Gelsenkirchen.

In der Kämmerei wird dieser Tage unter Hochdruck gearbeitet. Der Grund: Mitte Dezember soll dem Rat der Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2012 vorgelegt werden.

Neben dem Stärkungspakt (die WAZ berichtete) gibt es zwei weitere grundsätzliche Überlegungen, die für die Fachleute wesentliche Rollen bei den Rahmenbedingungen spielen: das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) 2012 und die Umlage für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).

Stadt wird zur Kasse gebeten

Satte 58,7 Millionen Euro musste Gelsenkirchen im Jahr 2011 an den LWL zahlen. Dr. Georg Lunemann vermutet, dass die Umlage in 2012 die Netto-Ausgaben für die Kosten der Unterkunft als zweitgrößte Aufwandsposition im städtischen Haushalt (nach den Personalkosten) ablösen wird. Interessant ist in dem Zusammenhang diese Rechnung des Kämmerers: „Ohne dass der LWL den Hebesatz von aktuell 15,7 Prozent erhöht, führen die landesweit gestiegenen Steuereinnahmen dazu, dass Gelsenkirchen rund 6 Millionen mehr Umlage zahlen müsste. Das wären dann 64,6 Millionen Euro.“

Frei nach Adam Riese macht allein das eine Steigerung um gut zehn Prozent aus. Würde der Hebesatz – wie politisch diskutiert – auf 16,7 Prozent erhöht, müsste die Stadt drei Millionen Euro draufpacken. Lunemann: „Dies wären in Summe 15 Prozent mehr, die wir mit Kassenkrediten finanzieren müssten.“

LWL soll sparen

Der städtische Finanzexperte hält die Diskussion um ein steuerfinanziertes Bundesteilhabegeld (soll behinderten Menschen ermöglichen, bestimmte Kosten für Hilfe, Eingliederung und Unterstützung mit zu bezahlen; die WAZ berichtete) für durchaus zielführend, wenn der kommunale Haushalt dadurch entlastet würde.

Wann das soweit sein könnte, steht in den Sternen. In der Zwischenzeit erwartet der Kämmerer, „dass sämtliche Sparpotenziale beim LWL ausgeschöpft werden“. Leider sei die Auffassung des NRW-Innenministeriums aus dem Blickwinkel der finanzschwachen Umlagezahler enttäuschend. Als Aufsichtsbehörde der Verbände sehe es deren Verschuldung kritisch, während turmhohe Schulden der Städte hingenommen würden.

59 Millionen Euro mehr für Gelsenkirchen

In dieser Misere macht es am Ende noch nicht einmal mehr viel aus, dass Gelsenkirchen in 2012 fast 59 Millionen Euro mehr durch die Landesregierung zur Verfügung gestellt bekommt. Das GFG macht es bekanntlich möglich. Doch das, so Lunemann, sei kein zusätzlicher Betrag, sondern ein ausgleichender: „Er egalisiert die Steuerausfälle aus der Zeit 1. Juli 2010 bis 30. Juni 2011 zu 90 Prozent.“

Das ist die Erinnerung daran, dass Gelsenkirchen zusätzlich enormes und nicht vorherzusehendes Pech hatte. Bekanntlich reduzierte ein großer Gewerbesteuerzahler innerhalb der genannten Zeit sein Steueraufkommen um rund 50 Millionen Euro. „Wir haben also gemäß der gängigen GFG-Systematik mit zusätzlichen Schlüsselzuweisungen in der Höhe gerechnet“, erläutert der Kämmerer den Geldfluss sachlich. Der Rest sei – einfach formuliert – ein positiver Mitnahmeeffekt für die Städte, der in steuerschwachen Jahren genau umgekehrt wirken würde.

Kernproblem liegt bei Finanzausstattung der Städte

Das Kernproblem bleibt für Lunemann die einfach nicht aufgabengerechte Finanzausstattung der Städte. Das Land gebe nur Mittel in einer Höhe weiter, die sich am Steueraufkommen orientierten. „Die Kosten steigen aber schneller als die Erträge. Das ist ursächlich für die Verfassung vieler Kommunen.“

Georg Lunemann wünscht sich vor allem die Festlegung einer Mindestfinanzierung für Städte und Gemeinden, denn: „Die für Bund und Land festgelegte Einführung der Schuldenbremse wird sonst die Situation der Kommunen noch weiter verschärfen.“

Zuweisungen falsch verteilt

Zwischenzeitlich hat die rot-grüne Landesregierung eine Veränderung der Grundsystematik im Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) vorgenommen. Soziale Belastungen sollen demnach stärker berücksichtigt werden.

Diese so genannte Grunddatenanpassung besagt, dass soziale Belastungen bis zum Jahr 2010 bei der Berechnung des Finanzbedarfs einer Stadt viel zu gering bewertet wurden. Kämmerer Dr. Georg Lunemann: „Das bedeutet, dass über Jahre die ohnehin zu gering bemessenen Schlüsselzuweisungen auch noch falsch verteilt wurden.“ Gelsenkirchen habe dadurch in den letzten Jahren weit über 100 Millionen Euro nicht erhalten. Diese Anpassung, sagt der städtische Kassenwart, sei daher „in der Tat mehr als überfällig“.

Die Grunddatenanpassung macht für das Jahr 2012 rund 20 Millionen Euro aus. Nicht schlecht, aber bei weitem zu wenig. Lunemann siedelt den Bedarf um rund 7,5 Millionen Euro höher an. „Hier muss die Landesregierung nachjustieren“, sagt er.