Gelsenkirchen. Polizeihauptkommissar Konrad Kordts, Leiter der Pressestelle im Gelsenkirchener Polizeipräsidium, hat seinen letzten Arbeitstag. Ende August wird er offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Er sagt: „44 Jahre und elf Monate, das war eine echt spannende Zeit.“
„Ich kann nicht lügen.“ Wäre der Mann Politiker, man würde spätestens beim Nachleger hämisch lachen: „Ich habe noch nie einen Journalisten belogen.“ Konrad Kordts ist kein Politiker. Sei ihm also geglaubt, dem (Noch-)Pressesprecher der Polizei. Dem „Bollerkopp“, wie ihn manche nennen, dem Bueraner mit der Temperamentsmarke „kurze Zündschnur“, wie eine seiner Töchter es nennt.
Der Polizeihauptkommissar beendet seine Laufbahn nach 44 Jahren und elf Monaten Ende August. Grund: „Ich werde am 12. August 62, daher muss ich gehen.“ Das „Muss“ könnte den Schluss zulassen, Kordts wäre gern geblieben.
Rückblende: Am 1. Oktober 1968 hat der gebürtige Gelsenkirchener seinen Dienst bei der Polizei angetreten. Da hatte er bereits einen Prüfungsnachweis in Mess- und Regeltechnik in der Tasche. Kollegen haben damals gefrotzelt: „Was willst du denn bei der Polizei? Da verdienst du ja nix.“ Kordts Konter: „Ich hatte ein 13. Gehalt, Urlaubsgeld, 75 Prozent Pensionsbezüge.“ Damals.
Das bringt den Mann mit der Unverblümtheit des echten Ruhries auf die aktuelle Tarifsituation und ... klar, auf die Palme. „Wie die Landesregierung mit der Beamtenbesoldung umgeht, ist eine Farce. Man hat die innere Sicherheit erheblich verärgert. Es hat doch keiner mehr Interesse an einem Führungsjob.“
Ein bekennender Tatort-Fan
Soweit der Einschub im Rückblick. Dem 68er Einstand folgten Landespolizeischule Münster, Grundlehrgang bei der Bereitschaftspolizei, Dienst in der Düsseldorfer Altstadt-Wache, ab Mitte 1977 gehobener Dienst als Kommissar. Und am 1. Januar 1978 kehrte Kordts in seine Heimatstadt zurück.
Zunächst kümmerte er sich viele Jahre um Kfz-Delikte. Anschließend wurde der Familienvater Dienststellenleiter im KK 12 – Sitte, Rauschgift, Vermisste. Als „ausgesprochen interessante Zeit“ beschreibt Kordts diesen Abschnitt seiner Laufbahn. Aber: „Ich hatte viel mit den Opfern zu tun.“ Je nach Brutalität der Straftäter keine leichte Aufgabe. Kordts räumt ein: „Ich konnte immer gut abschalten.“ Anders wäre vieles nicht zu ertragen. „Was in meiner Zeit bei der Polizei alles passiert ist ...“ Der bekennende Tatort-Fan („Das Highlight ist Münster, gut gemacht ist Köln“) zählt auf: die wilden 68er, Frauenpower und „die ganz schlimme Zeit der RAF, als die Mörderbande die ganze Republik in Atem gehalten hat“. Was das Verhältnis von Polizei und Medien angeht, hat sich bei dem noch 61-Jährigen das Geiseldrama von Gladbeck im Gedächtnis eingebrannt. „Das hat die Medienlandschaft verändert.“ Zu den bewegenden Ereignissen gehörte natürlich auch die Wiedervereinigung.
Als wäre es gestern geschehen, schildert Kordts seine Erinnerung an die Olympiade 1972. „Ich war in München und bin am 5. September nach Hause gefahren. Auf einem Parkplatz habe ich gepennt – und wurde wach bei klassischer Musik.“ Die Welt hatte gerade von dem Attentat der Terrorgruppe Schwarzer September auf die israelische Olympiamannschaft erfahren.
Dienstliche Erlebnisse mit Höhen und tragischen Tiefen
Die dienstlichen Erlebnisse des Polizeihauptkommissars kommen einer emotionalen Achterbahnfahrt gleich. Gerade noch schwärmte Konrad Kordts von einem seiner persönlichen Highlights, der friedlichen, harmonischen WM 2006 mit tollen Kollegen („An diesem Einsatz gab es nichts zu meckern“).
Dann beschreibt er eine Talfahrt: 1. Mai 2003, Ostpreußenstraße. „Als ich ankam, lagen da vier junge Menschen nebeneinander. Tot. Der fünfte Insasse des Unfallautos ist im Krankenhaus gestorben.“ Das lässt auch einen Haudegen wie Kordts nicht kalt. Und noch ein Tief: Loveparade 2010 in Duisburg. „Wir haben die Kollegen in Duisburg unterstützt.“ Immerhin sollte das Event 2011 in GE statt finden. „Wir hatten schon ein Konzept in der Tasche.“ Doch dann ... „Wir waren im Tunnel. Da lagen bereits 15 Tote, zertrampelt.“ Schlimm sei auch die Nacht gewesen, in der zwei Kollegen in den Hinterhalt gelockt und lebensgefährlich verletzt wurden. Konrad Kordts, seit 37 Jahren mit „einer verständnisvollen Frau“ verheiratet und inzwischen auch Opa, blickt unaufgeregt in seine Zukunft als pensionierter Polizeibeamter. Er freut sich darauf, Zeit zu haben. Nach 44 Jahren und elf Monaten – „einer echt spannenden Zeit“.