Gelsenkirchen.
Das „Lehrerkind“ ist fast zwei Meter groß. „Da ist also das Corpus Delicti“, nickt der längst erwachsen gewordene Bastian Bielendorfer (27) die Außenwände seiner alten Schule hoch. Die Zeit auf dem Grillo-Gymnasium lieferte ihm einen Teil des Stoffes, den ihm der Piper-Verlag nach seinem denkwürdig skurrilen Auftritt bei „Wer wird Millionär?“ im Oktober 2010 nur zu gern abkaufte. Bielendorfers humorvolles Erstlingswerk „Lehrerkind – Lebenslänglich Pausenhof“ ist seit drei Wochen auf dem Markt und belegt den 11. Platz der Spiegel-Bestseller-Liste in der Kategorie Sachbuch.
2003 hat Bastian Bielendorfer sein Abitur am Grillo gemacht. „Hier hat sich ja ganz schön was getan. Ich bin mal gespannt, wie es drinnen aussieht“, sagt er beim Foto-Termin. Seit acht Jahren war er nicht mehr dort. Am Freitag, 2. Dezember, kommt der Jungautor für eine Lesung in die Aula seiner alten Wirkungsstätte, die ihn so geprägt hat. Hier wurde er gehänselt und verprügelt, und zu allem Überfluss war sein Vater auch noch Deutsch-Lehrer an der selben Schule. Und seine Mutter? War Lehrerin an seiner Grundschule. „Lebenslänglich Pausenhof“ ist deshalb der fast logische Untertitel seines Buchs.
„Lehrerkind zu sein ist an sich schon nicht leicht, doch meine Erziehung ähnelte manchmal eher einem psychologischen Experiment als dem, was man gemeinhin als Kindheit bezeichnet“, lautet eine der zentralen Aussagen in Bielendorfers Buch. Nicht nur seine Mitschüler, auch seine Eltern hatten – dem äußeren Anschein nach zu urteilen – perfide Maschen auf Lager.
Bei der "Mini Playback Show" beworben
So bekam das Lehrerkind etwa einen Brief mit dem Absender „Mini Playback Show“ vom Vater überreicht. Dort hatte der kleine Bastian sich nämlich im Grundschul-Alter mit einem Video beworben. In dem Umschlag befand sich allerdings kein Schreiben von Moderatorin Marijke Amado, sondern ein von ihm selbst geschriebener Brief, den der Empfänger – sein Vater – in bester Deutschlehrer-Manier penibel korrigiert hatte. Der Absender Mini Playback Show war ein gemeiner Trick gewesen. Besonders bitter: mit dem Zettel wollte sich Bastian bei seinem Vater für eine Beleidigung entschuldigen.
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„Mein Vater kommt aus seiner Ironie nicht heraus“, entschuldigt der Jungautor dieses Verhalten. „Das Buch ist aber nicht bitter“, stellt er klar. Es soll keine Abrechnung oder dergleichen sein. Mit niemandem, auch nicht mit seinen schlimmsten Peinigern am Grillo-Gymnasium, die er beinahe zärtlich „Schnuller-Psychopathen“ nennt.
Wohnzimmer nicht detailgetreu beschrieben
Der Bestseller ist gespickt mit abstrusen Situationen und deren humorvoller Betrachtung und Analyse. „Ich habe das Buch vorher mit meinen Eltern besprochen“, sagt Bielendorfer. „Und sie haben lustigerweise zugesagt, bevor sie es überhaupt gelesen haben. Gestört hat sie lediglich, dass das Wohnzimmer nicht detailgetreu beschrieben war“, schmunzelt der Ex-Gymnasiast. Und eben diese Skurrilität zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und die Schullaufbahn des Wahl-Kölners, der früher in Rotthausen wohnte.
Mehrere Schubladen in der Schublade
Hier und da hat der 27-Jährige auch mit ein bisschen Fantasie nachgeholfen, so dass der Leser manchmal nicht weiß, ob jetzt 80 oder 8 Prozent dazu erfunden sind. „Die verrücktesten Geschichten sind die, die haargenau so passiert sind“, versichert Bielendorfer.
Sämtliche Namen hat er erfunden. Erfahrungen im Schreiben sammelte er bei Poetry Slams. Die Texte für „Lehrerkind“ sind neu. Bald schließt der junge B. sein Psychologie-Studium ab. „Aber dann möchte ich mich auf mein Dasein als Autor beschränken.“ Er hat schon mehrere Manuskripte in der Schublade.