Gelsenkirchen. . Nur vier Händler teilen sich Dienstag Platz und Geschäft auf dem Hauptmarkt. Die Groß-Baustelle erschwert die Situation im Umfeld des Margarethe-Zingler-Platzes zusätzlich. Viel Kritik gibt es an der Parkplatzsituation.
Der Lärmpegel ist beachtlich. Trennschleifer und Kreissägen kreischen, unterlagert werden die Spitzen von dunklem Motorbrummen. Hier laufen Aggregate, dort die Krankatze. Betonbauer setzen Eisen, Zaungucker verfolgen das Geschehen interessiert, Autos umkurven Sperrbaken.
Es ist die Geschäftigkeit einer Großbaustelle, die sich mitten in der Stadt breit macht. Der Margarete-Zingler-Platz ändert sein Gesicht gründlich. Auf der einstigen Parkplatz-Fläche wächst ein Wohn- und Geschäftskomplex. Ein Lebensmittel-Vollsortimenter, Altenwohnungen, ein Pflegedienst und Dienstleistungen sollen hier Platz finden.
Nur mittags ist es ruhiger
Im Frühjahr wurde der Grund für das 19-Mio-Euro-Projekt der „8. Grundstücksgesellschaft DSW“ bereitet. Die Regie hat das Bueraner Architekturbüro Dr. Schramm Fronemann Partner. Kritik hat ihr Entwurf herausgefordert. Von Barriere und Riesenriegel, die Licht und Sicht nehmen, von einer stadtplanerischen Sünde war die Rede, als es um die Planung für das Projekt ging. Die Stoßrichtung hat sich verlagert – jetzt sind es die praktischen Themen, die Kritiker vornehmlich umtreiben: die Parksituation während der Bauzeit und danach, die Beschilderung rundum, Änderungen der Verkehrsführungen, die Lärmbelastung.
Im benachbarten Haus des Evangelischen Kirchenkreises muss man derzeit die Fenster schließen, wenn man telefonieren will. „Wir nutzen die Mittagspause auf der Baustelle zum Durchlüften. Dann ist es ruhiger“, sagt eine Mitarbeiterin. Ihr Büro liegt im vierten Stock. Die Sicht auf die Bautätigkeit (das Untergeschoss wird gerade mit Betondecken geschlossen) ist von hier aus beachtlich, der Lärm von unten auch.
„Das motiviert nicht gerade“
Eine wöchentliche Sprechstunde forderte zuletzt AUF Gelsenkirchen in der Bezirksvertretung Mitte, Anwohnerparken ohne Gebühr, eine bessere Platzgestaltung und – schöner Gestaltung nicht gerade dienlich – die Nutzung des Hauptmarkts als Parkplatz außerhalb der Handelszeiten.
Wie „die letzten Mohikaner“ fühlen sich die verbliebenen Händler. Frisch gebundene Sträuße, knospige Rosen und Paletten voller Erika füllen den Marktstand vor dem Bau-Gitterzaun. „Die Situation ist dramatisch“, sagt Blumenhändler Aloys Hoppenheidt-Wienhöfer. Und seine Frau Bärbel ergänzt: „Wir fragen uns jeden Dienstag. wie viele Dienstage wird es noch gehen? Man lebt ja mit der Hoffnung von Markttag zu Markttag“ und werde jedes Mal enttäuscht.
„Das motiviert nicht gerade“, sagen die Händler. Bis Ende Oktober wollen sie abwarten. „Wenn sich bis dahin nichts getan hat, wird der Dienstag für uns erledigt sein. Gott sei Dank haben wir noch eine Gärtnerei.“
"Da beißt sich die Katze in den Schwanz"
Die Baustelle hat die Probleme des Wochenmarkts nicht ausgelöst, sie hat sie allerdings verschärft. Die Laufkundschaft fehlt jetzt komplett, die Zufahrt zu den Ständen ist erschwert „Der Markt ist insgesamt total abgeflacht, das fing schon mit den zwei Verkaufstagen an, die sie uns gekürzt haben“, sagt Wild- und Geflügelhändler Anton Heitz. Vehement hatte er sich gegen eine Reduzierung der Markttage auf dienstags, freitags und samstags gewehrt. Seine Befürchtungen sind eingetreten. „Die Situation ist grausig. Und die Verwaltung hat kein Ohr dafür.“
Gerade vier Marktstände sind es am Dienstag, die der großen Leere trotzen – konzentriert im Eck von Hansemann- und Hauptstraße. Die Kundenfrequenz? Äußerst überschaubar. Die Stimmung? Moll. „Da beißt sich die Katze in den Schwanz“, sagt Kartoffel-Eier-Gemüse-Händler Peter Habegger. „Das Angebot geht zurück, es kommen weniger Leute, die Zahl der Händler sinkt“ und so weiter und so fort.
Die Abwärtsspirale wurde vor Jahren in Gang gesetzt. Eine Besserung scheint unwahrscheinlich. Seit Jahrzehnten Marktkundin ist Gertrud Meyer. Sie lebt nah der Altstadt und hat den langsamen Verfall miterlebt. „Im Moment ist die Situation ja traurig. Es muss sich erst zeigen, wie sich das mit dem Neubau entwickelt.“