Gladbeck. Der Bürgerentscheid endet 2012 mit einem Nein zum B-224-Ausbau. Der Rat entscheidet 2015 anders. 2016 findet Gladbeck größtes „Open air“ statt.

Als 2006 das Neue Rathaus am Willy-Brandt-Platz eingeweiht wurde, hatten sich die politischen Verhältnisse längst wieder gewandelt. Die knapp zehnjährige CDU-Dominanz unter dem ersten hauptamtlichen Bürgermeister Eckhard Schwerhoff war mit der Wahl 2004 zu Ende gegangen. Die SPD wurde mit 40,6 Prozent wieder stärkste Kraft (war aber weiterhin weit entfernt von der gewohnten absoluten Mehrheit) und stellte gemeinsam mit den Grünen, die aus der Zusammenarbeit mit der CDU ausschieden, das neue bestimmende Bündnis im Rat. Die CDU war um mehr als neun Prozentpunkte abgerutscht und landete bei nur noch 37,1 Prozent.

Und Ulrich Roland, der bisherige Schulamtsleiter, gewann im Oktober 2004 als SPD-Kandidat mit 52,7 Prozent die Stichwahl zum Bürgermeister gegen den CDU-Kandidaten Dr. Hans-Joseph Scholten. Zweimal sollte Roland wieder gewählt werden – 2009 mit 60,3 Prozent und 2014 mit 63,7 Prozent der Wählerstimmen. Parallel steigerte die SPD wieder ihre Stimmenanteile auf 46,1 (2009) und 47,3 Prozent (2014). 2009 kam erstmals die Linke mit 6,5 Prozent in den Rat; mit der Wahl von 2014 zogen dann gleich elf Parteien und Bündnisse in den Rat ein und sorgten für eine oft von den „Großen“ beklagte Zersplitterung des politischen Gremiums. Die CDU sackte auf 27,0 und 25,2 Prozent ab.

2004 wird Ulrich Roland Bürgermeister – und sollte es 16 Jahre lang bleiben

Seit 2004 im Amt: Bürgermeister Ulrich Roland, dem Bürgernähe wichtig ist – hier bei einem Fassanstich zum Appeltatenfest. Im August kündigte er an, 2020 nicht mehr zu kandidieren.
Seit 2004 im Amt: Bürgermeister Ulrich Roland, dem Bürgernähe wichtig ist – hier bei einem Fassanstich zum Appeltatenfest. Im August kündigte er an, 2020 nicht mehr zu kandidieren. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Die SPD wählte 2004 mit Michael Hübner einen erst 31-jährigen Newcomer an die Spitze der Fraktion. 2010 holte Hübner als Nachfolger von Wolfgang Röken, der 15 Jahre Gladbecks Interessen als MdL im Landtag vertreten hatte, bei der Landtagswahl das Direktmandat. 2012 und 2017 gelang ihm die Wiederwahl. Röken, der 18 Jahre Oberbürgermeister und Bürgermeister war, blieb noch im Rat und zog sich 2014 nach 38 Jahren in der Stadtpolitik aus dem politischen Betrieb zurück.

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Die Ära Roland ist vor allem um die lange und zähe Diskussion um den Ausbau der B 224 zur A 52 geprägt. Roland vertrat voller Überzeugung das Projekt bei dem vom Stadtrat initiierten Ratsbürgerentscheid – der im März 2012 in einem politischen Desaster endete: Eine deutliche Mehrheit der Gladbecker sprach sich gegen den Ausbau mit Tunnel und großem Autobahnkreuz in Wittringen aus. 12.991 Menschen sagten „Nein“, nur 10.255 votierten mit „Ja“ - es war die Minderheit.

Der Umbau der B 224 zur A 52 sorgt jahrelang für Debatten

Nach dem Nein beim Bürgerentscheid und dem Ja des Rates 2015 laufen nun die A-52-Planungen – hier der Tunneleingang Phönixstraße.
Nach dem Nein beim Bürgerentscheid und dem Ja des Rates 2015 laufen nun die A-52-Planungen – hier der Tunneleingang Phönixstraße. © Straßen.NRW

Dennoch kam es zu dem oft kritisierten grünen Licht für den Ausbau: Nach einer Schamfrist von über drei Jahren votierte schließlich der Rat der Stadt am 26. November 2015 mit großer Mehrheit für den Ausbau der B 224 mit einem 1,5 Kilometer langen Tunnel. Zuvor hatte der damalige NRW-Verkehrsminister Michael Groschek bei einer WAZ-Podiumsdiskussion im Martin-Luther-Forum für die A 52 geworben und die Landesunterstützung für den Volltunnel zugesichert. Im Februar 2016 gab auch das Bundesverkehrsministerium grünes Licht für das Großvorhaben, seitdem laufen die Planungen.

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Zehn Jahre lang bereicherte das Lutherforum, die umgebaute ehemalige Markuskirche an der Bülser Straße, das Stadtleben: Von 2007 bis knapp über das Lutherjahr 2017 hinaus präsentierte sich das Forum als eine hochqualitative Einrichtung, die über die Stadtgrenzen hinweg einen guten Ruf hatte und für Gladbecks Image von großem Wert war. Dieses Aushängeschild aus Zeiten der Kulturhauptstadt entwickelte sich als ein Ort für den religiösen Dialog und für Begegnung, für Kultur und Bildung, für die Erweiterung des Horizonts und für kontroverse wie erfrischende Diskussionen über Gott und die Welt. Hochkarätige Gäste fanden den Weg nach Gladbeck, sorgten für Glanz in der Stadt.

Das Martin-Luther-Forum schließt 2018 nach über zehn Jahren im Streit

Symbolisches Ende einer Ära: Das Martin-Luther-Forum schließt nach über zehn Jahren – das Gebäude wird 2018 freigezogen. 
Symbolisches Ende einer Ära: Das Martin-Luther-Forum schließt nach über zehn Jahren – das Gebäude wird 2018 freigezogen.  © MG

Dann das Aus Anfang 2018 im Streit: Es gab heftige Kontroversen, viele Vorwürfe zwischen der Stadt und dem Trägerverein angeführt über all die Jahre von seinem rührigen Vorsitzenden Dr. Martin Grimm, der Unterstützung vermisste. Im August 2018 dann die Lösung: Die Stadt übernimmt die Räumlichkeiten und wird sie für die VHS nutzen.

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Positiv für die Stadt: Neue Baugebiete wurden entwickelt, lockten neue Bürger an: nach dem Wielandgarten in Butendorf ab 2007 folgten etwa ab 2011 die Lottenstraße in Rentfort und die Erweiterung des Bloomshofes ab 2015. Auch künftige neue Quartiere im Hinterland der Eichendorffstraße, auf dem ehemaligen Sportplatz Rosenhügel und etwa die Neunutzung und Bebauung der alten Schlägel- und Eisensiedlung in Zweckel sorgten und sorgen für eine Stabilisierung der Einwohnerzahl bei rund 78.000 Menschen.

Die „Rolf-Schlägel-Affäre“ erschüttert im Frühjahr 2013 die Stadt

Im Juni 2019 eröffnet: Das neue Geschäftshaus „Hoch10“, das den maroden Karstadt-Komplex ersetz.
Im Juni 2019 eröffnet: Das neue Geschäftshaus „Hoch10“, das den maroden Karstadt-Komplex ersetz. © Funke Foto Services | Lutz von Staegmann

Ein politischer Skandal erschütterte das politische Gladbeck im Frühjahr 2013, als die „Rolf-Schlägel-Affäre“ die Stadt für Wochen in Atem hielt. Stadtsprecher Peter Breßer-Barnebeck war in einer Sportausschusssitzung von einem Vereins-Funktionär als Internetaktivist mit dem Pseudonym „RolfSchlaegel“ enttarnt worden und geriet massiv unter Beschuss. Breßer-Barnebeck hatte sich unter diesem Pseudonym auch zu höchst strittigen kommunalpolitischen Themen geäußert. Auffallend war eine bisweilen deftige Wortwahl, die Angegriffene als diffamierend und beleidigend empfanden. Die Affäre machte über Gladbeck hinaus Schlagzeilen. Bürgermeister Roland stand zu seinem Sprecher, betonte, Breßer-Barnebeck habe „nicht im dienstlichen Auftrag“ gehandelt, sondern sich privat geäußert.

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2014 begann der Umbau der Fußgängerzone – nach und nach wurden Hoch- und Horster Straße neu gepflastert und attraktiv gestaltet. Inzwischen auch die Friedrichstraße. Bald soll ebenso der Rathausplatz ein neues Gesicht bekommen, der Anfang der 90er Jahre erst zu einem Platz umgestaltet worden war – und dessen neue Verkehrsführung seinerzeit für heftige Diskussionen gesorgt hatte.

Der Stadt gelingt in den vergangenen Jahren ein attraktiver Umbau der City

100 Jahre Gladbeck: Die Geburtstagsfeier am 21. Juli 2019 – exakt 100 Jahre nach Verleihung der Stadtrechte – fand mit großem Stadtpicknick auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Gladbecker Rathaus statt.
100 Jahre Gladbeck: Die Geburtstagsfeier am 21. Juli 2019 – exakt 100 Jahre nach Verleihung der Stadtrechte – fand mit großem Stadtpicknick auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Gladbecker Rathaus statt. © Funke Foto Services | Lutz von Staegmann

Einher ging die Aufhübschung der City mit der Sanierung des City-Centers (2011), dem Neubau auf dem Grundstück des ehemaligen P&C-Hauses (Fertigstellung 2017) und dem Abriss des Karstadt-Hauses mit dem Neubau des Geschäftshauses Hoch10 (Fertigstellung Juni 2019). Schrottimmobilien wie P&C und Karstadt, aber auch Erlenkrug, Schwechater 38 und Möbelparadies Tacke beschäftigen seit Jahren Politik und Verwaltung. Bei den beiden letzteren zahlte sich das Durchhaltevermögen aus: Tacke wird seit Herbst abgerissen, in Rentfort-Nord steht es im neuen Jahr an.

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Von Marcus Esser, Nina Estermann und Georg Meinert

Allen Grund zur Freude hatte die Stadt 2016, als der WDR für einen ganzen Tag aus Gladbeck sendete – nachdem Gladbeck – im zweiten Anlauf – Sieger beim Wettbewerb „WDR 2 für eine Stadt“ wurde. Dank des Geschicks des „Stadthelden“ Max Baumeister, der den Sendetag vorab im März bei einem Geschicklichkeitswettbewerb nach Gladbeck holte. Allein zum Abend-Open-Air-Konzert in Wittringen kamen am 10. September fast 25.000 Menschen – es war das größte Konzert in der Geschichte der Stadt. Mit dabei waren u.a. Sarah Connor und die Band Hurt.

Und dann das große Jubiläum: Am 21. Juli 2019 feierte Gladbeck mit einem nie dagewesenen Stadtpicknick in Weiß und tausenden Gästen auf dem Rathausplatz den 100. Stadtgeburtstag!

Flüchtlingswelle ist 2015 eine Herausforderung

Große Bestürzung löste zunächst 2012 der Brand in der Stadtbücherei aus, der sich als Brandanschlag entpuppte. Ausgebrochen war das Feuer im Büro, zum Glück war die eigentliche Bücherei „nur“ durch Ruß und Rauch beschädigt.

Eine große Herausforderung für die Stadt war ab 2015 die Flüchtlingswelle, die Gladbeck erreichte, und mit der es mehr als 1000 Menschen zu versorgen galt. An mehreren Stellen der Stadt wurden Flüchtlings-Container aufgestellt.

2016 kam es noch einmal zu einem Bürgerentscheid: Mütter aus Butendorf wehrten sich gegen die Schließung der Jugendeinrichtung „Karo“, allerdings scheiterte das Begehren. Die Stadt schloss das Karo und quartierte in die Räume an der Schachtstraße die Jugendkunstschule ein.

Positiv: Die Sanierung des Foyers der Stadthalle 2018, durch dessen aufwändige Glaskonstruktion es hereingeregnet hat. Und dann 2019 der Start des politisch hart diskutierten Neubaus des Heisenberg-Gymnasiums.

100(0) Jahre Gladbeck: Bisherige Folgen in der Übersicht

In 2019 wird die Stadt Gladbeck 100 Jahre alt. Anlass für uns, die Geschichte Gladbecks, die vor 1000 Jahren begann, in Serie darzustellen. Quellen sind die Bücher „Geschichte der Stadt Gladbeck“ von Rainer Weichelt, „Gladbeck“ von Harald Neumann, „Verdrängte Jahre – Gladbeck unterm Hakenkreuz“ von Frank Bajohr, „Feuersturm an der Ruhr“ aus dem Klartext-Verlag, die Dokumentation „Glabotki ist nicht!“ von Erna-Johanna Fiebig und Rainer Weichelt, die Chronik „40 Jahre Amt Gladbeck“ von Ludwig Bette (von 1925), Expertisen aus dem Stadtarchiv sowie verschiedene Aufsätze von Heimatforschern.

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