Gelsenkirchen.

Katholisch, konservativ, kinderlos: Elisabeth Nettebeck galt als „Fräulein“ in der Gelsenkirchener Lokalpolitik. Ernst genommen wurde sie aber sehr wohl, lieferte sie sich doch als „Mutter des Musiktheaters“ in den 1950-ern den „Kampf ihres Lebens“, so Architekt Werner Ruhnau: Dass der künstlerisch ambitionierte Theater-Entwurf von Deilmann/Rave/von Hausen/Ruhnau realisiert wurde, ist maßgeblich dem Engagement der CDU-Landtagsabgeordneten und Kulturpolitikerin zu verdanken. Sie steht im Zentrum von Teil 9 der Serie „StadtGEschichte – ganz persönlich“ von WAZ und Institut für Stadtgeschichte (ISG).

Das politische Engagement, es wurde der Schalkerin nicht in die Wiege gelegt: Ihre Eltern besaßen eine Metzgerei und übernahmen ab 1897 – nach der Geburt Elisabeth Nettebecks am 11. Oktober 1896 – auch eine Gaststätte: das „Haus Nettebeck“ an der Schalker Straße.

Berufung im Katholischen Deutschen Frauenbund gefunden

Die junge Frau besuchte das Oberlyzeum an der Essener Luisenschule, das sie 1917 als ausgebildete Lehrerin abschloss, hat ISG-Historiker Dr. Daniel Schmidt recherchiert. „In ihrem Beruf hat sie aber nur kurze Zeit gearbeitet. Ihre eigentliche Berufung fand sie im Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB), der 1903 als Laienorganisation mit dem Ziel gegründet worden war, das sozial- und bildungspolitische Engagement durch und für katholische Frauen zu fördern.“

Mit Erfolg, wie das Beispiel Elisabeth Nettebeck zeigt: Die Handwerker-Tochter entdeckte ihre Leidenschaft für „die großen Strukturen“ und die Politik: Wurde sie 1923 Geschäftsführerin des KDFB in Gelsenkirchen, so kandidierte sie 1933, im Jahr der NS-Machtergreifung, für die katholische Zentrumspartei – „ein Bekenntnis gegen die Nationalsozialisten“, so Historiker Dr. Schmidt.

Frauen mussten katholisch, unverheiratet, kinderlos sein

Während sie nach dem KDFB-Verbot gezwungen gewesen sei, in die innere Emigration zu gehen, so Schmidt, startete sie nach 1945 politisch durch: Sie beteiligte sich an der Wiederbelebung der Katholischen Frauenbewegung in der Stadt und trat in die neu gegründete CDU ein, für die sie 1946 in den Gelsenkirchener Rat einzog und im Fürsorgeausschuss arbeitete.

„In der katholisch-konservativen CDU gab es durchaus Möglichkeiten für Frauen, sich politisch einzubringen und auch einflussreiche Positionen zu erreichen. Zumeist mussten sie aber katholisch, unverheiratet und kinderlos sein, zum anderen hatten sie sich auf die ,typisch weibliche’ Bildungs-, Sozial- und Kulturpolitik zu beschränken“, stellt der Historiker heraus.

"Maßhalten in der freien Persönlichkeitsentfaltung"

Elisabeth Nettebeck erfüllte beide Kriterien. Sie stellte zudem das katholische Frauenbild jener Zeit nicht in Frage. So gab sie 1960 zu Protokoll: „Trotz aller Gleichberechtigung dürfen wir Frauen keine lächerlichen Forderungen stellen, wir müssen maßhalten auch in der freien Persönlichkeitsentfaltung.“

Sich auf ihre Heimatstadt zu beschränken, war ihre Sache jedoch nicht: 1950 holte sie mit 176 Stimmen Vorsprung ein CDU-Direktmandat im Westen Gelsenkirchens und zog in den Düsseldorfer Landtag ein, dessen Mitglied sie bis 1966 blieb. „Dort erwarb sie sich bleibende Verdienste um den Bildungs- und Wissenschaftsstandort Gelsenkirchen, indem sie sich für eine Staatliche Ingenieurschule einsetzte, aus der später die Fachhochschule hervorgehen sollte“, betont Schmidt.