Gladbeck. Die VHS-Fachbereichsleiterin baute das Gebiet „Deutsch als Zweitsprache“ auf. Karin Hornig-Bilo (63) genoss die Begegnung mit anderen Kulturen.
Lehrerin wollte Karin Hornig-Bilo immer schon werden. Einen Plan B für einen anderen beruflichen Werdegang hatte sie nicht in der Schublade. Allerdings spielte der Zufall eine wichtige Rolle in ihrer Karriere, denn die gebürtige Monschauerin unterrichtete Zeit ihres Lebens nicht Passé Composé und Literaturwissenschaften, wie sie es studiert hatte, sondern vermittelte Deutsch als Zweitsprache an der Volkshochschule Gladbeck. Nach 33 Jahren verabschiedet sich Karin Hornig-Bilo am 31. Januar in den Ruhestand.
Gladbeck war ihre erste Stelle: Karin Hornig-Bilo kam und blieb
Sie war es, die mit einer Kollegin den Bereich „Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache“ an der VHS Gladbeck aufbaute. Wie viele Kursteilnehmer bei ihr in all den Jahren das ABC, Grammatik, Rechtschreibung und Aussprache gelernt haben? Hornig-Bilo schätzt vorsichtig: „Das waren bestimmt 5000 Schüler. Ich habe ja nicht nur hier, sondern auch an anderen Volkshochschulen, in Düsseldorf und Essen, gearbeitet.“ Schließlich „muss man als Honorarkraft je flexibel sein“.
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Denn als solche begann ihre berufliche Laufbahn. Die Stationen im Schnelldurchlauf: aufgewachsen in Aachen, dort Abitur gemacht und Französisch in Kombination mit Komparatistik (allgemeine und vergleichende Naturwissenschaft) auf Lehramt Sekundarstufe II studiert, Referendariat in Essen. „In den Fächern Französisch und Deutsch“, erzählt die 63-Jährige. Literaturwissenschaft wurde nicht angeboten.
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Stichwort: null. „Das war damals der Zeitpunkt, an dem es zu viele Lehrer gab“, so Karin Hornig-Bilo. Also nahm sie eine ABM-Stelle (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) an der VHS Gladbeck an: Spezialkurse für Asylbewerber, wie es im Jahr 1987 noch hieß. So stand Hornig-Bilo nicht vor Klassen an einem Gymnasium, was ursprünglich ihr Berufsziel gewesen war, sondern vor Iranern, Libanesen und Aramäern. Die 63-Jährige entsinnt sich: „Damals gab es auch eine größere Flüchtlingswelle, nicht wie 2015, aber man fühlte sich bemüßigt, Deutschkurse einzurichten.“
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Anfangs habe sie sich schon gefragt: „Kannst Du das auch? Kommst Du überhaupt mit den Leuten klar?“ Es funktionierte, und sogar 1a, „auch als Frau“. Diese Fußnote ist mit Blick auf Gepflogenheiten anderer Kulturkreise nicht ganz unbedeutend. Karin Hornig-Bilo stieg von der ABM-Dozentin im Jahr 2002 direkt auf zur Fachbereichsleiterin für „Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache“ sowie Fremdsprachen. Seitdem unterrichtet sie nicht, sondern konzipiert und organisiert ihr Gebiet. Sie erläutert: „Deutsch als Fremdsprache ist wie Schulunterricht. Deutsch als Zweitsprache ist für Menschen gedacht, die hier leben und im Alltag zurecht kommen wollen.“
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Zu Beginn ihrer Lehrtätigkeit an der Volkshochschule Gladbeck hatte Hornig-Bilo Menschen vor sich sitzen, für die Deutsch die sprichwörtlichen böhmischen Dörfer waren. „Die Iraner waren damals vor Khomeini geflüchtet“, erzählt sie, „sie waren sehr aufgeschlossen, westlich orientiert, relativ gut gebildet und gehörten der gehobenen Mittelschicht an.“ Zu einigen pflegt sie immer noch Kontakt: „Einer wurde Radiologe, einer arbeitete in der Verwaltung, ein anderer hat ein Taxiunternehmen, eine ist Kosmetikerin geworden.“
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Deutsch an der Volkshochschule
In diesem Halbjahr bietet die Volkshochschule Gladbeck nach Angaben der Fachbereichsleiterin Karin Hornig-Bilo rund 60 Kurse Deutsch als Zweitsprache an. Es unterrichten 16 Kräfte.
Die Expertin vergleicht: „Als ich im Jahre 1989 hier angefangen habe, waren es vier Kurse.“ Zu zweit betreuten Hornig-Bilo und eine Kollegin seinerzeit die Teilnehmer.
„Seit 2005 haben wir Integrationskurse, das sind Deutschkurse nach dem Konzept des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge“, berichtet Hornig-Bilo. Einfach ein anderer Name für „Deutsch als Zweitsprache“? Nicht ganz: Zur Konzeption gehören sechs Sprachmodule und ein Orientierungskurs, in dem die Teilnehmer Alltag, Kultur und Geschichte in Deutschland kennenlernen.
Die Flüchtlingswelle, die im Jahr 2015 begann, bezeichnet die Fachbereichsleiterin als „bunter“: „Sehr, sehr viele Westafrikaner sind zu uns gekommen, viele Menschen aus Bangladesch, Pakistan, Afghanistan, Iran und Syrien.“ Die Gruppe sei sowohl aufgrund ihrer Herkunft als auch wegen ihres Bildungsniveaus ausgesprochen uneinheitlich: vom Analphabeten bis zum Arzt. Während sie es 1987 vor allem mit geflüchteten Familien zu tun gehabt habe, gehe es seit 2015 um viele, viele junge alleinstehende Männer. „Höchsten Respekt“ zollt sie all jenen, die in unglaublicher Schnelligkeit Deutsch lernen.
Ihre Tätigkeit hat Spuren bei Hornig-Bilo hinterlassen. Sie sagt: „Besonders die Flüchtlingswelle von 2015 hat mich sehr berührt.“ Sie nennt sich selbst einen „toleranten Menschen“: „Ich genieße die Begegnung mit anderen Kulturen, konnte immer etwas lernen.“ Seien es nun Kochrezepte, seien es Verhaltensweisen: „Zum Beispiel: nicht mit Schuhen durch die Wohnung zu laufen.“ Und wie überall gebe es auch in den Kursen nette und weniger nette Zeitgenossen, Intelligente und eben andere. „Ich bin ich, und Du bist Du“, ist ihre Devise. Sie wolle Menschen Auge in Auge, auf gleicher Ebene gegenüberstehen.
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„Ich bin heilfroh, dass es so gelaufen ist“, sagt die Pädagogin im Rückblick. Sie schätze die Vielfalt, die ihr Fach mit sich bringe, habe auch von ihren Schülern viel gelernt: „Ich habe keine Angst vor Begegnungen, mag Menschen generell erst einmal.“ Langweilig sei es nie gewesen: „Ein sehr schöner Job.“