Gelsenkirchen.

Weiter geht’s im Faktencheck des WAZ-Leserbeirates zur Bundestagswahl. Heute beschäftigen sich die Fragen an die Direktkandidaten mit dem Thema Bildung.

Die Antworten von Joachim Poß (SPD)

1. Wie kommen wir zu besseren Bildungsstandards für alle Generationen? Geld ist beim Thema Bildung nicht alles. Aber ohne ausreichend Geld ist alles nichts. Deshalb ist auch hier Ehrlichkeit gefragt: Gute Kinderbetreuung, gute Schulen und leistungsfähige Universitäten wird es nicht zum Nulltarif geben. Wer also Dumpingsteuersätze für alle verspricht, der kann am Ende nur wohlfeile Sonntagsreden zur Bildung halten. Außerdem gilt: Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe!

2. Wie sieht Ihrer Meinung nach erfolgreiche Integration aus, was können beide Seiten dafür leisten? Wer dauerhaft bei uns leben möchte, der muss sich an bestimmte Spielregeln halten, die innerhalb der Mehrheitsgesellschaft gelten. Absolut grundlegende Voraussetzung für gelungene Integration ist die Bereitschaft, sich ausreichende Sprachkenntnisse anzueignen. Die Mehrheitsgesellschaft sollte aber denjenigen, die diese Anstrengungen unternehmen, mit Offenheit gegenübertreten; manchmal fehlt uns vielleicht eine Art Willkommenskultur.

3. Sprechen Sie sich für die sofortige und umfassende Umsetzung der EU-Charta zur „Inklusion in Schulen“ aus? Inklusiver Unterricht, stellt hohe Anforderungen baulicher, unterrichtstechnischer und pädagogischer Art. Aber was uns in Gelsenkirchen bereits im Kindergartenbereich gelungen ist, das sollte auch im Schulbereich möglich sein. Dazu muss aber für Schulen und Lehrer auch endlich Unterstützung von einer neu zu wählenden Bundesregierung kommen, damit das Menschenrecht auf Inklusive Bildung in Deutschland endlich verwirklicht werden kann.

4. Soll Bildung künftig unter der Regie des Bundes einheitlich für alle ausgestaltet werden? Wir wollen, dass endlich das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bereich Bildung fällt; auch damit der Bund sich bei wichtigen Aufgaben wie Kinderbetreuung bzw. Ganztagsschulen angemessen finanziell beteiligen kann.

Die Antworten von Irene Mihalic (Grüne) 

1. Wie kommen wir zu besseren Bildungsstandards für alle Generationen? Durch die Abschaffung des Betreuungsgeldes können wir im Bund 1 Mrd. Euro in Kinderbetreuungsangebote investieren. Deutschlandstipendium und Bildungssparkonto sind ungeeignet. Wir wollen 1 Mrd. jährlich in Studienplätze und bessere Bedingungen an Hochschulen investieren - ohne Gebühren. Zur Finanzierung des Lernens im Alter wollen wir ein Weiterbildungs-BAföG ohne Altersgrenze einführen.

2. Wie sieht Ihrer Meinung nach erfolgreiche Integration aus, was können beide Seiten dafür leisten? Kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit sind ein Gewinn für alle. Integration kann nicht „von oben” verordnet werden, aber es müssen die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu gehört eine Einbürgerungsoffensive, die Abschaffung des Optionszwangs, die generelle Erlaubnis der Mehrstaatigkeit und die unbürokratische Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Außerdem müssen die Qualität von Integrationskursen sowie die Sprachförderung in den Kitas verbessert werden.

3. Sprechen Sie sich für die sofortige und umfassende Umsetzung der EU-Charta zur „Inklusion in Schulen“ aus? Dies würde die sofortige Schließung der Förderschulen bedeuten; das würde aktuell alle Beteiligten überfordern. Wir wollen, dass jedes Kind, das ab 2014 eingeschult wird – also in die 1. oder 5. Klasse –, einen Anspruch auf einen Platz an einer Regelschule hat. Wir begreifen die Inklusion in den Schulen als Prozess. Dabei gilt Sorgfalt vor Schnelligkeit.

4.Soll Bildung künftig unter der Regie des Bundes einheitlich für alle ausgestaltet werden? Um die Zusammenarbeit zu verbessern, wollen wir das Grundgesetz ändern und das Kooperationsverbot in der Bildung aufheben. Außerdem setzen wir uns für bundesweit verbindliche und einheitliche Standards in Lehrfächern und bei Abschlüssen ein.

Die Antworten von Oliver Wittke (CDU) 

1. Wie kommen wir zu besseren Bildungsstandards für alle Generationen?: Wesentlicher Kern des Schulkonsenses zwischen CDU, SPD und Grünen im Land ist die Garantie von Schulvielfalt. Nur so können Kinder individuell gefördert und gefordert werden. Darum darf keine Schule aufgegeben werden, die ausreichende Schülerzahlen hat und darum ist es falsch, die beliebteste Realschule der Stadt, die Gerhard-Hauptmann-Realschule, zu schließen.

2. Wie sieht Ihrer Meinung nach erfolgreiche Integration aus, was können beide Seiten dafür leisten? Mit der Einführung von Sprachtests und Sprachförderung ist durch die damalige CDU-geführte Landesregierung ein wichtiger Beitrag zur Integration geleistet worden. Ohne deutsche Sprache keine Integration! Jetzt müssen auf deutscher Seite Wissenslücken (z.B. über den Islam) gefüllt werden, weil sie häufig Ursachen für Ängste sind. Zuwanderer müssen sich stärker als bisher in unsere gemeinsame Gesellschaft einbringen. Und die muss deutlich machen, dass ein solches Engagement auch ausdrücklich willkommen ist.

3. Sprechen Sie sich für die sofortige und umfassende Umsetzung der EU-Charta zur „Inklusion in Schulen“ aus? Wir müssen bei der Inklusion vorankommen aber aufpassen, dass wir nicht von einem Extrem ins andere fallen. Nachdem jahrzehntelang Kinder mit Handicaps ausgesondert und in ‚Sonderschulen‘ unterrichtet wurden, kann man sie jetzt nicht sofort zu 100 Prozent in Regelschulen integrieren. Maßstab für die Antwort auf „Integrativ oder differenziert?“ muss immer die individuelle Situation des Kindes sein.

4. Soll Bildung künftig unter der Regie des Bundes einheitlich für alle ausgestaltet werden? Nein. Der Wettbewerb zwischen den Bundesländern bringt auch höhere Qualität.

Die Antworten von Ingrid Remmers (Die Linke) 

1. Wie kommen wir zu besseren Bildungsstandards für alle Generationen? Durch eine individuelle Förderung aller Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen unabhängig von ihren sozialen und persönlichen Voraussetzungen. Dafür braucht es eine sofortige Aufstockung der öffentlichen Bildungsausgaben und bessere Rahmenbedingungen in Bund, Ländern und Kommunen.

2. Wie sieht Ihrer Meinung nach erfolgreiche Integration aus, was können beide Seiten dafür leisten? Statt verhetzender Debatten brauchen wir gezielte Förderangebote und ein Verständnis von Integration als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir fordern gleiche soziale und politische Teilhabe und umfassende demokratische Mitbestimmungsrechte für hier lebende Migranten. Wir setzen uns deshalb ein für Einbürgerungserleichterungen und ein Wahlrecht auf allen Ebenen für alle dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen.

3. Sprechen Sie sich für die sofortige und umfassende Umsetzung der EU-Charta zur „Inklusion in Schulen“ aus? Ja. Unser Ziel ist die Überwindung des gegliederten Schulsystems durch Gemeinschaftsschulen als inklusive Ganztagsschulen mit kleineren Lerngruppen und mehr Lehrern, Schulsozialarbeitern und pädagogischen Fachkräften. Vorerst müssen die Bedingungen geschaffen werden, damit Förderschulen überflüssig werden.

4. Soll Bildung künftig unter der Regie des Bundes einheitlich für alle ausgestaltet werden? Nein. Wir wollen keine einheitliche Bildungspolitik unter Regie des Bundes. Jedoch müssen Bund und Länder in der Bildung an einem Strang ziehen um notwendige Reformen flächendeckend zu ermöglichen. Dazu muss das Kooperationsverbot aufgehoben und eine Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz verankert werden.

Die Antworten von Marco Buschmann (FDP) 

1. Wie kommen wir zu besseren Bildungsstandards für alle Generationen? Die Politik muss aufhören, auf dem Rücken von Schülern, Eltern und Lehrern immer neue ideologische Strukturdebatten zu führen. Was sich bewährt hat, das soll man stärken und nicht schwächen. Bewährt haben sich insbesondere viele Gymnasien und Realschulen. Ihnen soll man nicht das Wasser abgraben. Wir dürfen aber nicht erst in der Schule anfangen. Schon im frühen Alter müssen Kinder entsprechend ihrer Leistung gefördert oder gefordert werden. Etwa durch das Bundesprogramm „Offensive Frühe Chancen“.

2. Wie sieht Ihrer Meinung nach erfolgreiche Integration aus, was können beide Seiten dafür leisten? Sprache, Bildung und sozialer Aufstieg sind zentrale Eckpunkte für gelungene Integration. Denn die Sprache ist die gemeinsame Basis, Bildung ist der Schlüssel zum Aufstieg und wer einen ordentlichen Berufseinstieg findet, hat meist keine Integrationsprobleme.

3. Sprechen Sie sich für die sofortige und umfassende Umsetzung der EU-Charta zur „Inklusion in Schulen“ aus? Inklusion ist eine Generationenaufgabe, die in vollem Gange ist, aber realistischer Weise auch noch dauern wird. Denn das angestrebte Ziel der vollständigen Inklusion ist mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden.

4. Soll Bildung künftig unter der Regie des Bundes einheitlich für alle ausgestaltet werden? Die FDP will mehr Vergleichbarkeit zwischen den Ländern bei der Bildung. Denn niemand hat hier Verständnis für Kleinstaaterei. Für die Übertragung von Bildungsaufgaben auf den Bund wäre eine Verfassungsänderung nötig, die immer lange auf sich warten lässt. Viel schneller könnten wir über einen Bildungsstaatsvertrag zu Erfolgen kommen, der Standards festlegt. Die FDP in den Landesregierungen in Bayern und Sachsen hat hier bereits zu Beginn dieses Jahres einen Vorstoß gemacht.