Gelsenkirchen.

Die Stimme nur einer Stadt ist manchmal nicht stark genug, um sich bei der Landesregierung in Düsseldorf Gehör zu verschaffen. Eine Gruppe hat da mehr Möglichkeiten und verkörpert eine andere Schlagkraft, gerade wenn sie sich im sozialdemokratischen Kernland bildet. Im Emscher-Lippe-Raum gibt es derzeit im Kreise der SPD-Fraktionen ein Vorhaben, mit dieser Wucht aufzutreten, um auf die Defizite aufmerksam zu machen, die der Stärkungspakt der Stufen 1 und 2 ihrer Meinung nach birgt.

In einem Schreiben, das der WAZ vorliegt, wird zu einem Treffen der Fraktionsvorsitzenden aufgerufen, das in Marl stattfinden soll. Tenor dieses Schreibens, das so etwas wie eine Palastrevolution ansonsten getreuer Partei-Soldaten vermuten lässt, ist, dass sich die kommunale SPD dazu verpflichtet fühlt, „im Interesse der Menschen in der Emscher-Lippe-Region für den Erhalt von notwendigen kommunalen Strukturen einzutreten“.

"Wir benötigen klare Regeln"

Das will auch die SPD in Gelsenkirchen, keine Frage. „Wir benötigen klare Regeln und wir haben auch den Satz aus unseren Gesprächen in Düsseldorf mitgenommen, dass betriebsbedingte Kündigungen und ein Kahlschlag im Bereich der Kultur ausgeschlossen werden sollen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Dr. Klaus Haertel. Er betont aber gleichzeitig auch, dass noch immer nichts Schriftliches etwa in Form eines Ausführungserlasses vorliege, um einen Sanierungsplan für Gelsenkirchen durchdenken und aufstellen zu können. „Wir haben ja aus diesem Grund bisher auch noch gar keine echten Sparvorschläge gemacht, weil wir nicht wissen, was da genau gefordert sein wird. Aber wir haben schon einige Optionen, die wir dann diskutieren werden.“ Für Gelsenkirchen wird die Zeit zudem immer knapper, weil es sich möglicherweise für die Stufe 2 des Stärkungspaktes bewerben wird. Die Frist dafür endet bekanntlich am 31. März.

Nach Marl, sagt Haertel, werde auf jeden Fall jemand fahren. Entweder er selbst oder Fraktionsgeschäftsführer Dr. Günter Pruin. „Wir sind ja auch in einer Runde der SPD-Fraktionen der kreisfreien Städte aktiv. Und wir wollen auch teilnehmen, wenn sich die Genossen der Emscher-Lippe-Region treffen, um ihre Positionen und Sorgen zu diskutieren.“

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Von Friedhelm Pothoff

Dabei sollen die helfenden Bemühungen der rot-grünen Landesregierung im Grundsatz keinesfalls in Abrede gestellt werden, auch die Verantwortung des Bundes für das finanzielle Desaster der Städte ist klar formuliert, doch Passagen in dem Schreiben machen deutlich: Die Sorgen sind enorm. Kommunen der ersten Stufe des Stärkungspaktes müssen bis zum 30. Juni 2012 einen Haushaltssanierungsplan erstellen, der aufzeigt, wie mit Mitteln des Landes ein Haushaltsausgleich bis spätestens zum Jahr 2016 erreicht werden kann. Das ohne Einschnitte zu erreichen, wird stark bezweifelt.

Neue Bewegung

In dem Schreiben heißt es dazu: „Ungeachtet der Mehrheitsverhältnisse müssen wir dabei mit großem Bedauern zur Kenntnis nehmen, dass die uns gestellte Aufgabe – seriös betrachtet – nicht ohne einen ,sozialdemokratischen’ Ausverkauf zu erzielen sein wird.“ Dies würde auch die Städte betreffen, die eingeladen sind, an der zweiten Stärkunsgpaktstufe teilzunehmen, nur eben zeitversetzt. Das, so Haertel, was da an die Wand gemalt würde, ginge ihm zu weit, da müsse man die Regeln abwarten.

Unabhängig davon könnte ein Urteil aus Rheinland-Pfalz auch in Nordrhein-Westfalen für neue Bewegung sorgen. Dort hat der Verfassungsgerichtshof am Dienstag entschieden, dass die Zuweisungen des Landes angesichts der stark gestiegenen Sozialausgaben nicht mehr ausreiche und erklärte den kommunalen Finanzausgleich für verfassungswidrig – und: Er müsse bis zum 1. Januar 2014 neu geregelt werden.