Gladbeck. Personalengpässe im Gesundheitsamt durch Coronabekämpfung. Gladbecker i-Dötze können ohne Pflichtuntersuchung starten. Das sagt eine Rektorin.
Bevor Kinder eingeschult werden, absolvieren sie normalerweise eine Schuleingangsuntersuchung durch das Gesundheitsamt des Kreises Recklinghausen. Normalerweise, denn aktuell ist dies aufgrund der Corona-Situation und der Personalengpässe durch Mitarbeit des dafür zuständigen Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes bei der Pandemiebekämpfung nicht möglich. „Für die Einschulung fehlt uns so eine wertvolle Expertise“, sagt die Gladbecker Grundschulrektorin Cäcilia Nagel.
Die Einschulung selbst sei durch die fehlende Untersuchung, die auch im Vorjahr schon teils ausgesetzt werden musste, aber nicht gefährdet, beruhigt Dr. Wiebke Selle, Ressortleiterin des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes, alle Eltern: „Wir haben uns auch im Jahr 2021 mit dem Schulamt und den Grundschulen im Kreisgebiet darüber verständigt, dass Kinder auch ohne vorangegangene Untersuchung eingeschult werden. Darüber informieren wir die Eltern noch in einem zusätzlichen Brief. Natürlich können sie sich aber mit allen Rückfragen an uns wenden.“
Amtsärztliche Untersuchung derzeit nur im Einzelfall nach Aufforderung
Ob dennoch eine Schuleingangsuntersuchung im Einzelfall stattfindet, liege jetzt unter anderem im Ermessen von Schulen und Kindergärten. Diese können, nach Rücksprache mit den Eltern, den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst auffordern, eine Untersuchung durchzuführen. „Es ist wichtig, dass wir in dieser besonderen Zeit Hand in Hand arbeiten. Das Fachpersonal in den Kindergärten und später die Lehrkräfte an den Schulen sind es, die die Kinder täglich sehen“, so Dr. Selle. Sollten sie Auffälligkeiten bemerken, geht eine Rückmeldung an den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, der wiederum das Kind zur selektiven Schuleingangsuntersuchung einlädt. „Wir überprüfen dann den Entwicklungsstand des Kindes und erläutern Möglichkeiten, wie Eltern ihr Kind noch fördern können, um ihm so einen guten Start zu ermöglichen.“
Gleiches gelte, wenn die Grundschulen bereits beim sogenannten „Schulspiel“ letztes Jahr einen Anlass gesehen haben, dass ein besonderes Auge auf ein Kind geworfen werden sollte. Das Schulspiel ist ein pädagogischer Vorschultest, bei dem die Kinder spielerisch Stationen durchlaufen. Lehrer beobachten die Kinder dabei und sehen, inwieweit Eigenschaften wie Motorik, Wahrnehmung, Konzentration oder Sozialverhalten ausgeprägt sind.
Schulspiel hilft bei der Einschätzung des Entwicklungsstandes der Kinder
Das bestätigt Grundschulrektorin Cäcilia Nagle. „Bei den Kindern, die wir bei der Anmeldung und beim Schulspiel gesehen haben, da hat sich unsere Einschätzung auch ohne Schuleingangsuntersuchung nach der Einschulung bestätigt.“ Natürlich sei die Expertise aber genauer, „wenn auch die Untersuchungsergebnisse des Gesundheitsamtes mit einfließen können“, so die Leiterin der Lambertischule. Ärztin Wiebke Selle lobt, dass die Grundschulen erfahrungsgemäß sehr sensibel seien und sich dann auch an den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst wendeten, „wenn sie beim Schulspiel etwas auffälliges bemerken“. Dadurch sei eine selektive amtsärztliche Untersuchung möglich, so dass die Lehrerinnen und Lehrer den besonderen Bedarf eines Kindes vom ersten Schultag an berücksichtigen können.
Problematisch werde es in den Fällen, wo Kinder verspätet angemeldet werden, „weil die Familie neu zugezogen ist, oder die Eltern den Termin verpasst haben“, berichtet Cäcilia Nagel. Denn über diese Kinder lägen bei fehlender Schuleingangsuntersuchung und verpasstem Schulspiel ja keinerlei Einschätzungen auch für die Einteilung der ersten Klassen vor. „Und wir haben so auch keine Möglichkeiten vor dem Einschulungstermin noch nachzusteuern, indem wir den Eltern anraten, bestimmte Bereiche noch zu fördern oder beispielsweise eine Ergotherapie durchzuführen“, sagt Rektorin Nagel.
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Untersuchung der Raum-Lage-Wahrnehmung nach der Einschulung
Begutachtung vor dem Schuleintritt
Mit der Einschulung von Kindern ist in Deutschland die Schuleingangsuntersuchung verbunden. Die Einschulungsuntersuchungen sind in den meisten Bundesländern eine Pflichtaufgabe des zuständigen Gesundheitsamtes. Dabei werden alle Kinder eines Jahrgangs im Kreis Recklinghausen vor dem Schuleintritt ärztlich vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst untersucht.
Die Untersuchung wird nach einheitlichem Standard durchgeführt und besteht aus einer körperlichen Untersuchung, bei der zum Beispiel das Hören, Sehen, Größe, Gewicht, Haltung und Beweglichkeit untersucht werden sowie der körperliche, geistige und soziale Entwicklungsstand des Kindes. Diese Untersuchungen dienen dazu, die Gesundheit und den Entwicklungsstand eines Kindes einzuschätzen.
Dies könne dann erst nach der Einschulung erfolgen. Um hier gegebenenfalls Auffälligkeiten festzustellen, werde an der Grundschule „nach der Einschulung bis zu den Herbstferien noch eine Wahrnehmungsdiagnostik mit 18 Stationen von allen Erstklässlern durchlaufen“. Hier seien Erkenntnisse zur Raum-Lage-Wahrnehmung von Gegenständen besonders wichtig, „um Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen“. Denn könne ein Kind nicht zuordnen, ob etwa der Henkel einer Tasse links oder rechts zu sehen ist, dann falle es diesem auch schwer Buchstaben wie b oder d zu unterscheiden, erklärt Cäcilia Nagel. „Laute können so nicht gut gelernt und entsprechend auch das Lesen und Schreiben erschwert werden.“