Gelsenkirchen. . Wilhelm Zaisser war Lehrer, Soldat und Revolutionär. Als frühes KPD-Mitglied führte er früh ein Doppelleben. In Moskau wurde er schließlich Geheimpolizist und in der DDR erster Minister für Staatssicherheit. Ein Mann vom Schlage des Rotthausers hätte gut in einem James-Bond-Film mitspielen können.

Lehrer, Soldat, Berufsrevolutionär mit geheimpolizeilicher Ausbildung in Moskau, schließlich erster Minister für Staatssicherheit in der DDR: Ein Mann vom Schlage Wilhelm Zaissers könnte gut eine schillernde Figur in einem James-Bond-Film abgeben, so viele Talente besaß der Rotthauser. Politisch jedoch verfocht er nur eine, für ihn einzig wahre Lehre – die des Kommunismus. Zaisser steht im Mittelpunkt von Teil 7 der Serie „StadtGEschichte – ganz persönlich“ von WAZ und Institut für Stadtgeschichte (ISG).

So vehement Zaisser der kommunistischen Utopie zum Sieg verhelfen wollte, so zufällig war er als junger Leutnant bei der Besetzung der Ukraine im Herbst 1918 mit ihr in Kontakt gekommen: „Im revolutionären Chaos nach dem Waffenstillstand verbrüderte sich Zaisser gemeinsam mit seinem Regiment mit der Roten Armee, die Lektüre marxistischer Texte tat ihr Übriges“, berichtet ISG-Historiker Dr. Daniel Schmidt über das, was Lenin die „Infizierung des deutschen Soldaten mit dem Geist der russischen Revolution“ nannte.

Hoffnung auf den deutschen Sieg

1893 als Sohn eines Fußgendarmen im Schatten der Rotthauser Zeche Dahlbusch geboren und aufgewachsen, hatte Zaisser noch keinen Gedanken an Politik verschwendet, als er im Herbst 1914 seine Stelle als Volksschullehrer in Essen aufgegeben und in Richtung Ostfront gezogen war. „Er hoffte vor allem auf den deutschen Sieg“, betont Dr. Schmidt vor dem Hintergrund, dass Zaisser „die Werte eines staatstreuen und konservativen Beamtenhaushaltes verinnerlicht hatte“.

Wilhelm Zaisser fiel nach dem Volksaufstand in der DDR 1953 in Ungnade.
Wilhelm Zaisser fiel nach dem Volksaufstand in der DDR 1953 in Ungnade.

Doch die Kriegserlebnisse hinterließen Spuren: In Essen trat er der frisch gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei und begann ein sicher Nerven aufreibendes Doppelleben. Tagsüber arbeitete er als Volksschullehrer im Essener Segerothviertel, nachts bereitete er den Umsturz vor. In die Tat umsetzen konnte er sein Ziel jedoch (noch) nicht: Er engagierte sich zwar in der militärischen Leitung der Roten Ruhr-Armee beim Ruhraufstand, der im Zuge des Generalstreiks gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch im Frühjahr 1920 ausgebrochen war mit dem Ziel, „die politische Macht durch die Diktatur des Proletariats zu erringen“. Die Reichswehr schlug den Ruhrkampf jedoch blutig nieder, und Zaisser kam 1921 für mehrere Monate in Haft.

„Hart und unerbittlich, aber durchaus menschlich“

Nun existierte für ihn nur noch die Partei: Unehrenhaft als „Staatsfeind“ aus dem Lehrerberuf entlassen, absolvierte er eine geheimpolizeiliche Ausbildung in Moskau. Ins Ruhrgebiet, so Historiker Dr. Schmidt, kam Zaisser nur noch selten, auch wenn seine Frau Else, später DDR-Volksbildungsministerin, mit Tochter Renate dort bis 1928 lebte. Zaisser agierte vielmehr international, unterstützte im Auftrag der Kommunistischen Internationalen antikoloniale Rebellionen in Syrien und Marokko und den großen kommunistischen Aufstand im chinesischen Kanton.

1932 zog er mit Familie nach Moskau und avancierte dort an der Militärpolitischen Schule der Komintern zum Lehrer des kommunistischen Nachwuchses, später zum Kommandanten der XIII. Internationalen Brigade im Spanischen Bürgerkrieg sowie aller internationalen Einheiten in Spanien.

Nach seiner Rückkehr in die Sowjetunion 1938 „überstand er wie durch ein Wunder die stalinistischen Säuberungen“, so ISG-Historiker Schmidt, und schulte zwischen 1943 und 1946 im Auftrag des Geheimdienstes deutsche Kriegsgefangene zu Antifaschisten um, „um Kader für das neue Deutschland zu gewinnen“. „Hart und unerbittlich“ soll er damals gewirkt haben, zitiert Schmidt einige Zeitgenossen Zaissers, „aber auch durchaus menschlich“.

Ironie der Geschichte: Als „Feind der Partei“ aus der SED ausgeschlossen

Als Wilhelm Zaisser 1947 von Moskau nach Deutschland zurückkehren durfte, stieg er in dem Polizei- und Unterdrückungsapparat der Sowjetzone und späteren DDR rasch auf: vom Polizeichef in Halle und sächsischen Innenminister sowie Chef der Bereitschaftspolizei bis zum Mitglied des Politbüros der SED (1950) und Leiter des neu gegründeten Minsteriums für Staatssicherheit. Unterstützt wurde er dabei von Erich Mielke, der bereits in Spanien sein Adjutant gewesen war.

„In enger Abstimmung mit dem sowjetischen Geheimdienst organisierte Zaisser den enormen Ausbau dieses neuen ,Sicherheitskonzerns’“ bis tief in die Gesellschaft, so ISG-Historiker Dr. Schmidt. Welch Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet der „Volkseigene Betrieb Horch und Greif“, wie der Volksmund die Stasi nannte, vom Aufstand am 17. Juni 1953 überrascht wurde. Zaisser wurde von Walter Ulricht, Chef des SED-Zentralkomitees, dafür verantwortlich gemacht, entlassen und als „Feind der Partei“ aus der SED ausgeschlossen.

„Darüber verzweifelte der Parteisoldat: ,Mich hat man fertig gemacht’ soll er immer wieder gesagt haben“, so Daniel Schmidt über Zaisser. Der aus größter Höhe so tief fiel, er starb 1958 als gebrochener Mann.