Gelsenkirchen. Trotz „hoher Eigenmotivation“: Es ist schwer, ukrainische Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu bringen. Nun sollen Firmen ihren Beitrag leisten.
- Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten aus der Ukraine schreitet in Gelsenkirchen voran, gestaltet sich aber weiterhin als schwierig.
- Das liegt nicht nur an den Sprachbarrieren, sondern auch an fehlenden Kita-Plätzen oder psychischen Problemen der Geflüchteten.
- Bund und Stadtverwaltung appellieren nun an Firmen, auch Geflüchteten mit geringen Deutschkenntnissen eine Chance zu geben.
Die Zahl der ukrainischen Geflüchteten, die in Gelsenkirchen eine Beschäftigung aufgenommen haben, konnte in etwa einem halben Jahr fast verdreifacht werden – bleibt in Anbetracht der insgesamt in der Stadt lebenden Ukrainer aber weiterhin äußerst gering. Das geht aus Daten hervor, die Verwaltung und Jobcenter der WAZ auf Nachfrage gemeldet haben.
Demnach leben derzeit 2811 ukrainische Kriegsflüchtlinge in der Emscherstadt. Darunter gelten 1505 als erwerbsfähig, erhalten aber Leistungen von dem Jobcenter. 172 Ukrainerinnen und Ukrainer dagegen sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 55 von ihnen sind laut Jobcenter „im Helferbereich tätig“, gehen also Jobs nach, für die man keine Berufsausbildung benötigt. Zirka 100 Personen sind Aufstocker, ergänzen ihr Einkommen demnach mit Bürgergeld.
Im Februar 2023 meldeten die Stadtbehörden noch 60 Menschen aus der Ukraine, die erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden konnten. Die Zahl der insgesamt in Gelsenkirchen gemeldeten Ukrainer hat sich seitdem um weitere 471 Menschen erhöht.
Ukrainer in Gelsenkirchen: Anerkennung von Qualifikationen ist komplex
Ein wichtiger Faktor für einen erfolgreichen Weg in den Arbeitsmarkt ist das Erlernen der deutschen Sprache, die bis zu einem Niveau von A2 oder B2 in verpflichteten Integrationskursen gelehrt wird. Zahlen darüber, wie viele Ukrainer mittlerweile einen solchen Kurs abgeschlossen haben, liegen dem Jobcenter nicht vor. „Allgemein werden Integrationskurse von Ukrainern aber gut angenommen, da sie die Notwendigkeit des Spracherwerbs erkennen“, heißt es zu der hohen „Eigenmotivation“ der Kriegsflüchtlinge – die allerdings nur bedingt dazu beitragen kann, die Hürden bei der Job-Suche zu überwinden.
Denn von ihnen gibt es viele: Da sind die Schwierigkeiten für arbeitswillige Mütter, einen der raren Kita-Plätze in Gelsenkirchen zu ergattern (nur 60 ukrainische Kinder werden in städtischen Tageseinrichtungen betreut, zu den anderen Kita-Trägern liegen keine Daten vor). Da sind psychische Belastungsfaktoren wie die Ungewissheit über den Kriegsausgang und die Bleibeperspektiven oder der Umgang mit Traumata. Und da sind die Probleme, berufliche Qualifikationen aus dem Heimatland anerkennen zu lassen.
„Nordrhein-Westfalen hat sich zum Ziel gesetzt, die Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen und Berufsabschlüsse einfacher und fairer zu gestalten“, merkt man beim Jobcenter an. „Jedoch gibt es immer noch Herausforderungen und Verbesserungspotentiale bezogen auf die Dauer und Komplexität des Verfahrens.“
Ampel-Regierung will „Turbo zur Arbeitsmarktintegration“
Auch der Bund signalisierte zuletzt, sich dem Thema verstärkt widmen zu wollen, gab Mitte Oktober eine Pressekonferenz unter der Überschrift „Turbo zur Arbeitsmarktintegration“. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) versprach darin, „die Anstrengungen noch einmal zu verstärken, um Geflüchtete schnell und möglichst nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren“. Geschehen soll das etwa durch noch intensiveren Kontakt zwischen Ukrainern und Jobcenter, branchenspezifische „Matching-Aktionen“ mit der Wirtschaft und einen „Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten“.
Dieser soll die Unternehmen darin bestärken, Geflüchtete auch verstärkt ohne gute Deutschkenntnisse (also unterhalb B2-Niveaus) zu beschäftigen und weiter zu qualifizieren. „Die Bundesregierung möchte große Unternehmen, die Zeitarbeit und Branchenverbände für eine entsprechende Selbstverpflichtung gewinnen“, heißt es.
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„Natürlich brauchen wir Arbeitgeber, die Geflüchteten eine Chance geben, auch wenn sie noch nicht perfekt Deutsch sprechen“, appelliert auch die Gelsenkirchener Stadträtin Andrea Henze, verantwortlich für den Bereich Arbeit und Soziales. Zudem müssten die Verfahren zur Anerkennung von ausländischen Qualifikationen weiter beschleunigt werden, ausreichend Kinderbetreuungsangebote zur Verfügung stehen, passgenaue auch berufsbegleitende Deutschkurse angeboten und das Integrationsmanagement zwischen Bund, Ländern und Kommunen weiter verbessert und aufeinander abgestimmt werden. Henze: „Damit eine schnelle Integration von Geflüchteten gelingt, müssen auch andere Akteure ihren Beitrag leisten.“
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