um 0,7 Prozent gesunken ist, mag da höchstens ein schwacher Trost sein.

Die Armutsgrenze hat der Paritätische aus Daten des Mikrozensus 2015 errechnet, sie liegt bei 60 Prozent eines deutschen Durchschnittseinkommens. Für einen Alleinlebenden wären das 942 Euro, für eine Familie mit zwei Kindern 2167, für eine Alleinerziehende mit einem Kind 1225 Euro. Liegt das Nettoeinkommen darunter, gelten die Betroffenen als arm.

3269 Kinder leben von Hartz IV

2764 Menschen in Gladbeck zählen laut aktueller Arbeitsmarktstatistik (Februar 2017) zu den Langzeitarbeitslosen, fallen also in die sogenannte Grundsicherung. Kurz: Sie beziehen Hartz IV. 11 577 Menschen lebten Ende 2016 in Gladbeck von dieser Unterstützung, davon 3269 Kinder und Jugendliche. 828 alleinerziehende „Bedarfsgemeinschaften“ vermerkte das Jobcenter im Oktober 2016 in Gladbeck. Laut Armutsbericht sind besonders alleinstehende Väter und Mütter von Armut bedroht.

Ein Blick in Gladbecks Jahresstatistik 2015 zeigt: Die Stadt gibt weit mehr als sieben Millionen Euro für Leistungen nach den Sozialgesetzbuch XII aus. Hilfe zum Lebensunterhalt schlug mit 908 911 Euro zu Buche, 6 226 193 Euro kostete die „Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsunfähigkeit“. Dazu kommen Ausgaben für Hartz IV, Angebote beispielsweise aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) oder die Gladbeck-Card.

Bei der Arbeitslosigkeit liegt Gladbeck auf Rang vier

Schon lange kämpft die Stadt mit einer hohen Arbeitslosenquoten. Im Kreis Recklinghausen gibt es in keiner Stadt prozentual mehr Menschen ohne Job, das zeigt die aktuelle Statistik der Agentur für Arbeit. Mit einer Arbeitslosenquote von 12,5 Prozent liegt Gladbeck ruhrgebietsweit auf Rang vier.

Dass viele Menschen in Gladbeck unterhalb der Armutsgrenze leben müssen ist ein Problem, mit dem sich Sozialdezernent Rainer Weichelt täglich auseinander setzen muss. „Unter den kreisangehörigen Städten im Stärkungspakt des Landes NRW ist Gladbeck die Stadt mit der höchsten SGBII-Quote“, sagt er.

Lösung im sozialen Arbeitsmarkt

Die hohe Zahl der Langzeitarbeitslosen liege auch darin begründet, dass viele Betroffene nur wenig Bildung genossen hätten. Mit dem Rückgang der Industrie seien viele Jobs für niedrig qualifizierte Menschen weggefallen. Einen Ausweg sieht Weichelt nur im Ausbau des sozialen Arbeitsmarkts – da sei aber der Bund gefragt.

„Da müsste es ganz einschneidende Maßnahmen geben“, sagt er, und betont: „Es ist billiger, Arbeit zu bezahlen, als Arbeitslosigkeit.“ Dabei sei der psychologische Faktor besonders wichtig. „Arbeit ist Menschenwürde“, schlägt Weichelt den Bogen zum Titel der Armutsstudie. Und denkt auch noch ein Stück weiter. Denn arbeitende Eltern können Vorbild für ihre Kinder sein. Und nur so könne die Armutsspirale durchschlagen werden.