Gladbeck. . Ahnenforscher wenden sich gerne an das Stadtarchiv in Gladbeck, um Licht in ihre Familiengeschichte zu bringen. Zentrale Frage: Woher komme ich?

Wer waren meine Vorfahren? Wo liegen die Wurzeln meiner Familie? Welche Ereignisse prägen sie? Allesamt Fragen, die nach Einschätzung von Stadtarchivarin Katrin Bürgel immer mehr Menschen umtreibt – und zwischen den Deckeln historischer Aufzeichnungen und in Karteikästen hoffen Suchende Antworten ans Tageslicht holen zu können.

Herkunft spielt eine besondere Rolle

Ahnenforschung, so Bürgel, „ist keine aktuelle Mode“. Sie gab’s immer schon. „Viele Menschen kommen zu uns, mehr Männer als Frauen. Es geht immer um Familienangehörige und die Frage: Woher komme ich“, stellt die Stadtarchiv-Chefin fest. Und etliche hoffen, auf eine winzige Spur blauen Blutes zu stoßen, wenn sie nur weit genug in die Vergangenheit zurückreisen. Wer weiß, vielleicht war ja der Ururururopa ein Adliger? Oder seine Angetraute eine Geborene „von“? Gerade im Ruhrgebiet, wo Menschen aus aller Herren Länder einst im Bergbau Arbeit fanden, spiele die Herkunft eine besondere Rolle.

Karteikästen mit Totenzetteln sind eine wahre Fundgrube für Informationen. Häufig sind dort kurze biographische Abrisse zu lesen.
Karteikästen mit Totenzetteln sind eine wahre Fundgrube für Informationen. Häufig sind dort kurze biographische Abrisse zu lesen. © Heinrich Jung

Meistens gehe es um einen Stammbaum, der erstellt oder ergänzt werden soll: Da reichen Namen, Geburts- und Todesdatum. Die Stadtarchivarin: „Wir übernehmen die Recherche.“ Dabei seien Personenstandsregister (siehe Informationsbox) eine große Hilfe. Bürgel erklärt: „Geburts-, Heirats- und Sterberegister werden beim Standesamt geführt.“ Bevor die Stadtarchivarin die Unterlagen bekommt, gehen Jahrzehnte ins Land: 110 Jahre nach einer Geburt, 80 Jahre nach der Eheschließung, 30 Jahre nach dem Tod. Gut 300 Bände umfasst die Sammlung der Personenstandsunterlagen im Untergeschoss des Neuen Rathauses.

Viel Handarbeit

Für Menschen – „die meisten im Alter ab 60 Jahre“ – auf der Suche nach der Heimat ihrer Vorfahren sind sie eine wichtige Daten-Quelle. In uralten Bänden sind in gestochen scharfer deutscher Schreibschrift Randnotizen – ist das etwa noch Bleistift? – zu lesen. Eine kleine Auswahl an Anmerkungen zu Todesfällen: Rippenbruch, Kopfverletzung, Gelbsucht.

Hintergrund

Seit dem Jahr 2009 registriert das Stadtarchiv aufgrund des neuen Personenstandsgesetzes einen Anstieg der Anfragen. Es legt fest, wie lange Geburts-, Heirats- und Sterberegister aufzubewahren sind.

Rückblick: Anno 1874 wurden die staatlichen Personenstandsregister in Preußen eingeführt, zwei Jahre später im Deutschen Reich. Stadtarchivarin Katrin Bürgel: „Damit wurden sie von den bisher geführten konfessionsbezogenen Kirchenbüchern unabhängig.“

Die Überlieferung der Personenstandsregister in Gladbeck beginne im Jahre 1879.

„Es kommen Leute zu uns, die kaum Informationen haben“, bemerkt die Stadtarchivarin. Namen und Geburtsort sollten als Anhaltspunkte schon bekannt sein, meint sie: „Wir tippen ja keine Computertaste, und das Ergebnis springt prompt raus.“ Vieles ist Handarbeit, bedeutet Blättern in historischen Aufzeichnungen. „Schwierig wird’s, wenn beispielsweise polnische Namen eingedeutscht wurden“, sagt Bürgel. Oder in den Fällen, in denen mehrere Schreibweisen denkbar sind: Janssen, Jansen, Janßen . . .

Neben den genannten Registern können auch Toten-Zettel eine Menge über Menschen verraten, gaben sie doch einst auch einen kurzen biographischen Abriss über die Verstorbenen. Da ist beispielsweise zu lesen, dass ein gewisser Hermann Löns, der am 18. Mai anno 1941 – wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag – das Zeitliche segnete, in Gladbeck geboren wurde. Mit Anna Kläsener aus Buer-Erle vermählte er sich am 3. Mai.

Informationen über jüdisches Leben

Für manche Hobby-Forscher bedeutet der Blick in alte Unterlagen tatsächlich eine Reise zurück in die (verlorene) Heimat – sei es die eigene, aus der man vor Jahrzehnten geflüchtet ist, oder die der Vorfahren. Bürgel berichtet: „Aus Brasilien haben wir viele Anfragen, weil die Menschen ihre deutsche Staatsbürgerschaft nachweisen wollen.“ Aber auch aus ganz Europa, den USA sowie Australien erreichen Nachfragen das hiesige Stadtarchiv. Nachfahren jüdischer Verfolgter versuchen, so Bürgel, Licht in die Geschehnisse während des Nationalsozialismus’ zu bringen und das Leben ihrer Angehörigen zu rekonstruieren. „Oft geschieht das nach dem Tod der Erlebniszeugen“, sagt die Archivarin.