Gelsenkirchen. . Mit Reproduktionen von Wirklichkeit leisten das Label Hinterland und der Kunstverein Gelsenkirchen ihren Beitrag zur Emscherkunst.2013. Mode, Filme und Designobjekte in übersteuerter Darstellung zwingen den Betrachter mit dem zweiten Blick zur kritischen Auseinanderstezung mit der Realität,

Ihre erste Assoziation bei dem Gedanken an Österreich? Opulente Gebirgspanoramen, Blumenteppiche auf saftigen Almwiesen, Senner mit gegerbten Gesichtern, die zwischen träge wiederkäuenden Kühen, die Heuernte einbringen, geduldig die Sense schwingend. Solch Ästhetik vermag zwar eine Flut von heimeligen Empfindungen auszulösen, aber wohl kaum einen kritischen Gedanken.

Hier setzt die Installation von „Hinterland“ auf der Emscherinsel in Oberhausen an. Dort, im Containerdorf der Kunstvereine Ruhr, lässt das Wiener Label Landschaften wandern – auf Mode, Objekten sowie in Filmen. Die Schau ist Teil der Emscherkunst.2013 und ist ab heute, 19 Uhr, bis Mittwoch (28.) zu sehen. Eine Schar internationaler Künstler spielt auf Einladung des Kunstvereins Gelsenkirchens mit dem Klischee, wie Österreich sich gerne sieht – Natur verbunden, bodenständig – und bricht es mit viel Ironie auf.

Archetypen aufbrechen

„Röcke ohne Körper etwa wandern zu Musik an den Wänden entlang“, beschreibt Gudrun Wallenböck vom Wiener Label Hinterland das, was den Besucher erwartet. Catwalk verkehrt sozusagen, denn der Betrachter steht im Zentrum, eben dort, wo gemeinhin Models ihrer Arbeit nachgehen. Die Motive der Röcke – zusammengesetzt aus zwei Schürzen, allesamt Handarbeit und Unikate – reichen von Gartenzwergen bis hin zu verschneiten Gipfeln. Neben der Animation von archetypischen Veduten (wirklichkeitsgetreue Darstellungen) setzen sich einmütige Filme der Künstler „mit dem schwer zu fassenden Begriff Hinterland auseinander“.

Für die Japanerin Midori Mitamura beispielsweise bedeutet der Name ein kleines Paradies am oder hinter dem Haus, ein Garten – was in Europa üblich ist, trägt in der drangvollen Enge Tokyos groteske Züge. Unvorstellbar, ebenso wie japanischer Rock-Pop von Pizzicato Five als akustische Untermalung anstatt die einer Trachtengruppe mit Zitter und Akkordeon.

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Abseits von Radetzkymarsch und Mozartkugel brechen ebenso irritierend dekorative Motive auf Badeanzügen und Bikinis das Heile-Welt-Bild Österreichs auf. Dass Büsche und Bäume an exponierter Stelle weibliche Rundungen dabei zieren, mag manch einer erst auf den zweiten Blick feststellen; wenn überhaupt. Von Sexismus jedoch sind die Designerobjekte mindestens so weit entfernt wie die von der Erde abgewandte Seite des Mondes – ein „One-Minute“-Filmmotiv von Siegfried Fruhaufs, auch einer der mitwirkenden Künstler.