Gelsenkirchen. Gelsenkirchen hat fünf Klinikstandorte. Aber werden alle die Wartezeit und Entscheidungen überleben? Was die Chefin des größten Trägers sagt.

Erst zum Jahresende sollen Kliniken in NRW und damit auch in Gelsenkirchen endgültig Sicherheit haben, welche Leistungen sie auch künftig anbieten dürfen laut neuem NRW-Krankenhausplan. Wie stark die vom Bundesministerium auf den Weg gebrachte Reform sich vor Ort auswirken wird, bleibt auch dann noch unklar. Fest steht nur: Es wird einschneidende Veränderungen geben.

Lukrative Eingriffe nur noch an deutlich weniger Kliniken erlaubt

Zum Beispiel: Landesweit sollen laut Plan nur noch wenige Kliniken eine Revision von Hüftendprothesen vornehmen dürfen, also eine Prothese austauschen: 202 Kliniken im Land haben beantragt, dies tun zu dürfen, 96 in ganz NRW sollen die Genehmigung bekommen. Generell sollen im lukrativen orthopädischen Bereich Leistungsgruppen an bestimmten Häusern konzentriert werden. „Tiefe Rektum-Eingriffe“, also Enddarmoperationen, so der Plan, dürfen künftig statt 195 nur noch 107 Häuser abrechnen dürfen. In diesen Bereichen gibt es auch in Gelsenkirchen jeweils mehr als eine Klinik, die solche Eingriffe anbietet. Konflikte könnte es in Gelsenkirchen zudem im Bereich Kardiologie geben, die alle drei Klinikträger vorhalten.

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Die Regionalkonferenz mit den Klinikleitungen im Gelsenkirchener Versorgungsgebiet, mit der Bezirksregierung Münster und Vertretern der Stadt Gelsenkirchen ist für Mitte Juni geplant. Die Bezirksregierung stellt dabei vor, wie sie die bisherigen Stellungnahmen und Vorschläge der Beteiligten bewertet und was ihre Vorgaben sind. Nach der Konferenz haben alle Beteiligten Zeit bis zum Ende des Sommers, um ihre endgültigen und angepassten Vorschläge zu machen. Gegen Jahresende sollen die Kliniken dann endgültig erfahren, welche Leistungsgruppen sie künftig liquidieren dürfen. [Lesen Sie dazu auch: Dramatische Folgen für Patienten in Gelsenkirchen?]

Kliniken sollen sich untereinander einigen, wer überleben darf

In einigen Regionen haben diese Konferenzen bereits stattgefunden. „Und da gab es nach der Konferenz und nach allem, was ich erfahren habe, mehr Fragen als Antworten“ sagt Susanne Minten, Geschäftsführerin der KERN, Katholische Einrichtungen Ruhrgebiet Nord GMbH, dem größten Klinikträger in Gelsenkirchen. So soll von offizieller Seite in einer mittleren Ruhrgebietsstadt die Vorgabe gemacht worden sein, dass zum Beispiel ein Krankenhaus ausreichen müsse. Die örtlichen Träger wurden aufgefordert, sich zu einigen. „Da fehlt mir die Fantasie, wie man sich auf Basis solch einer Vorgabe einigen soll“, bezweifelt die Gelsenkirchenerin die Erfolgsaussichten dieses Vorgehens.

Die Unsicherheit und die wirtschaftliche Belastung sind das Schlimmste
Susanne Minten - Geschäftsführerin KERN, Katholische Einrichtungen Ruhrgebiet Nord

Sich jetzt bereits auf Leistungsgruppen zu fokussieren, über Konzentrationen nachzudenken oder gar Verlagerungen zu planen, Entscheidungen zu treffen: „Das fände ich jetzt nicht klug. Und ich denke, das geht den meisten Akteuren so. Zu groß wäre die Gefahr, dass es genau die falsche Entscheidung wäre. All das schafft einfach unglaublich viel Unsicherheit“, so ihre Klage. Allerdings ist die KERN-Gruppe dennoch bereits einen Schritt vorausgegangen: Die Geriatrie aus dem St. Josef-Hospital ist bereits ins Sankt Marien Hospital Buer (MHB) übergesiedelt, der Bewilligungsbescheid der Bezirksregierung steht noch aus. „Aber wir arbeiten schon dort. Wir konnten alle Mitarbeiter in der Pflege im Team halten. Wer nicht mit ans MHB ging, arbeitet nun in Gladbeck in der neurochirurgischen und neurologischen Reha. Das ist unser neuer Leuchtturm, den wollen wir stärken“, kündigt Minten an.

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Die Unsicherheit und die extreme wirtschaftliche Belastung seien bei dem Prozess das Schlimmste für die Kliniken. „Wenn wir zum Jahresende die Bescheide bekommen, dürfen wir ab Januar nur noch die uns zugestandenen Leistungsgruppen abrechnen, die anderen nicht. Aber das ist praktisch doch gar nicht umsetzbar“, schildert sie ein weiteres Problem. Hinzu komme, dass bis heute die Kosten für die gestiegenen Tariflöhne bei der Kostenerstattung durch die Kassen ebenso wenig berücksichtigt werden wie die gestiegenen Preise auf allen Ebenen.

„Wir tragen Verantwortung für 4000 Beschäftige allein an Kliniken, sind der größte Ausbilder der Stadt, versorgen Senioren und Kinder und Jugendliche. Das braucht Sicherheit“, drängt Minten. „Das aufs Spiel zu setzen, ist gefährlich“, so ihre Mahnung. Dabei ist die finanzielle Unsicherheit für Kliniken weiterhin besonders groß, da diese vor allem an der Reform des Bundesministeriums hängt, die wieder andere Regelungen für Notfallambulanzen und Geburtsabteilungen vorsieht.

KERN-Geschäftsführerin Susanne Minten wünscht sich für die Kliniken vor allem zeitnahe Planungssicherheit.
KERN-Geschäftsführerin Susanne Minten wünscht sich für die Kliniken vor allem zeitnahe Planungssicherheit. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Wir sind bereit, uns zu ändern. Wir gehen neue Wege an vielen Stellen“, beteuert die Klinikchefin. Wäre man auch bereit, Leistungsgruppen, die aktuell an eigenen Standorten doppelt vorhanden sind, an einem der eigenen Häuser zu konzentrieren, wie etwa die Orthopädie? „Wenn die gesamtstädtische Verteilung einer Leistungsgruppe sinnvoll ist, würden wir das mitgehen, fände ich das sogar sinnvoll. Das wäre nicht das Problem“, versichert Minten.

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In Gelsenkirchen sei die Situation auch deshalb besonders, weil alle drei Träger frei gemeinnützig arbeiten: „Hinter uns steht kein Land wie bei den Unikliniken und keine Kommune, die ja einen Versorgungsauftrag haben und Defizite folglich auffangen müssen. Uns geht es wie den privaten Trägern, die alles selbst stemmen müssen“, verweist sie auf die notwendige finanzielle Ausstattung.