Gelsenkirchen. . Die Bewohner des St. Vinzenz Seniorenhaus in Gelsenkirchen sind erschüttert über die Forderungen, keine Kindertagesstätten in Wohngebieten zuzulassen. Sie teilen sich das Gelände mit dem Kindergarten St. Martin - und das funktioniert wunderbar.
„Ich war erschüttert“, sagt Änne Rogalla. Erschüttert, dass jemand fordert, keine Kindertagesstätten in reinen Wohngebieten zuzulassen. Dass kann die 85-jährige Dame nicht verstehen, denn die Bewohnerin des Seniorenhauses St. Vinzenz an der Kirchstraße wohnt Tür an Tür mit Kindergartenkindern und sagt: „Das funktioniert ganz wunderbar.“
Konzept trägt Früchte
Seit vielen Jahren teilen sich rund 90 Senioren und 75 Kinder hier nämlich ein Gelände. Garten und Spielplatz im Zentrum des St. Vinzenz-Hauses und des Kindergartens St. Martin sind offen für alle. Für alte Menschen mit Gehstock, Rollator oder Rollstuhl, aber auch für Kinder mit Bobbycar, Roller und Dreirad. Keine Mauer, kein Zaun grenzt Spielplatz und Garten von einander ab. Bänke an Klettergerüst und Sandkasten laden zum Verweilen ein.
Ein Konzept, das nicht nur funktioniert, sondern Früchte trägt. Ute Kwasnitza, Sprecherin von St. Augustinus: „Beide Seiten profitieren von der direkten Nachbarschaft.“ Man begegnet sich bei gemeinsamen Veranstaltungen, bei der Gottesdienstreihe „Kirche mit allen Sinnen“ in der Kapelle, bei Feiern und Festen.
Interesse füreinander
„Keine Handbreit wohne ich vom Kindergarten weg“, sagt Änne Rogalla, die seit fast sechs Jahren in der Anlage lebt. „Die Kinder haben mich noch nie gestört, auch wenn die direkt unter meinem Fenster spielen. Im Gegenteil.“ Wenn es wärmer wird, setzt sich die 85-Jährige gerne nach draußen auf die Bank: „Dann kommen die Kleinen auf mich zu, wir reden miteinander.“ Man interessiert sich füreinander.
Änne Rogalla ist Mitglied im Bewohnerbeirat und weiß: „Beschwerden über Kinderlärm hat es hier von den Senioren noch nicht gegeben.“
Petra Tuin, Leiterin des St. Vinzenz-Hauses, berichtet ebenfalls von ausschließlich positiven Erfahrungen: „Die Kinder gehen offen auf die Senioren zu, und die freuen sich sichtlich.“ Wenn draußen spielende Kinder zu sehen seien, würden die jedem Therapeuten mit seinem Gedächtnistraining den Rang ablaufen.
Rücksicht und Toleranz
Aber auch die Kinder profitieren von der direkten Nähe zu den alten Menschen. Erzieherin Marie-Luise Scholz weiß: „Gerade hier lernen Kinder etwas über andere Generationen kennen, denn oft leben Großeltern ja gar nicht mehr in der Nähe.“
Und beide Seiten lernen mit Sicherheit auch gegenseitige Rücksichtnahme, Toleranz. Ohne die würde auch hier die gute Nachbarschaft zwischen Jung und Alt nicht funktionieren. Scholz: „Rücksicht auf den anderen nehmen, das ist das A und O. Die Kinder müssen lernen, wann es zu laut wird und die Senioren, dass sie rund um den Sandkasten auch schon mal schmutzige Schuhe bekommen können.“
Lennart, Erik und Cosmo entern den Garten und juchzen. Und Änne Rogalla strahlt.