Gladbeck. Sitz! und Platz! Hundeschulen haben wieder teilweise geöffnet. Ein für Welpen wichtiger Öffnungsschritt, so eine Hundetrainerin, fehlt aber noch.
„Es kann nicht sein, dass Hunde früher wieder in die Schule gehen als Kinder und Jugendliche“, erklärte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey vor kurzem im ARD-Morgenmagazin. Nachvollziehbare Prioritäten, aber grundsätzlich unterscheiden sich Hunde- und Menschenschulen deutlich. Über Giffeys Vergleich hat sich Andrea Dieckmann deshalb ziemlich aufgeregt.
Beim Hundetraining im Freien kann man problemlos Abstand halten, sagt Hundetrainerin Andrea Dieckmann aus Gladbeck
Sie ist Hundetrainerin und führt die Hundeschule Pfotenteam in Gladbeck. „Wir sitzen doch hier nicht drinnen auf der Schulbank, sondern sind an der Luft und können ohne Probleme Abstände einhalten“, erklärt sie, „mit solchen Aussagen spaltet man nur.“ Seit letzter Woche kann Andrea Dieckmann wieder Einzeltrainings anbieten. Vorher waren die Hundeschulen in NRW coronabedingt komplett geschlossen.
Freitagmittag kommen Silvana Rütter und Kevin Kusenberg mit ihrer Hündin Vika zum Einzeltraining. Das Paar bildet einen Haushalt und kann dementsprechend gemeinsam zum Training kommen. Welpe Vika ist ein American Akita und erst zehn Wochen alt. In diesem Alter müssten Hunde sehr viel lernen, um später gut mit anderen Hunden auszukommen. Und da kommt das Einzeltraining an seine Grenzen. „Im Welpenalter muss man Hunde sozialisieren und mit anderen Welpen spielen lassen“, erklärt Dieckmann und auch Silvana Rütter sorgt sich um das Wohlergehen von ihrer Hündin: „Wir können den Kontakt zu anderen Hunden ja nicht ersetzen und auch kein Vorbild für das Verhalten von Vika sein.“
Warum für Welpen der beaufsichtigte Kontakt zu anderen Hunden so wichtig ist
Ohne die Rückmeldung von anderen Hunden können Welpen ihr Verhalten schlecht reflektieren. In der Gruppe können sie außerdem Erfahrungen im Umgang mit Artgenossen und deren Herrchen und Frauchen machen. Diese wiederum können Rückmeldungen von den Hundetrainern bekommen, und sie lernen so, von Anfang an richtig mit dem Hund umgehen.
Dass das Einzeltraining in Hundeschulen nun wieder möglich ist, begrüßt Andrea Dieckmann zwar grundsätzlich. Sie will aber vor allem Problemfällen helfen, bei denen sich schon Verhaltensschwierigkeiten eingeschlichen haben. Grundkommandos wie Sitz oder Platz könnten Silvana Rütter und Kevin Kusenberg ihrem Welpen höchstwahrscheinlich auch ohne Trainerin beibringen. Nicht ersetzen, so Dieckmann, kann man dagegen den Kontakt zu anderen Junghunden – und zwar unter Aufsicht in einer Hundeschule.
Die Hunde sollen miteinander in Kontakt kommen, nicht die Menschen
Weshalb die für die Erziehung so wichtigen Welpengruppen durch die Coronaschutzverordnung nicht ermöglicht werden, versteht niemand auf dem Hundeplatz. „Das ist doch überhaupt nicht nachvollziehbar“, finden Rütter und Kusenberg. „Hier sollen ja nicht die Menschen miteinander in Kontakt kommen, sondern die Hunde“, beschwert sich die Hundetrainerin Andrea Diekmann, „wir haben hier ein Gelände von 1500 Quadratmetern! Wir sind draußen und tragen Masken, von Infektionsgefahr kann keine Rede sein.“
Ausnahme: Einzelunterricht
Mit der Aktualisierung der Coronaschutzverordnung in NRW sind einige Ausnahmen vom Verbot „außerschulischer Bildungsangebote“ in Kraft getreten.
Der Sprecher der Stadt Gladbeck, David Hennig, erklärt: „Unter Paragraf 7.1.1. ist eine Ausnahme für Einzelunterricht außerhalb geschlossener Räume dazugekommen.“ „Einzelunterricht“ beziehe sich dabei auf den Menschen.
Welpengruppen sind laut Andrea Dieckmann eine wichtige Voraussetzung für gut erzogene Hunde. Das Haustierregister des Vereins Tasso e.V. verzeichnet darüber hinaus ein Plus von 25 Prozent mehr Hundeanmeldungen im Jahr 2020 gegenüber 2019. Während des Lockdowns wünschen sich offenbar mehr Menschen einen tierischen Begleiter.
Unerfahrenen Hundehaltern fehlt die Unterstützung durch Hundetrainer
Andrea Dieckmann befürchtet, dass unerfahrene Hundehalter Schwierigkeiten haben, ohne Hundeschule mit ihrem Vierbeiner zurecht zu kommen. Dass Ausnahmeregelungen für die Hundeschulen beschlossen werden, hält sie aber derzeit für unwahrscheinlich. „Wir Hundetrainer haben schon letzten Monat vor dem Landtag in Düsseldorf demonstriert, und ich habe eine E-Mail an Ministerpräsident Armin Laschet geschrieben. Bis heute habe ich aber keine Antwort bekommen.“