Gladbeck. Das vermeintliche Elite-Gymnasium in Gladbeck hat geringe Anmeldezahlen. Der Direktor kämpft dagegen. Er kann auf überraschende Zahlen verweisen.
Hat das Ratsgymnasium in der Gladbecker Stadtmitte als vermeintliche Eliteschule ein Imageproblem? Droht die traditionsreiche und älteste Oberschule der Stadt zwischen dem neu aufgestellten Heisenberg-Gymnasium und dem vor der Modernisierung stehenden Riesener-Gymnasium zerrieben zu werden? Zum neuen Schuljahr starten nur zwei fünfte Klassen an der Mittelstraße. Die Schulleitung kämpft für ein besseres Bild in der Stadtgesellschaft.
Die Zweizügigkeit am Rats erfolgt in Absprache mit Stadt und Bezirksregierung zugunsten des Heisenberg-Starts mit vier Zügen als Ganztagsgymnasium im neuen Schulbau. Rats-Direktor Mathias Schwark sieht trotz geringer Schüleranzahl im fünften Jahrgang (60 Anmeldungen) keine Gefahr für Qualitätsverluste in der möglichen Bandbreite des Wahlangebots. Zudem zeigt die Statistik eine Stärke des Rats-Gymnasiums - im Gegensatz zu Riesener und Heisenberg - die sicherlich viele überrascht.
Die Zweizügigkeit bedeutet keinen Qualitätsverlust
„Die Zweizügigkeit bedeute keinen Qualitätsverlust für die Schullaufbahn der neuen Fünftklässler“, unterstreicht Matthias Schwark. „Alle Möglichkeiten zur Differenzierung werden auch in der Zweizügigkeit angeboten, sofern sie ausreichend gewählt werden.“ Das betreffe zum Einen die Profilkurse in der Erprobungsstufe der fünften und sechsten Klasse, „wobei die Schülerinnen und Schüler ohne Notendruck ausprobieren könnten, ob ihr Schwerpunkt der richtige für sie ist“. Zur Wahl gestellt werde das naturwissenschaftlich orientierte Mint-Profil, der Sport-Schwerpunkt „Fit for Life“, der Medien-Schwerpunkt „Die Ratsreporter“ oder die musisch-künstlerische „Kreativwerkstatt“.
Und auch bei allen weiteren Zusatzangeboten wie AGs oder Zertifikaten bestehe kein Problem, da diese oft auch jahrgangsübergreifend angeboten würden. Ähnliches gelte in Sachen Fächervielfalt für die Oberstufe. „Mit unserem Alleinstellungsmerkmal Psychologie können wir wohl das beste Angebot in der Sekundarstufe 2 machen, da wir ansonsten mit den anderen gymnasialen Oberschulen bei den Leistungskursen kooperieren.“ Dass das hervorragend funktioniere, sei bei der aktuellen QI zu sehen, „die auch nur 45 Schülerinnen und Schüler besuchen“. Zudem sei die Zweizügigkeit am Rats nichts Neues. Schwankungen habe es bei den Anmeldungen immer wieder mal gegeben, so dass die Eingangsstufe auch 2016 (Einführung Inklusion) und 2019 nur zweizügig gestartet sei.
Das Ratsgymnasium verändert sich in Schritten
Nach einem halben Jahr als neuer Schulleiter sieht Matthias Schwark in den geringen Anmeldezahlen keinen persönlichen Rückschlag. „Ich freue mich über jeden, der sich bewusst für das Rats entschieden hat.“ Die aktuellen Zahlen hätten sicherlich verschiedene Gründe. Die neue Schulleitung am Rats müsse sich etablieren, sicher habe aber auch die Neuausrichtung des Heisenbergs als Ganztag-Gymnasium dort zu mehr Anmeldungen geführt. Man sei dabei, die Schullandschaft in Gladbeck umzugestalten und auch das Ratsgymnasium verändere sich in Schritten, „da wir neue Themen angehen und Veränderungen anpacken“.
Vielen Eltern sei offenbar auch nicht ausreichend bekannt, „dass wir ein hervorragendes Beratungsangebot und Förderangebot für leistungsschwächere wie leistungsstarke Kinder haben“. Mit dem Ziel, alle Schülerinnen und Schüler so zu unterstützen und zu begleiten, „dass sie ihren Weg bis zum Schulabschluss oder zur Oberstufe schaffen können“. Er wolle gemeinsame Konzepte mit umliegenden Grundschulen entwickeln, „um die Möglichkeiten am Rats deutlicher aufzuzeigen“, sagt Schwark. Zudem sei es Ziel, den Kontakt zu den Realschulen zu stärken und die Durchgängigkeit bewusster zu machen, nach der zehnten Klasse zum Rats wechseln zu können, „um bei uns das Abitur zu machen“.
Ratsgymnasium hat die wenigsten Schullaufbahn-Abbrecher
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Was hierzu überraschen mag, dass die Schullaufbahn am Ratsgymnasium offenbar besser gelingt, als an allen anderen Gymnasien der Stadt. Im Fünfjahresvergleich 2015 bis 2019 waren es insgesamt nur 17 Kinder, die nach der Erprobungsstufe (5/6 Schuljahr) das Ratsgymnasium verlassen haben. Am Riesener-Gymnasium waren es 33 Kinder und am Heisenberg-Gymnasium sogar 58 Kinder.
Der Leiter der Schulabteilung der Stadt Gladbeck, Stefan Sabbadin, erklärt, warum in Gladbeck generell die Gymnasien von weniger Grundschülern (29 Prozent) als weiterführende Schule gewählt werden als die Realschulen (51,4 %).
Fast die Hälfte der neuen Fünftklässler hat einen Migrationshintergrund
Der Anteil der neuen Fünftklässler, die einen Migrationshintergrund haben, liege in Gladbeck bei 47,1 %. Deren Eltern hätten oft Angst vor einer vermeintlichen Überforderung ihrer Kinder. Sie wählten so zur Sicherheit lieber die Realschule als das Gymnasium als weiterführende Schule. Er glaube aber, sagt Sabbadin, „dass ein großer Teil der angemeldeten Kinder durch Förderung zum Abitur geführt werden kann“. Hier unternähmen die Gymnasien auch große Anstrengungen, ihre Kinder zu halten.
Mit dem erfreulichen Ergebnis, dass aus der aktuellen Schulstatistik 2019 nur zwei Kinder ihr Gymnasium (Heisenberg, Rats) als Schulformwechsler verlassen haben. Es würde offenbar fruchten, „dass bei der Anmeldung intensive Gespräche mit den Eltern geführt werden, ihr Kind nicht am Gymnasium anzumelden, wenn die Qualifikationen laut Zeugnis und Grundschulempfehlung nicht vorliegen“. Dem seien viele Eltern wohl gefolgt, so dass jüngst nur wenige Kinder ihre Gymnasialkarriere hätten abbrechen müssen.
Image der Schule sorgt für bewusstere Wahl beim Gymnasialstart
Das Rats weise im Fünfjahresvergleich bessere Zahlen als die Nachbargymnasien auf, da das Image der Schule wohl dafür Sorge, dass hier wohl bewusster Kinder mit Gymnasialempfehlung und entsprechenden Zeugnisnoten angemeldet würden und weniger Kinder mit Realschul- oder Hauptschulempfehlung.