Gelsenkirchen. .

Dr. Jürgen Priamus hat sich zum Ausklang seiner beruflichen Tätigkeit auf Spurensuche begeben. Im Fokus des Wissenschaftlers: Ein Kriegsverbrecher, ein NS-Täter.

Wie so viele trieb Alfred Meyer die Mordmaschinerie der Nationalsozialisten an und stand dabei (wohl auch stellvertretend für ungezählte Mit-Läufer und -Täter) an exponierter Stelle für die unselige Tradition deutscher Tugenden. „Meyer – Zwischen Kaisertreue und NS-Täterschaft. Biographische Konturen eines deutschen Bürgers“ lautet der Titel der Neuerscheinung in der Schriftenreihe des Instituts für Stadtgeschichte, die pünktlich zur Buchmesse in diesem Monat beim Essener Klartext-Verlag heraus kam (39,95 Euro)

Ortsgruppenleiter und Stadtrat für die NSDAP

Priamus war bis zum Mai Leiter des Gelsenkirchener Instituts für Stadtgeschichte. In seiner Studie dokumentiert und analysiert er den Weg eines führenden Nationalsozialisten, dessen politische Laufbahn in Gelsenkirchen begann und der als von den Alliierten gesuchter Kriegsverbrecher im Selbstmord 1945 endete.

Obwohl Alfred Meyer nicht zu den NS-Tätern gehört, deren Namen einer breiten Öffentlichkeit bekannt sind, war er ein einflussreicher Funktionsträger: 1891 in ein evangelisches Elternhaus in Göttingen geboren und in Soest aufgewachsen, schlug er die Offizierslaufbahn ein. 1920 aus französischer Kriegsgefangenschaft entlassen, wurde Meyer mit 30 Jahren Werksstudent. Von 1923 bis 1930 war er Zechenbeamter auf Graf Bismarck.

Heinz-Jürgen Priamus: Meyer – Zwischen Kaisertreue und NS-Täterschaft. Biographische Konturen eines deutschen Bürgers, Klartext-Verlag Essen 2011, Euro 39.95.
Heinz-Jürgen Priamus: Meyer – Zwischen Kaisertreue und NS-Täterschaft. Biographische Konturen eines deutschen Bürgers, Klartext-Verlag Essen 2011, Euro 39.95. © WAZ

Am 1. April 1928 trat er der NSDAP bei und wurde Ortsgruppenleiter in Gelsenkirchen. Im November 1929 wurde er als einziges NSDAP-Mitglied in den Stadtrat gewählt. Sie weiteren Karriere-Stationen: Gauleiter in Westfalen-Nord, Reichsstatthalter in Lippe und Schaumburg-Lippe, Oberpräsident der Provinz Westfalen und während des Krieges auch noch stellvertretender Minister für die besetzten Ostgebiete – und das alles gleichzeitig. Bekannter wurde Meyer durch seine Teilnahme an der berüchtigten „Wannsee-Konferenz“, auf der im Januar 1942 die Umsetzung des Völkermordes an den Juden koordiniert wurde.

Anschaulich wird von Priamus „die Wandlung Meyers vom monarchistischen Patrioten zum nationalsozialistischen Verwaltungsmassenmörder“ in allen Phasen nachvollziehbar beschrieben. Mit der Biographie Alfred Meyers wird gleichzeitig ein halbes Jahrhundert deutscher Geschichte mit deren wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen dargestellt. Das Buch, so der Essener Verlag, „bietet somit mehr als nur ein weiteres Detail zur Geschichte des Nationalsozialismus in unserer Region, sondern analysiert auch die regionale Gesellschaftsgeschichte zwischen Kaiserreich und Befreiung vom Nationalsozialismus“.