Gladbeck. Es gab über 1700 gefallene Gladbecker Soldaten. Die Bevölkerung hungerte, Frauen waren im Bergbau. Die Novemberrevolution verlief relativ ruhig.

Der Erste Weltkrieg stoppte Gladbeck auf dem Weg zur Stadt und riss die 1914 rund 51.000 Einwohner zählende, aufstrebende Bergbau-Kommune aus allen Träumen. Der Krieg traf Gladbeck hart: Es gab 1713 Gefallene. Allein im November 1914 gab es 110 Tote – der verlustreichste Monat für Gladbecker Soldaten. Der verlustreichste Tag war der 10. November 1914 mit 39 Toten bei der Schlacht bei Poelkappelle. Und die Stadt litt lange große Not.

Schon der Kriegsbeginn lag mitten in der Erntephase, schnell klagten die Bauern über einen Arbeitskräftemangel. Lücken schlossen zunächst Schüler (da bis zum 10. September Sommerferien waren). Gymnasiasten mussten auch in der Verwaltung und in der Kaufmannschaft aushelfen. Schon am 4. August meldete das Bankhaus Küster, dass es wegen Personalmangels bis auf weiteres nur noch vormittags geöffnet hatte.

Schon im August 1914 gab es Aufrufe, Kriegswitwen zu unterstützen

Blick in der Kaiserstraße um 1910 - die heutige Horster Straße.
Blick in der Kaiserstraße um 1910 - die heutige Horster Straße. © Stadtarchiv

Schon nach wenigen Tagen Krieg wurde vieles teurer, und die Kaufleute nahmen kaum noch Papiergeld an. Folge: Silbermünzen wurden zur Mangelware. Die Spar- und Darlehnskasse forderte öffentlich auf, Sparbüchsen zu leeren. Amtmann Korte beteuerte mehrfach in Anzeigen der Tageszeitung, das Papiergeld behalte seinen Wert. Als kriegswichtig stufte Korte in amtlichen Anzeigen heimische Brieftauben ein, die als Kommunikationsmittel aus dem Feld genutzt wurden. Unter Strafe war gestellt, die Informationsringe an zugeflogenen und fremden Tauben zu lesen. Sie waren sofort im Amtshaus abzugeben.

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Schon im August gab es erste Aufrufe, Familien, deren Väter an der Front waren, zu unterstützen. Die Gladbeckerim jahr 1909 kommt die straßenbahn – gladbeck wird mobilZeitung veröffentlichte Spenden von Stammtischen, Vereinen oder Belegschaften, die Geld für die Arbeit des Roten Kreuzes spendeten. Auch der vaterländische Frauenverein sammelte für Hinterbliebene. Im Apollo-Theater und in den Industrie-Lichtspielen wurden Filme gezeigt, die an den Patriotismus und das Vaterlandsbekenntnis appellierten: Das Abspielen des Streifens „Der große Krieg 70/71“ wurde Mitte September als „historische Sensation“ für Gladbeck angekündigt.

Immer häufiger fehlten auf den Zechen die Arbeiter

Partie am Rathaus mit der Hochstraße um das Jahr 1920.
Partie am Rathaus mit der Hochstraße um das Jahr 1920. © Sammlung Opora

Immer deutlicher wurde schon Ende 1914, dass den Zechen die Arbeitskräfte fehlten, sie aber dennoch die kriegswichtige Kohle liefern mussten. Bergarbeiterinnen ersetzten mehr und mehr die Kumpel, anfangs nur über Tage, später auch unter Tage, zumindest an den Füllörtern. Ab Frühsommer 1915 kamen auch Kriegsgefangene in den Gruben zum Einsatz, sie waren in vier Gefangenenlagern nahe der Zechen untergebracht.

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Die Versorgungslage der Bevölkerung wurde von Jahr zu Jahr dramatischer. Der traurige Steckrübenwinter 1916/17 tat sein übriges, Lebensmittel waren längst rationiert. Schon lange waren die Gladbecker ernüchtert, was den Krieg und die Durchhalteparolen anbelangten. Die Menschen waren erschöpft und empfanden die Lage als aussichtslos. Anfang November 1918 war die Versorgungslage katastrophal, die Arbeitsbedingungen waren schwierig. Das Stadtbild wurde von verkrüppelten Männern geprägt, die aus dem Feld zurückgekehrt waren, aber auch von unterernährten Frauen und Kindern.

Die Novemberrevolution verlief in ruhigen Bahnen

In Gladbeck-Ost entstanden neue Wohnquartiere – hier die Erlenstraße um 1920.
In Gladbeck-Ost entstanden neue Wohnquartiere – hier die Erlenstraße um 1920. © Sammlung Opora

Es gab zu wenig Arbeit, Lebensmittel waren rationiert – wenn, dann bekam man sie auf Marken. Nicht selten starben zurückgekehrte Soldaten an Kriegsverletzungen. Viele Gladbecker litten in der Folge an Krankheiten, insbesondere die große Grippewelle im Winter 1918/19 forderte viele Opfer. Auch die gefährliche Ruhr breitete sich aus. Vor allem Frauen und Mädchen starben daran.https://www.waz.de/staedte/gladbeck/im-jahr-1909-kommt-die-strassenbahn-gladbeck-wird-mobil-id227076597.html

In eher geordneten Bahnen verlief in Gladbeck die Novemberrevolution 1918. Es gab weder Krawalle noch Blutvergießen. Am Abend des 9. November 1918 bildete sich im Beisein von Amtmann Dr. Michael Jovy, der erst seit Januar 1918 den Posten als Nachfolger von Heinrich Korte, der nach 32 Jahren in den Ruhestand gegangen war, innehatte, im Amtshaus ein Arbeiter- und Soldatenrat. Der übernahm die „Macht“ in der Stadt. Er erließ „zur Aufrechterhaltung der Ordnung“ Verfügungen, u.a. ein Ausgangsverbot ab 20 Uhr. 60 Hilfspolizisten halfen bei der Sicherstellung von Ruhe und Ordnung. Der Arbeiter- und Soldatenrat arbeitete eng mit Polizei und Amtsverwaltung zusammen.

Tausende Menschen strömten auf dem Rathausplatz zusammen

Das Lyceum an der Viktoriastraße, Blick Richtung Friedrichstraße, etwa 1910. Heute steht dort das neue Rathaus, hinten (das helle Haus ist das Bankhaus Küster) ist heute der Rathausparkplatz.
Das Lyceum an der Viktoriastraße, Blick Richtung Friedrichstraße, etwa 1910. Heute steht dort das neue Rathaus, hinten (das helle Haus ist das Bankhaus Küster) ist heute der Rathausparkplatz. © Archiv Heimatverein

Am Sonntag, 10. November, berichtete die Gladbecker Zeitung mit Sitz gegenüber dem Amtshaus im Sonderdruck über die Ereignisse. Tausende Menschen strömten auf den Rathausplatz, um Neues zu erfahren. Es blieb aber ruhig. Am Abend hissten auswärtige Soldaten eine rote Fahne auf dem Rathaus. Tags drauf, am 11. November, erreichte die Gladbecker die Nachricht vom Kriegsende.

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Sie wurde „mit erleichterndem Aufatmen lebhaft begrüßt“. Amtmann Jovy, der mit der „neuen Bewegung“ zusammenarbeitete, versuchte, die schwierigen Verhältnisse in der Stadt in den Griff zu bekommen. Er erwies sich als tatkräftig und zupackend, wie es in den Annalen heißt, und zeigte dem kriegsgeschundenen Gladbeck in der Folgezeit den Weg in die Zukunft.

1916: Der erste Sozialdemokrat im Gemeinderat

Erst mit der Industrialisierung entwickelten sich in Gladbeck Parteien. Eine „Zechenpartei“ startete etwa 1890 mit Bergleuten. 1898 gründete sich als Konkurrenz eine „Bürgerpartei“ mit der kommunalen Elite an den Schalthebeln.

Die Gründung der SPD liegt ein wenig im Dunkeln. Seit Ende des 19. Jahrhunderts verzeichnete ein „Überwachungsbericht“ des Amtmanns „sozialdemokratische Agitatoren“. Wahrscheinlich, so Historiker Rainer Weichelt, kam es kurz nach der Jahrhundertwende zu Gründung der Partei.

Bei den ersten Kommunalwahlen 1903 traten neben der SPD das Zentrum, Nationalliberale und die Polenpartei an, die sich ebenfalls gegründet hatten. Erst 1916, mitten im ersten Weltkrieg, kam mit Heinrich Krahn ein erster Sozialdemokrat in der Gemeindevertretung.

100(0) Jahre Gladbeck: Bisherige Folgen in der Übersicht

In 2019 wird die Stadt Gladbeck 100 Jahre alt. Anlass für uns, die Geschichte Gladbecks, die vor 1000 Jahren begann, in Serie darzustellen. Quellen sind die Bücher „Geschichte der Stadt Gladbeck“ von Rainer Weichelt, „Gladbeck“ von Harald Neumann, „Verdrängte Jahre – Gladbeck unterm Hakenkreuz“ von Frank Bajohr, „Feuersturm an der Ruhr“ aus dem Klartext-Verlag, die Dokumentation „Glabotki ist nicht!“ von Erna-Johanna Fiebig und Rainer Weichelt, die Chronik „40 Jahre Amt Gladbeck“ von Ludwig Bette (von 1925), Expertisen aus dem Stadtarchiv sowie verschiedene Aufsätze von Heimatforschern.

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