Dahlhausen/Linden. . Der berühmte Arbeiterdichter Heinrich Kämpchen wäre dieser Tage 170 geworden. Er lebte und arbeitete in Dahlhausen, begraben ist er in Linden.
Er schrieb gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung, gab dem Alltag, dem Elend, aber auch der Hoffnung und den Kämpfen der Bergleute eine Stimme: Der Arbeiterdichter Heinrich Kämpchen wurde vor 170 Jahren in Altendorf an der Ruhr geboren. Er lebte und arbeitete in Dahlhausen, sein Grab ist auf dem Lindener Friedhof.
Wofür oder wogegen würde Heinrich Kämpchen wohl heute mit Worten kämpfen? Wahrscheinlich gegen Arbeitslosigkeit und Kinderarmut, gegen Leiharbeit und für mehr soziale Gerechtigkeit. Denn das waren zum Teil schon im auslaufenden 19. und dem beginnenden 20. Jahrhundert die Themen, die Kämpchen beschäftigten.
Einzigartige Chronik
Mutig und unerschrocken benannte der Sohn und Enkel eines Bergmanns die damaligen Missstände, nahm dafür sogar in Kauf, seinen Beruf und damit sein Einkommen zu verlieren. Mit seinen Gedichten, die manchmal pathetisch, oft anklagend, aber niemals verherrlichend waren, schuf er eine einzigartige Chronik der damaligen sozialen und politischen Verhältnisse – weit entfernt von der verklärenden Kumpel-Romantik der heutigen Zeit.
Zwei Jahre Privatunterricht
Als Heinrich Kämpchen am 23. Mai 1847 zur Welt kam, war sein beruflicher Weg bereits vorgezeichnet. In einer Region, die fast ausnahmslos von Kohle lebte, nichts Ungewöhnliches. Schon sein Vater und sein Großvater arbeiteten unter Tage. Dennoch legte sein Vater Wert auf eine gute Bildung und ließ dem Sohn nach der üblichen Volksschule noch zwei Jahre Privatunterricht angedeihen. Das erklärt seine gute Allgemeinbildung, seine Ausdrucksweise und die Kenntnisse in der literarischen Formenlehre und der Metrik.
Mit 16 zum ersten Mal unter Tage
Mit 16 fuhr Kämpchen zum ersten Mal auf der Zeche Hasenwinkel in Dahlhausen ein, wohin die Familie verzogen war. Und dort erfuhr er hautnah die Verelendung des einst so stolzen Berufsstandes. Mit dem preußischen Berggesetz von 1865 wurde der Bergbau privatisiert. Mit der Folge, dass sich die Arbeitsbedingungen drastisch verschlechterten. Kämpchen begann, alles aufzuschreiben. Die Not der Arbeiter und Familien, Grubenunglücke, Streiks. Wie besessen hielt er seine Gedanken selbst unter Tage auf Butterbrotpapier im Schein der Grubenlampe fest.
Streik im Ruhrbergbau war prägend
Als 1889 der große Streik im Ruhrbergbau losbrach, war das die große Zäsur im Leben Kämpchens. Die Beschäftigten wählten ihn ins Streikkomitee. Mit der Folge, dass die Bergwerksbesitzer ihn auf die „Schwarze Liste“ setzten. Dadurch verlor er nicht nur seine Arbeit, das war ein Berufsverbot. Der soziale Abstieg war schmerzhaft: Kämpchen wohnte bis zu seinem Tod am 6. März 1912 als Kostgänger bei einer Bochumer Familie, erhielt eine karge Invalidenrente.
Autor für die Bergarbeiter-Zeitung
Vom Schreiben hielt ihn das aber nicht ab. Unbeirrt blieb er Chronist der Bergleute, trat in die SPD ein und schrieb bis zu seinem Tod für die Bergarbeiter-Zeitung, dem Organ des neuen „Alten Verbandes“, Vorläufer der IG Bergbau.
Fortan erschienen seine Gedichte stets auf der ersten Seite – die Redaktion wusste um die ungeheure politische Kraft seiner Texte. Kämpchen rief in ihnen immer wieder zur Einigkeit im Kampf gegen die Arbeitsbedingungen auf.
„Seid einig, seid einig! – dann sind wir auch frei . . . wir sind ein Riese, wenn wir geeint und können dann trotzen jedwedem Feind“, lauten die berühmten Zeilen seines internationalen Knappenliedes.
>>> „... und sein Schwer war das Lied“
Die Inschrift für seinen Grabstein verfasste Kämpchen einst selbst. „Blickt hin zur Gruft, die ihr vorüber geht. Ein Sohn des Volkes schläft hier, ein Poet. Für Recht und Freiheit hat sein Herz geglüht – er war ein Kämpfer und sein Schwert das Lied.“
Als Heinrich Kämpchen 1912 im Alter von 64 Jahren für immer verstummte, da begleiteten ihn mehrere tausend Bergleute auf seinem letzten Weg. Sein Ehrengrab findet sich heute nicht weit entfernt auf dem Friedhof an der Nöckerstraße in Linden.