Gladbeck. Christian Schemmert – so heißt der neue Stadtarchivar in Gladbeck. Der 38-Jährige erzählt, wie er die Bürger in seine Arbeit einbeziehen will.
Dass er einmal in einem Stadtarchiv arbeiten wird, nein, das hatte sich Christian Schemmert in seiner Schulzeit nicht träumen lassen. Jetzt hat er als Leiter des „städtischen Gedächtnisses auf Papier“ seinen Dienst in Gladbeck antreten. Der 38-jährige Historiker hat sich vorgenommen, die Angebote des Stadtarchivs zu erweitern.
Ein Schlüsselerlebnis, das ihn auf seine spätere Berufslaufbahn lenkte? Nein, das habe es bei ihm nicht gegeben, sagt der neue Stadtarchiv-Chef. Ein Besuch mit der Schulklasse im Stadtarchiv, wie es in Gladbeck möglich ist, sofern nicht die Corona-Pandemie alle Pläne durchkreuzt? Fehlanzeige! Von einem langgehegten Traum zu sprechen, wäre im Fall Schemmerts nicht zutreffend. Der Essener gibt zu: „Das hat sich erst mit der Zeit ergeben. Vor meinem Geschichtsstudium war mir nicht bekannt, dass man Archivwesen studieren kann.“
Gladbeck: Der neue Archivar Christian Schemmert kennt sich in der Region aus
Aber bei seinen Archiv-Praktika, da machte es „klick“. Und bereits jetzt sagt der Historiker, der während seiner Schulzeit Geschichte als Leistungskurs belegte: „Ich bin sehr zufrieden mit meiner Entscheidung. Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich, und ich wurde herzlich willkommen geheißen.“
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In der Tat zeigt sich Bürgermeisterin Bettina Weist erfreut darüber, dass die Nachfolge der bisherigen Stadtarchivarin Katrin Bürgel – sie wechselte an den Niederrhein nach Kleve – nach nur wenigen Wochen der Vakanz unter Dach und Fach ist. Schließlich sind auf schier unschätzbaren Regalmetern die Etappen Gladbecks von der ersten Erwähnung bis zu der Stadt, wie sie heute dasteht, versammelt. Dort können sich Geschichtsinteressierte informieren – und auch hilfreiche Auskünfte vom Experten bekommen.
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Mehrere Generationen seiner Vorfahren seien auf Auguste Victoria im Bergbau tätig gewesen. Die Region, in der sich seine neue Wirkungsstätte befindet, ist für den 38-Jährigen also kein weißer Fleck auf der Landkarte. Seine Familie und viele Freunde seien hier in der Region zuhause.
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Er erzählt: „Manche Ecke übt ihre eigene Faszination aus, wo ich mich nicht nur als Historiker frage, wo im Zeitalter von Kohle und Stahl eigentlich die Grenzen des Eingriffs in die Natur verliefen, wie die Menschen mit diesen Zumutungen der Moderne umgegangen sind, was da für Spannungen und Konflikte im Gemeinwesen auszuhalten waren. Am Beispiel der Stadtwerdung Gladbecks werden mir solche Themen demnächst von Berufs wegen begegnen.“
Die Digitalisierung im Stadtarchiv Gladbeck soll vorangetrieben werden
Er plane zunächst, Gladbeck auf eigene Faust zu erkunden – am besten auf dem Drahtesel, so der Fahrrad-Fan. Dabei kommen ihm die kompakte Struktur der Stadt mit ihren kurzen Entfernungen gelegen. Ebenfalls positiv aufgefallen sind ihm die „vielen Kooperationen“ zwischen den einzelnen öffentlichen Einrichtungen. Nicht zu vergessen die unterschiedlichen Formate, die seine Vorgängerin Bürgel entwickelt hat.
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Darauf baut Schemmert, die Kombination „klassischer Ansätze mit neuen“, beispielsweise „Wanderungen und Stadtführungen im Wechselspiel mit Schauspielerei“ neben Ausstellungen, Vorträgen und Tagen der offenen Tür.
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Blick in die Ausbildung
Christian Schemmert absolvierte seinen Master-Studium der Geschichtswissenschaft an der Universität Bielefeld. Der 38-Jährige: „Der Schwerpunkt war Wirtschafts- und Sozialgeschichte, insbesondere Industrialisierung und Arbeitergeschichte.“ An diesen Themen habe sich auch seine Wahl der Universität orientiert.
Sein postgraduales Masterstudium der Archivwissenschaft durchlief der Essener später berufsbegleitend an der Fachhochschule Potsdam. Das dreijährige wissenschaftliche Volontariat führte ihn in das Solinger Stadtarchiv. In der Klingenstadt im Bergischen Land habe ihn unter anderem die Geschichte der Heimarbeit beschäftigt. Vor dieser Station war Schemmert bereits im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn als Sachbearbeiter tätig.
Gerade junge Menschen möchte der Archivleiter, der mit Gladbeckern ins Gespräch kommen will, erreichen: „Denn nur wer sich für seine Umgebung interessiert, setzt sich heute oder später auch für sie ein.“ Ein weiteres Anliegen ist ihm der Ausbau der Digitalisierung. „Zu unseren Hauptnutzern gehören Familienforscher. Für sie wollen wir unser digitales Service-Angebot im Lesesaal erweitern“, kündigt Schemmert an, dem zwei Kräfte zur Seite stehen. Das werde den Zugang zu den Quellen erleichtern.
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Eher im Hintergrund soll ein weiteres Projekt laufen: die elektronische Archivierung analoger Materialien. Bei Papierzerfall drohe ein Informationsverlust der Originalquellen. Und damit ginge Gladbecker Lokalhistorie unwiederbringlich verschütt.