Gladbeck. . Beim Winterabend im Museum Gladbeck tauschten sich Vereinsvertreter und Publikum über das heimelige Gefühl aus. Tradition und Vertrautheit zähen.

„Heimat“ begegnet uns auf Schritt und Tritt. Was vor kurzem noch als „muffig“ und altbacken – eben von gestern – verpönt war, ist aktuell en vogue. Ein verzückt dreinblickendes Mädchen wirbt für Fritten, für die Kartoffeln aus heimischem Anbau verwendet worden seien. Ins Glas kommt Heimat-Milch; „Pott-Becher“ dokumentieren Rückbesinnung auf den Bergbau, der bald Geschichte ist. Und der Imbiss wird zum Heimat-Grill. Das Themenfeld ist der Politik sogar ein eigenes Ministerium wert – und etlichen Gladbeckern einen Diskussionsabend im Museum der Stadt.

Herzensangelegenheit statt Kopfsache

„Was ist Heimat? – Eine Annäherung“ war der Winterabend im Museum überschrieben. Und mehr als eben dieses, das Ausloten des Begriffes in all seiner vielschichtigen Bedeutsamkeit, dürfte wohl auch nach mehreren Abenden des Austauschs nicht möglich sein. Ist Heimat doch eher Herzensangelegenheit denn Kopfsache. Hubert Kurowski, Heimatforscher aus Gelsenkirchen-Erle: „Heimat ist bestimmt von Stimmungen, Emotionen, Nervosität und Angst.“ Das könne den Boden für Populismus bereiten.

Kurt Wardenga, Vertreter des Knappenvereins auf dem Podium, zitierte Herbert Grönemeyer, der mit dem Lied „Bochum“ den Revier-Bewohnern aus dem Herzen sprach: „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl.“ Wadenga lebt seit Jahrzehnten im Pestalozzi-Dorf. Hier war Heimweh früher zweifelsohne ein großes Thema, schließlich waren blutjunge Berglehrlinge aus allen denkbaren Gegenden in für sie fremde Familien einquartiert. Wardenga: „Die Gaststätte, wo wir geschwoft haben, war für meine Frau und mich Heimat.“ Was belegt: Das Gefühl ist verbunden mit Vertrautheit und Wohlfühlen.

Siehe Werner Hülsermann, den Moderator Walter Hüßhoff scherzhaft als „Bürgermeister von Rentfort“ vorstellte. Der gebürtige Oberhausener zog 1981 nach Gladbeck, sagt heute: „Ich möchte hier nicht mehr weg.“ Er knüpfte Kontakte, engagiert sich nicht nur in der Siedlergemeinschaft, integrierte sich in die Gemeinschaft. Kurowski: „Heimat hat viel mit Vertrauen zu tun: Man kennt sich, muss ich nicht erklären.“

Gemeinsame Werte, Erinnerungen, Sprache, Tradition – als dies, so war aus dem Publikum zu hören, vermittelt „Heimat“. Von Nostalgie oder gar Kitsch könne keine Rede sein, verwahrte sich eine Besucherin. Schließlich würden schlimme Ereignisse, wie Kriegszeiten, ja nicht verklärt.

Nur was man kennt, schätzt man

Viele Dichter und Denker bemühten sich, die Vokabel inhaltlich zu fassen. Wie Christian Morgenstern: „Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird.“ Eine Aussage, die Weinhändler Martin Volmer nachvollziehen kann. Er, der Liebe wegen nach Gladbeck gezogen, definierte: „Heimat ist, wo ich meine Kontakte habe.“ Zehn Jahre habe er in Düsseldorf gearbeitet, sei dort aber nie heimisch geworden: „Die Menschen dort sprechen eine andere Sprache.“ Im überschaubaren Gladbeck kenne man sich, komme miteinander ins Gespräch.

Gladbeck bleibt „Stiefstadt“

In die Fremde verschlug es Karl-Heinz Leitzen, in Königsberg geboren, im Örtchen Succase in Westpreußen aufgewachsen. „Das war immer mein Bezugspunkt“, sagt der Senior. Anno 1948 kam er nach Gladbeck. Doch wenn er „Heimat“ hört, sind sie da, die Bilder der Vergangenheit. Spricht Leitzen, wird seine Sehnsucht fast greifbar: „Ich freue mich über Gladbeck, liebe es im allgemeinen auch. Aber es ist für mich immer eine Stiefstadt.“

Heinz Enxing, Vorsitzender des Heimatvereins, betonte: „Nur was man kennt, kann man schätzen.“ Deswegen sei er bemüht, die Besonderheiten Gladbecks zu vermitteln. Er stelle eine Verbundenheit zur Kirche fest, die sich bei Abrissplänen offenbare. Deshalb mahnte er: „Es heißt nicht von ungefähr: Die Kirche im Dorf lassen.“

Jungen Menschen Stadt näher bringen

Hüßhoff bemüht sich, jungen Menschen Gladbeck mit seiner Geschichte nahe zu bringen, denn auch die Identifikation mit einem Ort kann Heimatgefühle wecken. Diese kommen im „Pott“ auch auf, wenn man gemeinsam das Steigerlied singt und zum Abschluss des Abends gemeinsam Schnäppsken genießt.