Gelsenkirchen. Überschuldete Städte und Gemeinden in NRW sollen wieder handlungsfähig werden. Dafür will das Land sie ab diesem Jahr jährlich mit 350 Millionen Euro unterstützen. Im Gegenzug müssen die Kommunen einen Sanierungskurs einschlagen und bis Ende 2016 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.
34 Städte sollen angesichts ihrer desaströsen Situation in einer ersten Runde von der rot-grünen Landesregierung verpflichtet werden, am „Stärkungspakt“ teilzunehmen – Gelsenkirchen gehört nicht dazu, weil trotz eines geplanten Haushaltslochs von ca. 150 Mio € in 2011 das städtische Eigenkapital bis 2013 nicht aufgebraucht ist.
In der CDU stieß das auf ein gewisses Maß an Unverständnis. „Es wird deutlich, dass die Verteilungskriterien von der Landesregierung falsch gewählt wurden und das Land selbst viel zu wenig Mittel bereitstellt“, hieß es da in einer Pressemitteilung.
Zwischenzeitlich informieren sich Fraktionen bei Kämmerer Dr. Georg Lunemann (CDU) über die „Pakt“-Hintergründe, zumal sich Gelsenkirchen in einer zweiten Runde in 2012 freiwillig per Antrag beteiligen könnte – was mit Blick auf das dann drohende und in seinen Auswirkungen rigide Spardiktat nicht als Heilmittel betrachtet werden kann.
Für die SPD-Fraktion verdeutlicht Fraktionsgeschäftsführer Günter Pruin die Konsequenzen: „Die Teilnahme wäre mit harten Auflagen und gravierenden Einschnitten in das soziale Netz verbunden.“ In Gelsenkirchen solle aber weiter der Satz gelten, dass die demokratischen Fraktionen in Haushalts- und Finanzfragen den Konsens suchen und dass die Stadt nicht kaputt gespart werden soll.
Die Einschätzung des Kämmerers zum Stärkungspakt ist diese: „Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass Landesregierung und CDU der Einsicht erste Taten folgen lassen wollen und Mittel bereit stellen. Aber es gibt auch Probleme, denn die Höhe der Mittel, die fließen sollen, ist viel zu gering. Sie basieren auf einem Gutachten für die Jahre 2004 bis 2008, in dem eine jährliche Haushaltslücke für alle NRW-Kommunen von 2,6 Milliarden Euro errechnet worden ist.“ Und: Diese Betrachtung sei nach einem nicht mehr aktuellen Verfahren erstellt worden. Nach dem heute geltenden Neuen kommunalen Finanzmanagement müssten die Defizite mehr als verdoppelt werden. Auch das Kriterium, welche Kommunen Mittel erhalten sollen, müsse verändert werden. „In einem ersten Schritt muss das Anwachsen der Kassenkredite gestoppt werden, die aktuell für NRW-Kommunen bei 20 Milliarden liegen. Ansonsten könnten die laut Gutachten in den nächsten zehn Jahren auf bis zu 70 Milliarden Euro anwachsen.“
Zwar wird es Haushaltsentlastungen durch den Bund geben, der bis 2014 sukzessive die Kosten für die Grundsicherung im Alter übernimmt (Gegenwert ca. eine Mrd. Euro), doch reicht das angesichts der Schuldenlast, unter der die Städte ächzen, nicht.
Für Gelsenkirchen macht Georg Lunemann für den Fall einer Teilnahme am Stärkungspakt diese Rechnung auf: „Wenn die Stadt ein jährliches Haushaltsdefizit von 120 Millionen Euro hätte, würde sie voraussichtlich eine Finanzspritze von 40 Millionen erhalten. Die anderen 80 Millionen müssten über einen Zeitraum von fünf Jahren eingespart werden.“ Das wären 16 Millionen pro Jahr ab 2012, um Ende 2017 einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren zu können.
Das, sagt der Kämmerer, ginge nicht ohne einschneidende Maßnahmen. Wichtig sei es, dass sich neben dem Land der Bund stärker engagiert, wenn es um die Begleichung der Soziallasten geht.