Gelsenkirchen. . Fehlerhafte Daten aus der Radarfalle? Anwälte wie Arndt Kempgens aus Gelsenkirchen haben Zweifel an der grundsätzlichen Richtigkeit der Tempo-Messungen. Die Polizei vor Ort bleibt gelassen und verweist auf Urteile. Die Rechtsprechung ist hier jedoch nicht eindeutig.

Manch’ Autofahrer dürfte, nachdem er geblitzt worden ist, so seine Zweifel an der zur Last gelegten Überschreitung gehabt haben. Oft zu unrecht, weil die Geräte – Radar, Lichtschranken, Laser – technisch immer ausgefeilter werden. Aber auch nicht selten zu recht; zumindest wenn man den Ausführungen des Gelsenkirchener Anwalts für Verkehrsrecht, Arndt Kempgens , folgt: „Die Gefahr, bei der Messung Fehler zu machen, ist groß.“ Erst vor drei Wochen habe die Stadt Recklinghausen auf seine Intervention 60 Brückenmessungen an der A 2 zurückziehen müssen, weil das Gerät falsch aufgestellt worden sei.

Betriebsgeheimnis des Herstellers

Die Diskussion um die Verwertbarkeit der Messdaten könnte nun neue Nahrung bekommen. Das Amtsgericht Bonn hat jüngst ein Verfahren gegen einen Gelsenkirchener – vertreten durch Kempgens – eingestellt, weil der Herstellers aus patentrechtlichen Gründen den Gutachtern nicht die konkreten Informationen zur Funktionsweise des Messgerätes vorlegen wollte. Dabei handelte es sich um das Gerät Vitronic Poliscan Speed.

Im Raum standen der Vorwurf, 35 km/h zu schnell gewesen zu sein, 180 Euro Geldbuße und ein Monat Fahrverbot. „Der Gutachter konnte daher keine Aussage treffen, ob es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt, also wurde von Strafe abgesehen“, sagt der Jurist.

Sind solche Fälle in Gelsenkirchen bekannt geworden? „Nein“, erwidert Stadtsprecher Oliver Schäfer, „und ein solcher Fall ist hier auch nicht denkbar, weil wir auf Anfrage von Anwälten und Gutachtern die technischen Daten der Geräte zur Verfügung stellen.“ Wie viele Einsprüche es jährlich gegen Buß- oder Verwarnungsgelder wegen zu schnellen Fahrens gibt, darüber konnte Schäfer (noch) keine genauen Angaben machen, gleichwohl räumte er ein, dass es wohl welche geben müsse.

"Messgeräte geprüft und zugelassen"

Dafür spricht allein die Wahrscheinlichkeit, denn die Stadt hat nach Auskunft ihres Sprechers „2012 insgesamt 25.460 Buß- und Verwarnungsgelder notiert, 2472 seitens der Polizei, 22.988 seitens der Verwaltung.“ Schwer vorstellbar, dass alle ertappten „Sünder“ dies klaglos hingenommen haben.

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Von Nikos Kimerlis

Die Gelsenkirchener Polizei schreckt der Gedanke, dass ihre Arbeit womöglich durch sehr geschäftstüchtige Anwälte zunichte gemacht werden könnte, nicht sonderlich: „Unsere Messgeräte“, sagt etwa Polizeisprecher Guido Hesse, „sind durch die Physikalisch Technische Bundesanstalt geprüft und zugelassen. Neu eingeführte Geräte ziehen des Öfteren Einsprüche nach sich, etwaige Klagen sind aber von höchstrichterlicher Stelle abgewiesen worden.“

Gerichte bestätigen die Richtigkeit der Messungen laut Landesamt 

Fehlerquellen bei Tempomessungen sind häufig „falsche Auf- und Visiereinstellung, veraltete Software und Ablesefehler“, berichtet Verkehrsrechtler Arndt Kempgens aus seinem Alltag. Wenn zum Bespiel mit einer Laser-Pistole (Typ Riegl) auf große Entfernung gearbeitet würde, so entstünde ein breiter Messstrahl, der mitunter zwei Fahrzeuge erfasse, so dass sich letztlich nicht sagen lasse, welches Fahrzeug denn zu schnell gewesen sei. Wie viele Einspruchsverfahren er pro Jahr betreut, konnte der Anwalt nicht genau beziffern, „es sind aber Hunderte.“

Urteile mit Zweifeln bislang nicht bestätigt

Die Polizei NRW hat laut Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste folgende Geräte zur Geschwindigkeitsüberwachung im Einsatz: Robot Multanova 6F (Radar), ESO 3.0 (Lichtschranke), Vitronic Poliscan Speed (Radar), Riegl LR90-235/P und FG21-P, LTI 20.20 (Laser), Vidit VKS 3.0 (Tempo- und Abstandsmessung). „In Gelsenkirchen verwenden wir Geräte des Typs Robot, Riegl und ESO“, sagt Sprecher Guido Hesse.

Einzelne Urteile durch Amtsgerichte, die die Messverfahren in Zweifel zogen, sind der Polizei nach Angaben des Landesamtes bekannt. Diese seien im weiteren Verfahrensgang durch obergerichtliche Instanzen aber nicht bestätigt worden, heißt es in einer Stellungnahme auf Anfrage der WAZ.