Gelsenkirchen. Bund und Land reformieren die Krankenhauslandschaft, die Kliniken sehen sich in unruhigen Zeiten. Selbst jene, die vorbereitet sind, üben Kritik.
Nein, mit faulen Eiern sind sie nicht beworfen worden. Susanne Minten, Geschäftsführerin der „Katholischen Einrichtungen Ruhrgebiet Nord“, winkt ab. Vor wenigen Wochen hat der Gelsenkirchener Gesundheitsriese mit 7500 Beschäftigten und Standorten von Essen bis Haltern am See auch die letzte Abteilung aus einem Krankenhaus im Gelsenkirchener Stadtteil Horst abgezogen. Nach 130-jähriger Geschichte wurde die stationäre Versorgung aufgegeben und soll nun Platz für Praxen bieten.
Angebote zu konzentrieren, das sei gerade in Ballungsräumen richtig und sinnvoll, meint Klinikmanagerin Minten. „Wenn wir an fünf Krankenhausstandorten jeweils, nur zum Beispiel, ein bisschen Endoprothetik machen, kann das nie so gut sein wie ein Standort, der das ständig macht.“
Landesreform wird Kliniklandschaft verändern und sorgt für Unsicherheit
Damit greift der katholische Verbund für Medizin, Pflege und Pädagogik einer Entwicklung vor, wie sie landesweit ab dem kommenden Jahr zu sehen sein wird. 2025 soll die Landes-Krankenhausreform nach intensiver Planung in Kraft treten, mit der Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die Kliniklandschaft gehörig umkrempeln will. Betreiber sollen stärker zusammenarbeiten und Angebote anhand neuer Leistungsgruppen konzentriert werden. Erwartet wird auch, dass einzelne Kliniken in der Folge ganz geschlossen werden.
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In Gelsenkirchen könnte man eigentlich entspannt auf die Landesreform schauen. Erst 2023 haben sich zwei katholische Träger zu der GmbH zusammengeschlossen, um Angebote besser steuern zu können und wettbewerbsfähiger zu sein. Doch die Unsicherheit ist selbst hier groß: Lange sei man gut an der Reform beteiligt worden, nun aber fehle die entscheidende Information, welche Leistungen voraussichtlich an welchen Krankenhausstandorten erhalten bleiben, heißt es. Ein Spitzentreffen mit Klinikchefs der Umgebung und Länderbehörden - die sogenannte Regionalkonferenz - steht im Juni an, doch mit welchem Ergebnis, das sei offen.
Sorge, dass Behördenbescheide zu kurzfristig kommen
Dabei drängt die Zeit: „Wir sind von Übergangsfristen ausgegangen, aber die wird es wohl, Stand heute, nicht geben“, sagt Minten. Ihre Sorge ist, dass im extremen Fall erst zum Jahresende Behördenbescheide verschickt werden könnten und dann kurzfristig Fachabteilungen geschlossen werden müssten, weil sie nicht mehr abgerechnet werden können. „So etwas ist nicht darstellbar, auch nicht für die betroffenen Mitarbeiter.“ Minten kündigt an, um Abteilungen kämpfen zu wollen, weiß aber schon jetzt, dass auch Schließungen unter den derzeit elf Krankenhausstandorte bevorstehen könnten: „Wir gehen nicht davon aus, dass wir an allen Standorten weiterhin eine Krankenhausversorgung anbieten werden.“
Die Unsicherheit im Haus werde durch die parallellaufende Bundes-Klinikreform verstärkt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Finanzierung der Krankenhäuser verändern, streitet sich aber seit Monaten mit Kliniken und den Bundesländern über die Eckpunkte seiner Reform. Kritik gibt es auch daran, dass er die in NRW mühsam erarbeiteten Leistungsgruppen nach jetzigem Stand schon 2026 verändern will.
Weniger Geburtshilfen: Klinikmanagerin kritisiert Lauterbach-Reform
Minten nennt ein konkretes Beispiel, das droht: „Wenn sich der Bundesgesundheitsminister durchsetzt, müssten wir beispielsweise an zwei unserer Standorte die Geburtshilfe schließen. Dabei gibt es jetzt schon zu wenig Geburtskliniken.“ In der Krankenhauslandschaft finde man niemanden, der Veränderungen nicht für nötig halte, so Minten, doch dafür brauche es Geld und Planungssicherheit.
Ihre Lage beschreibt die Klinikmanagerin als eine Situation der doppelten Unsicherheit. „Wir haben aktuell nichts, womit wir das nächste Jahr planen können. Wir wissen nichts“, so Minten. Das sei gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein Problem. Durch diese ungeklärte Situation könne es zu Unruhe im Haus kommen, weil Mitarbeiter ja wissen wollten, ob ihre Abteilungen an den jeweiligen Standorten erhalten bleiben. „Uns sind aus diesem Grund zwischenzeitlich schon exzellente Fachkräfte abhandengekommen“, sagt Minten. „Das ist dann für ein Krankenhaus eine schwierige Situation.“
Die Krankenhausreform
Schon lange ringen Bund und Länder um die Krankenhausreform. Ob und wie sie gelingt, ist immer nioch nicht klar, denn der Streit zwischen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und den Gesundheitsministern der Länder um Zuständigkeiten ist noch nicht vollständig beigelegt.
Wichtigster Teil der Bundesreform ist die Abkehr von den Fallpauschalen. Bisher nehmen die Kliniken dann viel Geld ein, wenn sie möglichst viele Patientinnen und Patienten behandeln. Dieses System wird zum Teil von einer Vorhaltevergütung abgelöst: Kliniken können mit diesen garantierten Einnahmen 60 Prozent ihrer Kosten ausgleichen, egal, ob viele Betten belegt sind, oder nicht. Die Fallpauschalen werden aber nicht komplett abgeschafft.
Zweite Säule der Reform ist die Qualitätsverbesserung: Die Kliniken werden bestimmten „Leistungsgruppen“ zugeordnet, zum Beispiel „Kardiologie“ oder „Neurologie“, wenn sie in diesen Bereichen wirklich gut sind. NRW, das diesen Weg bereits eingeschlagen hat, dient hier als Vorbild für die deutschlandweite Reform. NRW befürchtet, dass die hier mühsam erarbeiteten Leistungsgruppen vom Bund schon 2026 durch neue ersetzt werden. Darüber wird gestritten.
Die Umsetzung der neuen Krankenhausplanung in NRW geht jetzt in die entscheidende Phase. In insgesamt zehn regionalen Konferenzen von Mitte April bis Anfang Juli wird das NRW-Gesundheitsministerium den betroffenen Krankenhäusern, Kostenträgern und der Politik das Verfahren der Krankenhausplanung darstellen. Bis Ende des Jahres sollen alle Krankenhäuser ihre Feststellungsbescheide und damit Planungssicherheit darüber haben, wie sie sich zukünftig ausrichten können.