Gladbeck. Die Stadt möchte an das Gladbecker Geiseldrama von 1988 erinnern. Skepsis äußert Gladbecks Politik bei Straßenbenennungen nach den Opfern.
Mehr als 30 Jahre nach der Tat plant die Stadt Gladbeck, an die Opfer der dramatischen Tage des „Gladbecker Geiseldramas“ zu erinnern. Als „Plädoyer gegen das Vergessen“ sollen eine entsprechende Gedenktafel am Ort des Geschehens angebracht, und eine Dokumentation im Museum ausgestellt werden. Dafür hat sich der Haupt-, Finanz- und Digitalisierungsausschuss ausgesprochen. Die Benennung von zwei kleinen Straßen und eines Platzes in Rentfort-Nord nach den drei Todesopfern des Geiseldramas fand bei den Parteien – außer bei den Grünen und der AfD – keinen Zuspruch.
Die Anregungen stammen von Dietmar Chudaska, dem ehemaligen Superintendenten der evangelischen Kirche, der einen entsprechenden Bürgerantrag an die Stadt gestellt hat. Für Chudaska ist es bedrückend, dass im Zusammenhang mit dem Geiseldrama, das im ehemaligen Geschäftszentrum Rentfort-Nord an der Schwechater Straße seinen Ausgang nahm, die Täter immer wieder Erwähnung fänden, „es aber keine Hinweise auf die Opfer“ gebe.
Mehr an die Opfer des Gladbecker Geiseldramas denken, weniger an die Täter
Durch den Abriss des Hochhauses Schwechater Straße 38, der bereits begonnen wurde, und die anschließende Neugestaltung des einstigen Geschäftszentrums ergebe sich die Chance, so der ehemalige Superintendent, sich mit dem Andenken an die drei verstorbenen Opfer des Geiseldramas von 1988 zu befassen und an die dramatischen Tage, die offensichtlich Teil der Stadtgeschichte seien, zu erinnern. Chudaska: „Das wäre ein gutes Zeichen, das der Stadt gut zu Gesichte stehen würde: Wir vergessen die Opfer nicht!“
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Chudaska schlug vor, am künftig neugestalteten Einkaufszentrum eine Erinnerungstafel anzubringen, die an das dreitägige Geiseldrama erinnere, das in Gladbeck begann und das ganze Land in Atem hielt. Auch das Museum solle die Ereignisse aufgreifen und sich insbesondere mit den Themen, die im Zusammenhang mit dem Geiseldrama bis heute Relevanz haben, beschäftigen: Die Rolle der Presse, die Notwendigkeit und Grenzen der Berichterstattung, Motive der Schaulust, aber auch das Versagen der Behörden, insbesondere der Polizei.
Zwei Geiseln und ein Polizist starben bei dem Verbrechen
Chudaska schlug auch vor, durch Platz- und Straßenbenennungen insbesondere an die drei verstorbenen Opfer des Geiseldramas zu erinnern. Die große Wiese am Hochhaus Schwechater Straße 38 solle in „Silke-Bischoff-Park“, der Zuweg zum ev. Familienzentrum (Schwechater Straße 30) in „Emanuele-De-Giorgi-Weg“ und der Zugang zum ev. Gemeindehaus und Pfarrhaus (Schwechater Straße 32) in „Ingo-Hagen-Weg“ umbenannt werden. Silke Bischoff und Emanuele de Giorgi waren Geiseln der Gladbecker Gangster und wurden von ihnen ermordet, Ingo Hagen kam als Polizist im Einsatz beim Geiseldrama ums Leben.
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Die Parteien begrüßten durchweg die Initiative von Dietmar Chudaska. „Die Gedenktafel muss auffallend, aber adäquat sein und die Ereignisse angemessen würdigen“, so CDU-Fraktionsvorsitzender Peter Rademacher. Auch eine inhaltliche Aufarbeitung des Themas im Museum sei wichtig zur Erinnerung. „Aber mit den Straßennamen haben wir Bauchschmerzen.“ Zu einer für die Stadt wichtigen Erinnerungskultur bedürfe es keine Straßen- oder Platzbenennung, die im übrigen auch die überlebenden Opfer ausschließe, so Rademacher.
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Grüne finden auch die Straßenbenennung nach Opfern des Geiseldramas gut
Grünen-Fraktionschefin Ninja Lenz sagte, der Bürgerantrag finde „in allen Punkten“ die Unterstützung ihrer Partei. „Auch die Straßenbenennungen sind gut!“ Sie böten Gladbeck die Möglichkeit, direkt an die Opfer zu erinnern. Die Umgestaltung des Areals Schwechater Straße 38 biete die Chance, auch einen Platz der Erinnerungen zu gestalten.
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SPD-Fraktionschef Wolfgang Wedekind sagte, eine angemessene Würdigung der Geiseln sei sinnvoll – auch eine eigene Dauerausstellung im Wittringer Museum. Die Benennung von Straßen und Plätzen gebe hingegen ein „verzerrtes Bild“ wider: Auch andere Städte seien vom Geiseldrama betroffen gewesen. AfD-Ratsherr Marcus Schützek unterstützte den Vorschlag Chudaska „vollumfänglich“, wie er sagte.
Bürgermeisterin Bettina Weist schlug vor, den Ältestenrat zu bitten, sich noch einmal mit dem Thema der Straßen- und Platzbenennungen zu beschäftigen und das weitere Vorgehen dort zu beraten.
Geiseldrama bereits aufgearbeitet
Das Geiseldrama wurde bereits auf verschiedene Weise aufgearbeitet. In der Neuen Galerie gab es die inszenierte Ausstellung „Rentfort-Nord“ des Berliner Künstlers Markus Draper. In der Stadtbücherei gab es eine Lesung „Ein deutscher Sommer“ des Literaturbüros.
Im März 2018 gab es schließlich die zweiteilige TV-Verfilmung „Gladbeck“. Sie wurde in der ARD gezeigt und erreichte als Spielfilm ein Millionenpublikum. Gedreht worden war auch an Originalschauplätzen in Rentfort-Nord.