Gelsenkirchen. Viel diskutiert wird über Arbeitspflicht für Asylbewerber. Dabei gibt es längst Möglichkeiten – die in Gelsenkirchen kaum genutzt werden.
- Bereits jetzt gibt es gesetzliche Möglichkeiten, um Schutzsuchende in Arbeit zu bringen – sowohl Menschen im abgeschlossenen als auch im laufenden Asylverfahren.
- Diese „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“ können „Ein-Euro-Jobs“ sein. Denkbar ist aber auch eine Arbeitsgelegenheit in Flüchtlingsunterkünften für 80 Cent die Stunde.
- Allerdings werden diese Wege in Gelsenkirchen selten genutzt. Die Stadt begründet dies damit, bei der Arbeitsmarktintegration eher auf „Qualifikation“ setzen zu wollen.
Viel wird in Deutschland darüber diskutiert, wie man Geflüchtete schneller verpflichten kann, eine Arbeit aufzunehmen. Allerdings gibt es längst gesetzliche Möglichkeiten, die Arbeitsgelegenheiten für Schutzsuchende schaffen, die noch keinen „richtigen“ Job bekommen haben oder aufnehmen dürfen. Möglichkeiten, die selten Anwendungen finden – auch in Gelsenkirchen, wie sich jetzt anhand von Zahlen aus der Bundesagentur für Arbeit zeigt.
Demnach gab es zuletzt (Januar bis Oktober 2023) lediglich 47 Schutzsuchende, die eine entsprechende Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung begonnen oder an einer solchen teilgenommen haben. Dabei geht es um Beschäftigungen „auf einfachstem Helferniveau“, wie die Stadt in einer Antwort auf eine Anfrage der AfD-Fraktion zu dem Thema mitteilte.
„Ein-Euro-Jobs“ für Flüchtlinge? So sieht die Lage in Gelsenkirchen aus
Einsetzbar sind die Menschen also zum Beispiel als Alltagshelfer in der Pflege, als „Platzwarthelfer“ auf Sportstätten kleinerer Vereine oder als Unterstützungskraft bei Anlaufstellen für Bedürftige. Denkbar ist auch die Pflege von Friedhöfen und Straßen – dort, wo es über „städtische Pflicht-Standards hinausgeht“, teilt die Verwaltung mit.
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Gesetzliche Grundlage für diese Arbeiten ist das Sozialgesetzbuch. Hier geht es um Menschen, die bereits eine Aufenthaltserlaubnis mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt haben, also um Empfänger von Bürgergeld, nicht von Asylbewerberleistungen. Umgangssprachlich bekannt sind die sogenannten „Arbeitsgelegenheiten in der Mehraufwandsvariante“ eher als „Ein-Euro-Jobs“. Diese sind als niederschwellige Maßnahme zur Heranführung an den Arbeitsmarkt gedacht und dürfen nicht in den Wettbewerb zu „normalen“ Stellen treten. Man bekommt demnach keinen klassischen Lohn, sondern nur eine Aufwandsentschädigung, in der Realität zwei bis drei Euro pro Stunde.
Schnelle Jobs für Ukrainer? Stadt Gelsenkirchen will lieber qualitative Arbeitsmarktintegration
700 Menschen in Gelsenkirchen waren von Januar bis Oktober 2023 insgesamt in einem „Ein-Euro-Job“, darunter 147 ausländische Personen, drei Ukrainer und die genannten 47 Geflüchteten. 2019 gab es noch wesentlich mehr „Ein-Euro-Jobs“, damals zählte die Stadt 1868 Personen in einer solchen Arbeitsgelegenheit. Die Zahl der Asylbewerber allerdings war immer überschaubar und lag jedes Jahr unter 100.
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Das Instrument werde gerade bei Ukrainern, von denen seit Beginn des russischen Angriffs, über 2800 nach Gelsenkirchen gekommen sind, also „quasi nie genutzt“, stellt die AfD-Fraktion fest. Sie wünscht sich einen Ausbau der „begrüßenswerten“ Maßnahme.
Sozialdezernentin Andrea Henze dagegen erklärt auf Nachfrage, man nutze die Arbeitsgelegenheit mit Aufwandsentschädigung deshalb so selten, weil das Ziel vielmehr sei, die Menschen richtig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Wir gehen eher den Weg der Qualifizierung“, so die Stadträtin. Weiterbildungen mit dem Ziel, irgendwann eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen zu können, seien den „Ein-Euro-Jobs“ also vorzuziehen. Zudem macht Henze darauf aufmerksam, dass der Mangel beim „Regie-Personal“ für die Anleitung und sozialpädagogische Begleitung der Menschen dem Ausbau der Arbeitsgelegenheiten im Wege stehe.
Flüchtlinge im laufenden Asylverfahren: Gemeinnützige Arbeit für 80 Cent die Stunde
So viel zu den Menschen mit Fluchthintergrund, die bereits Bürgergeld erhalten. Aber was ist mit jenen, die sich noch im laufenden Asylverfahren befinden oder sich als „Geduldete“ in Gelsenkirchen aufhalten? Auch sie können grundsätzlich eine Arbeit zugewiesen bekommen. Das regelt das Asylbewerberleistungsgesetz. Diese Arbeit soll grundsätzlich an der eigenen Flüchtlingsunterkunft erbracht werden, bei einem staatlichen, kommunalen oder gemeinnützigen Träger stattfinden und wird mit einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 80 Cent pro Stunde entlohnt.
Etwa um die zehn Prozent der Bewohner leiste eine solche Arbeit in den Flüchtlingsheimen, schätzt Michael Mrowietz vom Deutschen Roten Kreuz, das in den Notunterkünften Emscher-Lippe-Halle und Mehringschule tätig ist. „Die Menschen sorgen für Ordnung, sammeln zum Beispiel Müll auf oder bringen sich als Sprachmittler in den Angeboten ein, die wir für die Menschen machen“, sagt er. „Sie schließen Lücken, indem sie sich gewinnbringend einbringen.“ Die 80 Cent seien finanziell keine große Sache, „aber diese Arbeit ist der erste Schritt zur Integration.“
Gesetzliche Änderungen sollen Arbeitsaufnahme von Asylbewerbern erleichtern
Mit dem Ende Februar verabschiedeten Abschiebegesetz („Rückführungsverbesserungsgesetz“) wurde die Aufnahme von Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerber erst erleichtert. Bisher musste bei der Arbeit das Kriterium der „Zusätzlichkeit“ erfüllen sein, also sichergestellt werden, dass durch die Tätigkeit keine bestehenden Arbeitsplätze verdrängt werden. Durch die Änderung des Gesetzes im Februar reicht es nun aus, „dass das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient.“
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Was das für Gelsenkirchen bedeutet? Ob und wie hier nun viel mehr Asylbewerber zu kleineren Tätigkeiten verpflichtet werden können? „Da befinden wir uns in der Prüfung“, sagt Andrea Henze und peilt an, noch im April erste Ergebnisse zu verkünden.