Gelsenkirchen. .

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) stand der WAZ am Donnerstag Rede und Antwort. Die Themen: die finanzielle Ausstattung der Kommunen und der Stärkungspakt im Speziellen.

„In Nordrhein-Westfalen sind von 396 Städten acht schuldenfrei. 147 sind ohne ausgeglichenen Haushalt. Die Höhe der Liquiditätskredite hat sich zuletzt verdoppelt auf 21 Milliarden Euro. Und wenn wir so weitermachen, sind wir in fünf Jahren bei 50 Milliarden.“

Mit diesen Zahlen verdeutlichte Jäger die katastrophale finanzielle Lage der Städte im Land, um die Maßnahmen des rot-grünen Kabinetts wirksam hervorzuheben: „Wir haben im Haushalt gut eine Milliarde Euro umgeschichtet, um den Kommunen zu helfen. Das tut dem Land weh, weil ohne diese Maßnahme der Landeshaushalt verfassungskonform gewesen wäre. Aber wir wissen um die Bedeutung der Städte und dass sie die ihnen von Berlin aufgebürdeten Soziallasten allein nicht schultern können.“

Zustimmung für den Stärkungspakt

Das sind: die Grundsicherung, die ab 2014 vom Bund übernommen wird, die Kosten für Unterkünfte, die Hilfen zur Erziehung und die Eingliederungshilfen. Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) hatte im WAZ-Interview jüngst hervorgehoben, dass diese Beträge genau das Defizit der Stadt ausmachten.

Hilfe ist gefordert, damit niemand aus dem Boot fällt. Diese Hilfe, sagt der Innenminister, sei mit der politischen Zustimmung für den Stärkungspakt am Dienstag auf den Weg gebracht worden. „Ziel ist es nicht, die Städte kaputt zu sparen.“ Das, so Jäger, könne man dem steuerzahlenden Bürger auch nicht erklären. „Das würde sein Misstrauen in die Demokratie verstärken.“ Die letzte Bibliothek, das letzte Bad dürfe nicht verschwinden.

Noch in diesem Jahr sollen 34 Städte, die am Stärkungspakt Stufe eins teilnehmen müssen, weil sie überschuldet oder akut von einer Überschuldung bedroht sind, mit 350 Millionen Euro unterstützt werden. Die Summe soll jährlich über den Zeitraum einer Dekade fließen: insgesamt 3,5 Milliarden Euro.

Eine Art Windhundprinzip

Gelsenkirchen gehört nicht zu diesem Kreis. Vor Ort wägen Verwaltung und Politik ab, sich eventuell für Stufe zwei des Stärkungspaktes zu bewerben; die Teilnahme basiert (noch) auf Freiwilligkeit. Aus Gelsenkirchener Sicht müsste dafür zunächst eine lokalpolitische Entscheidung auf der Basis der Haushaltszahlen für 2010 und einer Projektion auf das Jahr 2016 getroffen werden.

Wäre die Stadt überschuldet, müsste sie sich bis zum 31. März 2012 bewerben. Ob Gelsenkirchen dann zu den 40 Kommunen (von 80 bedrohten) zählen würde, mit deren Teilnahme gerechnet wird, ist nicht völlig ungewiss.

Im Moment gilt hier, weil gerichtsfeste Regeln fehlen, eine Art Windhundprinzip. Eine Aussage, die der Minister am Donnerstag auf Nachfrage nicht dementierte. Auch bestätigte er, dass für die 310 Millionen Euro, mit der die zweite Stufe jährlich ausgestattet werden soll, keine volle Finanzierung vorliegen würde.

Jäger gibt sich zuversichtlich

50 Millionen Euro sollen laut Jäger aus der Erhöhung der Grunderwerbsteuer kommen (die dann den Schlüsselzuweisungen fehlen), weitere 65 Millionen aus den Neuberechnungen der SoBEZ, der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen. Macht in Summe 115 Millionen – fehlen noch: 195 Millionen Euro.

Auf Druck der FDP ist die Soli-Umlage der reichen an die armen Städte auf Eis gelegt. Jäger aber gibt sich zuversichtlich, zur gegebenen Zeit eine parlamentarische Mehrheit für den „Städte-Soli“ zu finden, der notwendig sei und ab 2014 gezahlt werden soll.