Oberhausen. . 1000 Zelte hat der chinesische Künstler Weiwei für die Emscherkunst bedruckt. Wie schläft es sich darin? Wir haben Probe gelegen - in einer regnerischen Nacht

Um 0.46 Uhr stellt sich die Frage, was diese Kunst alles aushalten kann. Laut knallen Regentropfen auf den Zeltstoff. Der Wind peitscht gegen die Plane. Irgendwo löst sich ein Hering aus der Wiese. Im Laternenlicht der Lindnerstraße zeichnet sich auf den schwarzen Zeltwänden mit vier weißen Großbuchstaben ein englischer Fluch ab, frei übersetzt: „Mist“.

1000 unterschiedlich bedruckte Zelte hat der chinesische Künstler Ai Weiwei zur diesjährigen Open-Air-Kunstmeile „Emscherkunst“ nach Deutschland geschickt. Jeder kann sie mieten, um in ihnen an zehn ausgesuchten Plätzen in Emscher-Nähe zu übernachten. Zum Start lagen wir in einem der Kunstwerke Probe.

Der Aufbau

Bis 18 Uhr müssen die Zelte abgeholt werden. Flaggen am Eingang des Stadtsportbundgeländes leiten in das Künstlerdorf, das zur Ausstellung auf der Emscherinsel an der Lindnerstraße aufgebaut wurde. Im blau gestrichenen Zelt-Container steht Patrick, der nach dem Personalausweis für den Mietvertrag fragt. 12 Euro kostet die Nacht im Kunstzelt, das er in einer Tasche samt Gummihammer vom Regal hebt. Schon die Tasche hat Aussagekraft: „Bürger sollte die Verantwortung haben zu handeln“, ließ Weiwei darauf drucken.

„Anleitung ist drin“, sagt Patrick. Wenn du Hilfe brauchst, komm wieder.“ Natürlich gibt’s ein Wiedersehen: Die Heringe fehlen. Fünf Minuten später steht das Zelt. Es ist schwarz, trägt vier Buchstaben und riecht neu.

Die Nachbarn

Der Camp-Platz liegt an der Lindner­straße. Neun Zelte stehen vor, acht auf einem Wall. Dort fotografieren sich Andreas und Anke, beide Mitte 40, gerade vor ihrem mit verbogenen Eisenstangen bedruckten Zelt. Aus Mannheim komme er, sie aus Heidelberg, nach Oberhausen seien sie wegen der Christo-Ausstellung im Gasometer gefahren. Zelten sei nicht sein Ding, sagt Andreas. Ihm geht es um die Kunst. „Hier ist man Teil eines Kunstwerks, das hat mich fantasiert.“

Zelt mieten

Ein Künstlerzelt mieten kann man unter www.emscherkunst.de (12 Euro). Die Zelte werden unter allen Campern später verlost.

Rund um einen Bollerwagen haben es sich zwei Pärchen mit Thermoskanne gemütlich gemacht. Nebenan pumpt ein Papa die Luftmatratze auf. Einer erzählt, dass zwei Mädchen ihr Zelt an den Rhein-Herne-Kanal getragen haben, für ein Foto. „Vielleicht dachten sie, das sei die Emscher.“

Die Nacht

Um 22.31 Uhr sagt Sebastian Dey von der Musikgruppe „Expeditionsteam“ auf der Bühne mit einem Ameisenwitz gute Nacht.

Kinderlachen auf dem Spielplatz, Männerstimmen aus dem Künstlerdorf. Im Toilettenhaus neben dem Volleyballfeld stehen Frauen vor zwei kleinen Waschbecken und putzen sich die Zähne. Im Zelt mit der Luftmatratze brennt noch Licht. Der Nachbarn sagt: „Du bist mit deinem Zelt aber nah an unserem. Ich schnarche.“

Der Morgen danach

Kein Schnarchen, nur der Regen. Dem Wetter hat die Kunst getrotzt – das Zelt ist trocken geblieben. Geschlafen hat es sich bei allem künstlerischen Ansatz, wie in jedem Zelt eben: Harter Boden, kalt war es, irgendwie abenteuerlich.

„Guten Morgen“, sagt Gunnar. Unter einem Pavillon sitzt der 45-Jährige mit Familie und Freunden. Aus Goch kommt die Gruppe, Künstler, Kunstinteressierte. Weil die Familie im Sommer nicht campen könne, sei der EmscherkunstAusflug geplant gewesen, so Gunnar. „Dazu kommt das Besondere der Zelte.“ Schlafen im Kunstwerk, das habe schon was. Nur der Standort findet nicht viel Anklang: Viele Autos fuhren nachts auf der Lindnerstraße. „Jedes Schlagloch war zu hören“, heißt es aus der Gruppe.