Gelsenkirchen. „Aufbruch“ für Gelsenkirchen? Der wichtigste politische Beschluss des Frühlings wurde gefasst. Einen großen Streitpunkt gibt es aber weiterhin.

Es ist das wichtigste lokalpolitische Thema dieses Frühlings: Was soll im Herzen der Stadt, an der Zentralbad-Brache, gebaut werden – außer eben das längst beschlossene neue Schwimmbad? Mit einem Beschluss hat der Rat der Stadt jetzt, nach monatelanger Debatte in anderen Gremien, den Weg dafür frei gemacht, dass dort ein „neues Zukunftsquartier“ mit einem großen Bildungscampus entstehen soll und dabei insbesondere die Modernisierung der Berufskollegs vorangebracht wird. Oberbürgermeisterin Karin Welge sprach von einem „bildungspolitischen Aufbruch“

So sieht die Zukunft der Gelsenkirchener Berufskollegs aus

Kern des Beschlusses ist, dass ein erstes, zentrales „Bildungs- und Innovationsgebäude“ neben dem neuen Zentralbad entstehen und es– dem „Campusgedanken“ folgend – auch Büroräume (Co-Working-Spaces), öffentliche Mensa- und Gastrobereiche und verschiedene „innovative Nutzung“ geben soll. Viele Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft - von der Westfälischen Hochschule über die Handwerkskammer bis zur Emschergenossenschaft - sind mit an Bord. Entwickelt werden soll nicht nur die Zentralbad-Brache, sondern auch andere Flächen im Umkreis (siehe Illustration). Ganz zentral ist dabei die Frage: Was passiert mit den drei der vier Gelsenkirchener Berufskollegs, die extrem in die Jahre gekommen sind?

Sicher ist: Als erste Berufsschule wird das Berufskolleg für Technik und Gestaltung am Campus Platz finden, das aktuell ja in Nachbarschaft der Brache liegt. Auf der Fläche, die durch den Umzug frei wird, soll dann idealerweise eine „moderne Lernumgebung“ für das Berufskolleg Königstraße entstehen. Das Berufskolleg am Goldberg in Buer soll entweder im Bestand saniert werden oder umziehen – allerdings heißt es im Papier, dass sich nach geeigneten Flächen nur in Buer umgesehen werden soll. Klar ist also nun: Das Goldberg soll definitiv im Norden bleiben.

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Übrigens wird in dem Beschluss auch direkt festgehalten, dass man sich konkret Gedanken um die Zukunft der VHS und der Stadtbibliothek machen soll, deren Abriss ebenfalls in nicht allzu ferner Zukunft anstehen soll. Zuletzt erfuhr die WAZ, dass es bei der Stadt Überlegungen gibt, die städtischen Einrichtungen in die erste und zweite Etage des leerstehenden Kaufhofs unterzubringen.

SPD-Fraktionschef spricht von einem „historischen Beschluss“

SPD-Fraktionschef Axel Barton sprach von einem „historischen Beschluss“ und „herausragenden Projekt der Stadtentwicklung“. Der Campus werde „an zentraler Stelle das Stadtbild prägen und das Umfeld beleben“. Noch wichtiger aber sei aber, dass man dafür sorgen werde, dass die Berufsschüler „beste Bildungsumgebungen“ vorfinden. Sie seien hier künftig im „Schulterschluss mit den Unternehmen“ und „Tür an Tür mit der Wissenschaft.“ Barton sprach von einem „Quartier der Synergieeffekte“, einem „riesigen Brainpool“. Dass so viele Akteure mitmachen wollen, das zeige: „Die Idee hat einen Nerv getroffen.“

Die Zentraldbad-Brache im November 2023. Auf diesem „Filet-Grundstück“ soll jetzt ein „Innovationsquartier“ entstehen.
Die Zentraldbad-Brache im November 2023. Auf diesem „Filet-Grundstück“ soll jetzt ein „Innovationsquartier“ entstehen. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Sascha Kurth goss noch einmal etwas Wasser in den Wein, indem er daran erinnerte, dass der Bildungscampus nur ein Plan B sei. Schließlich wurde das Konzept nur entwickelt, weil die Stadt das Vergabeverfahren für die neue Hochschule für Polizei und Verwaltung (HSPV) gegen Herne verloren hatte. Doch nun sei ein „herausragendes, städtebauliches Projekt“ gelungen. Der Filet-Standort am Zentralbad habe verlangt „nach einem Ausrufezeichen, nach etwas Großem“. Wichtig sei zudem, dass mit dem Beschluss eine klare Aussage zum BK am Goldberg getroffen werde. Zu sehr habe sich die Debatte bislang um die Frage gedreht, ob es in Buer bleiben soll oder auch eine Einbindung in den neuen Campus möglich wäre.

Bildungscampus: Gelsenkirchener Grüne stimmen einem Punkt nicht zu

Aber auch in der finalen Ratsdebatte drehte sich noch mal viel ums Goldberg: Gewünscht hätten sich vor allem die Grünen, dass der Gedanke eines gemeinsamen Campus aller drei renovierungsbedürftigen Berufskollegs ergebnisoffen geprüft wird. Dass sich nun vor allem in Buer für das Goldberg umgeschaut werden soll, bezeichnete der bildungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, David Fischer, als „Zugeständnis der Verwaltung an die FDP und die innerlich zerrissene GroKo.“ Die Verwaltung habe hier eine „überraschende Kehrtwende“ vollzogen, ergänzte der baupolitische Sprecher Grünen, Burkhard Wüllscheidt. Man verpasse die „historische Chance“, einen „Ankerpunkt“ für alle drei Berufskollegs zu schaffen.

FDP-Fraktionschefin Susanne Cichos betonte in ihrer Rede wiederum, wie wichtig es sei, dass das BK Goldberg in Buer bleibt. „Wir wehren uns – nach dem Abzug von Finanzamt und Amtsgericht – dass weitere Institutionen im Norden abgezogen werden.“ Markus Karl, bildungspolitischer Sprecher der CDU, ergänzte später, das Goldberg selbst sei mit dem Beschluss jetzt gar nicht besonders glücklich. Es sei deswegen jetzt wichtig, der Schulleitung zu zeigen, „dass man es ernst meint“ und „sie nicht alleine lässt.“

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Martin Gatzemeier, Fraktionschef der Linken, betonte mit Blick auf das BK Goldberg: „Für uns ist klar, das Kolleg muss mit auf den Campus.“ Jan Specht von AUF begrüßt, dass die Berufskollegs „nach jahrelanger Vernachlässigung“ mehr in den Mittelpunkt rücken, vermisste im Beschluss jedoch „eine belastende Vorstellung über die Finanzierung.“ „Bauchweh“ gab es bei Ali-Riza Akyol von der WIN, weil er Beispiele für vergleichbare Projekte in anderen Kommunen vermisst. Schwierig für ihn: Dass eine Kommune wie Gelsenkirchen, die „nicht nur durch den Strukturwandel, sondern auch durch politische Entscheidung“ abgehängt sei, jetzt auf einmal deutschlandweit Impulse setzen soll.

Trotz solcher skeptischen Stimmen wurde der Beschluss am Ende fast in allen Punkten einstimmig angenommen. Ablehnung war nur bei den Grünen zur getrennt abgestimmten Goldberg-Frage zu verzeichnen.