Eine Lesung mit Musik und Vorträgen erinnerte im Rahmen des Gladbecker Stadtjubiläums an den harten Arbeitskampf der Bergarbeiter vor 130 Jahren.

Der Namenszug des Bergmanns- und Geschichtsvereins der Zeche Moltke 1/4 prangte auf den blauen T-Shirts, die sich seine Mitglieder am Mittwochabend zu Ehren eines besonderen Gedenktages übergestreift hatten. Der Vereinsvorsitzende Walter Hüßhoff hatte die Idee, an den 8. Mai 1889, den Bergarbeiterstreik vor 130 Jahren, mit einer kulturellen Veranstaltung zu erinnern. Kumpel aus dem gesamten Ruhrgebiet hatten damals für einen gerechten Arbeitslohn und ein menschenwürdiges Leben gekämpft. In Gladbeck kamen bei dem Streik drei Menschen ums Leben, fünf wurden verletzt.

Es erklingen Lieder und Gedichte von Zeitzeugen

Der kleine Raum im KARO (Jugendkunstschule) an der Schachtstraße konnte die vielen Gäste und Vereinsmitglieder kaum aufnehmen, die sich für das Thema interessierten. Für den musikalischen Rahmen sorgte Norbert Gerbig mit seiner Gitarre und Liedern des Komponisten Hans Eisler (1898-1962) sowie des Bergarbeiters und Arbeiterdichters Heinrich Kämpchen (1847-1912), wobei die Anwesenden gerne in den Gesang mit einfielen.

„Wir haben Glück, im geeinten Europa zu leben“

Darüber hinaus erinnerte Hüßhoff in seiner Begrüßung auch an das Ende des 2. Weltkrieges am 8. Mai 1945 – „die Befreiung Deutschlands vom Faschismus. Da sollten wir kurz inne halten“ –, an die Gründung der ersten Gewerkschaften im gleichen Jahr sowie an das Ende der britischen Besatzung vor 70 Jahren und die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl 1951, die heutige Europäische Union. „Wir haben das Glück, in einem geeinten Europa zu leben, deshalb ist es wichtig, am 26. Mai zur Wahl zu gehen“, so Hüßhoffs Aufruf, womit er eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart schlug.

Von Heinrich Kämpchen stammt „Arbeitsbrüder“

Ratsfrau Annette Wünnenberg, Sieglinde Nendza, Stephan Mrezar und Bürgermeister Ulrich Roland bestritten die Lesung, die quer durch die Arbeiterliteratur des Ruhrgebiets ging. Mal sind es melancholische, mal recht verzweifelte Texte, wie der von Ilse Kibgis (1928-2015) aus Gelsenkirchen: „Nur bei den Bergleuten / im Bauch der Erde / und bei den Arbeitern in den Fabriken / ist immer / November.“ Es folgten Josef Büscher (1918-1983) und der unvergessene Heinrich Kämpchen mit seinem Gedicht „Arbeitsbrüder“, wo es heißt: „Und sind wir eins im Leiden, wir müssten Toren sein, wenn wir im Kampf zum Bess’ren, uns wollten noch entzwei’n.“ Hier klingen die positiven Werte an, die der Streik ins Bewusstsein der öffentlichen Meinung gerückt hatte, zum Beispiel der Begriff der Solidarität.

Die Pflege des bergbaulichen Kulturguts

Am Abend waren auch Vertreter der Deutschen Montan Technologie für Lehre und Bildung (DMT, Bochum) anwesend.

Der Verein fördert die Forschung über den Steinkohlenbergbau, die Pflege bergbaulichen Kulturgutes und er berät und betreut die Geschichtsvereine im Ruhrgebiet.

Museumsleiter Alexander Borchard machte diesen Effekt in seinem historischen Abriss deutlich. So titelte beispielsweise die zeitgenössische Fachliteratur über den Streik: „Sie erkannten ihre Macht“ oder „Selbstbewusstsein und Solidarität“. Aber das wichtigste Ergebnis, das die Bergarbeiter errungen hatten, war wohl das 1. Arbeitsschutzgesetz, das 1891 in Kraft trat. Die Zuhörer waren zum Ende der gelungenen Veranstaltung nachdenklich, auch ergriffen durch die eindrücklich vorgetragenen Texte. Darunter Ralph Eberhard Brachthäuser, der „letzte Pfarrer von Heilig Kreuz“, der es folgendermaßen zusammenfasste: „Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets, und für mich ist es absolut wichtig, die Erinnerung zu bewahren und im Blick zu behalten.“