Gladbeck. Die erste Straßenbahnlinie führte nach Horst. Der Ausbau erfolgte rasch und führte in alle Nachbarstädte. Der Bahnhof West wurde 1905 eröffnet.

1909 begann das Straßenbahnzeitalter in Gladbeck und machte die Menschen mobil: Die erste Linie führte von Gladbeck-Mitte durch Hoch-, Kaiser- und Horster Straße nach Horst. Diese Verbindung entwickelte sich über die Jahrzehnte, vor allem nach dem Ausbau bis Kirchhellen, zum Rückgrat des Straßenbahnverkehrs in der Stadt. Die Organisation der Linie lag bei den „Recklinghäuser Straßenbahnen“, aus denen sich die Vestische Straßenbahn entwickeln sollte.

Die erste Straßenbahnlinie nach Horst war 4,6 Kilometer lang. Die Verbindung nach Horst endete zunächst am Bahnhof Horst-Nord, aber schon 1910 ging es einige hundert Meter weiter bis zum Horster Stern. Berühmt wurde die Strecke wegen der „Todesbrücke” über die Güterbahnstrecke in Verlängerung der Horster Straße, offiziell Merveldt-Brücke genannt, die 1910 fertig gestellt wurde.

Die Straßenbahnlinie nach Horst führte über die Todesbrücke

Über die Todesbrücke an der Stadtgrenze nach Horst fuhr Gladbecks erste Straßenbahnlinie.
Über die Todesbrücke an der Stadtgrenze nach Horst fuhr Gladbecks erste Straßenbahnlinie. © Sammlung Vosmik

Der Volksmund schuf den eigenwilligen Namen, weil die Fahrgäste sich stets mit Sorge über die schmale und wackelige Brücke fahren ließen und dabei übertrieben gesagt „Todesangst“ hatten. Bis 1930 wurde die Linie um 6,6 Kilometer über Rentfort nach Kirchhellen verlängert. Insgesamt war die Strecke nun 11,2 Kilometer lang. Für die Fahrt benötigte man 42 Minuten.

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Gladbecks erste Linie lag im sogenannten „Westnetz“ der Vestischen, die Ostgleise der Bahnstrecke Winterwijk-Bismarck galten lange Zeit als unüberwindlich für die Straßenbahnen. Auf der Ostseite erreichten zwei Linien der Vestischen den Bahnhof Ost: Die eine von Buer über Scholven und dem Stadtosten kommend war ab 1907 in mehreren Schritten gebaut und 1920 fertig gestellt worden. Die andere kam ab 1925 direkt von Buer über Bülse über die damalige Gladbecker Straße (heute Nordring) und die Buersche Straße.

Die Straßenbahn fuhr ab 1909 direkt über die Hochstraße

Blick in die Hochstraße 1910 Richtung Amtshaus – mit Straßenbahn.
Blick in die Hochstraße 1910 Richtung Amtshaus – mit Straßenbahn. © Stadtarchiv

Auf der Westseite wartete am Ende der Hochstraße eine Tram, die nach Bottrop und weiter nach Osterfeld fuhr (zusammen 14,1 Kilometer). Die Linie war in Teilabschnitten bereits 1909 gestartet und wurde 1927 vollendet. Wollten die Fahrgäste, die aus Buer oder Scholven kamen, sie erreichen, mussten sie aussteigen und zu Fuß über die Eisenbahngleise gehen oder später die Unterführung nutzen. Eine weitere Verbindung in der Stadt und Teil des „Westnetzes“ war die Linie nach Zweckel (2,3 Kilometer), die über Schultendorf ging und 1929 fertig war.

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Zum „Tor zur Welt“ entwickelten sich auch die Gladbecker Bahnhöfe - nach dem Bahnhof Ost (ab 1880) kam ab Mai 1905 der Bahnhof West dazu mit der Linie Hamm-Oberhausen. 1912 verkaufte der Bahnhof Ost über 337.000 Fahrkarten, der Bahnhof West mehr als 166.000.

1913 entstanden die Heilig-Kreuz- und die Herz-Jesu-Kirche

Die Herz-Jesu-Kirche wurde 1913 eingeweiht.
Die Herz-Jesu-Kirche wurde 1913 eingeweiht. © Stadtarchiv

Im Jahr 1907 erhielt die Freiwillige Feuerwehr, die bereits 1894 von 50 Freiwilligen gegründet worden war, ein neues Spritzenhaus an der Humboldtstraße. Die erste Magirusleitung wurde gekauft. Mit der 1910 verlegten Wasserleitung standen den Feuerwehrleuten erstmals Hydranten als Zapfstellen zur Verfügung.

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Auch die kirchliche Infrastruktur entwickelte sich rasch: 1911 wurde mit der Pauluskirche in Brauck die erste evangelische Kirche außerhalb des Stadtkerns eingeweiht. 1913/14 wurde die Heilig-Kreuz-Kirche in Butendorf gebaut - ein monumentaler Zentralbau mit riesiger Kuppel und frei stehendem Turm. Auch 1913 entstand die Herz-Jesu-Kirche in Zweckel mit den markanten Doppeltürmen.

Begonnen wurde auf Anregung von Amtmann Heinrich Korte mit dem Bau einer Kanalisation und der Errichtung einer Straßenbeleuchtung, auch über den Stadtkern hinaus. Im Sommer 1914 gab Amtmann Korte bekannt, dass die Gemeinde die Müllabfuhr zentral organisiert – mit einheitlichem Eimer- und Wagensystem. Die Entsorgung war aber zunächst auf die Innenstadt begrenzt.

1913 beschließt die Gemeinde, die Stadtrechte zu beantragen

Das bürgerliche Gladbeck flanierte in den 1910er Jahren gern im Grünen und kehrte dabei im Restaurant Waldfriede in Wittringen ein.
Das bürgerliche Gladbeck flanierte in den 1910er Jahren gern im Grünen und kehrte dabei im Restaurant Waldfriede in Wittringen ein. © Stadtarchiv

Mit der Zunahme der Menschen in der Stadt wuchs auch das Interesse an einer Beschäftigung außerhalb der Arbeit: 1912 wurde der Turnverein Gladbeck gegründet (der TV Einigkeit war bereits 1884 entstanden), 1913 der Schwimmverein Gladbeck. Der Verein für Orts- und Heimatkunde wurde 1911 aus der Taufe gehoben und trat für eine Rückbesinnung auf die Heimat ein, wollte aber auch ein Gemeinschaftsbewusstsein entwickeln – auch eine Antwort auf die Zuwanderung von rund 15.000 Ausländern in der Gemeinde. 1913 etablierte sich der Verkehrsverein, der für einen Ausbau des Verkehrswesen und vor allem für das Erlangen der Stadtrechte eintrat.

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Die Gemeindevertretung hatte die Idee längst auf den Weg gebracht: Am 13. Januar 1913 beschloss sie, einen Antrag auf Verleihung der Stadtrechte zu stellen. Man war der Überzeugung, dass das städtische Siedlungsbild und die städtische Infrastruktur ausreichend waren, um den Antrag zu begründen. Den Negativerfahrungen anderer Gemeinden, denen ein zu hoher Ausländeranteil bei der Stadtwerdung entgegenstand, umging Gladbeck, in dem man die staatenlosen Polen und Masuren einfach herausrechnete und so auf einen Ausländeranteil von nur etwa zehn statt 30 Prozent kam. Am 2. April 1913 wurde der entsprechende Antrag an das Land Preußen gestellt – doch die Gemeinde musste noch lange warten, bis es zu einer Antwort kam.

Schaffner in der Tram

In den Anfangsjahren der Vestischen ging es noch recht beschaulich zu in den Straßenbahnen: „Die Geschwindigkeit der Fahrten darf 25 Kilometer in der Stunde nicht überschreiten, in verkehrsreichen Straßen darf nur mit 12 km/h gefahren werden”, hieß es damals in den Anweisungen.

Der Fahrer stand an der Kurbel, während der Schaffner durch den Wagen lief, Fahrscheine verkaufte und entwertete. Wenn es weitergehen sollte, zog der Schaffner die Klingel, die sich durch die ganze Bahn zog. Die Schaffner-Bimmel musste auch gezogen werden, wenn man an der nächsten Haltstelle aussteigen wollte.